Analyse

Insolvenz als Rettungsanker

Von den 292 Großinsolvenzen aus dem ersten Pandemiejahr ist bei 165 Firmen, das sind 56 %, der Neustart gelungen. Zu diesem Ergebnis kommt die Sanierungsberatung Falkensteg.

Insolvenz als Rettungsanker

ab Düsseldorf

Hurra, sie leben noch. Mit diesen Worten ließe sich beschreiben, was sich im vergangenen Jahr an der Insolvenzfront abgespielt hat. Von den 292 Großinsolvenzen aus dem ersten Pandemiejahr ist bei 165 Firmen, das sind 56 %, der Neustart gelungen. Zu diesem Ergebnis kommt die Sanierungsberatung Falkensteg bei der Analyse der Verfahrensausgänge von Insolvenzen. Die Rettungsquote könne sich noch deutlich erhöhen, sei der Ausgang bei 69 Insolvenzen doch noch offen, heißt es. Als Großinsolvenzen gelten Pleiten von Unternehmen mit einem Jahresumsatz von mehr als 10 Mill. Euro.

Mit 56 % liege die Rettungsquote deutlich über dem Schnitt der Vorjahre, in denen nur knapp der Hälfte der Firmen ein Neustart gelang. „Früher galt die Insolvenz als Scheitern des Unternehmens. Doch inzwischen nutzen viele Unternehmen die Insolvenz in Eigenverwaltung zur Sanierung“, stellt Falkensteg-Partner Johannes von Neumann-Cosel fest. Als wichtigster Rettungsanker hat sich der Asset Deal erwiesen, bei dem sich ein Investor in das insolvente Großunternehmen einkauft. Zwei Drittel der 2020 erfolgten Rettungsaktionen entfielen gemäß der Analyse auf diesen Rettungsweg. Größte Deals waren der Autozulieferer Veritas, der im Juni an die HDT Automotive Solutions in den USA ging. Beim Mobilitätsdienstleister Arwe übernahm die Tip-Top-Gruppe Anfang September den Großteil der 63 Standorte und bei der Restaurantkette Vapiano kaufte sich der einstige Manager Mario C. Bauer zusammen mit anderen Investoren wieder ein.

Nachdem die Pandemie den M&A-Markt im vorigen Jahr nahezu zum Erliegen gebracht hat, hat sich das Geschehen am Markt für Distressed-Transaktionen belebt. Die Zahl der verkauften insolventen Großunternehmen erhöhte sich 2020 nach den Angaben von 76 auf 113. Dieser Trend könnte sich in diesem Jahr fortsetzen. Wenn die staatlichen Hilfen ausliefen und die Rückzahlung der Kredite anstehe, könnten viele Firmen die finanziellen Belastungen nicht stemmen, glaubt Neumann-Cosel und fügt an: „Dann werden die Distressed-M&A-Deals zunehmen.“

Neben Asset Deals kamen in der Insolvenz auch häufig Insolvenzplanlösungen zum Einsatz. Ein wesentlicher Bestandteil von Insolvenzplänen ist ein umfangreicher Gläubigerverzicht. 2020 gelang 52 Firmen die Einigung mit ihren Gläubigern, im Jahr davor waren es nur 25. Die größte Pleite mit Insolvenzplanlösung war Galeria Karstadt Kaufhof. Dort verzichteten die Gläubiger auf 2 Mrd. Euro. Über einen Insolvenzplan sanierten sich zudem Esprit und der Autozulieferer KSM Castings Group.

Nach Einschätzung der Sanierungsberater von Falkensteg spricht die kurze Verfahrensdauer für die beiden dargestellten Wege aus der Insolvenz. Im Schnitt dauert es 149 Tage, bis ein insolventes Unternehmen einen neuen Käufer gefunden hat. Beim Insolvenzplan seien es etwa zwei Monate mehr. Damit habe sich die Zeit zwischen Antragstellung und Verfahrensende in der Pandemie sogar verkürzt. Zuvor dauerte der Verkauf im Schnitt 177 Tage und die Planlösung 268 Tage.