GastbeitragNachhaltigkeit

Investoren stellen Forderungen an das S in ESG

Unternehmen sind in Nachhaltigkeitsaspekten gefordert. Dabei gewinnt der Social-Bereich an Bedeutung. Das sollten Konzerne nicht als lästige Pflicht begreifen.

Investoren stellen Forderungen an das S in ESG

Gastbeitrag

Investoren stellen Forderungen an das S in ESG

Von Gunnar Kilian und Petra Knab-Hägele

Nachhaltigkeitsforderungen an Unternehmen, im Kapitalmarkt in sogenannten ESG-Kriterien ausgedrückt, haben in den letzten Jahren an Gewicht gewonnen. Hatten Politik wie auch institutionelle Investoren dabei zunächst die Aspekte Governance (G) und Umwelt (E) im Blick, fand das S, also der Social-Bereich, weniger Beachtung. Gesellschaftliche Veränderungen inklusive Demographie, Fachkräftemangel und weltweiter krisenhafter Entwicklungen wie der Covid-Pandemie haben hier einen Wandel bewirkt: Mehr denn je sind Unternehmen durch eine auf das S ausgerichtete Regulatorik und Gesetzgebung wie auch entsprechende Investorenforderungen zum Handeln gezwungen: Sie sollten es nicht nur als lästige Pflicht begreifen, sondern als Chance, über die Bereitstellung und Kommunikation der relevanten Daten hinaus, ihre eigene Positionierung zu stärken.

Intensive Debatte

Im Zuge einer intensiven Debatte zu Nachhaltigkeit hat die Europäische Union eine Reihe von Standards erarbeitet, die von Unternehmen zu implementieren sind. Die Vorgaben zielen darauf ab, ein nachhaltiges und verantwortungsvolles Verhalten in allen globalen Wertschöpfungsketten zu fördern. Zu den jüngeren, insbesondere für das Personalmanagement relevanten Vorgaben zählt dabei die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD). Zum Januar 2023 in Kraft getreten, zieht sie tiefgreifende formelle und inhaltliche Veränderungen in der Berichterstattung zu Nachhaltigkeit nach sich. Sie schreibt u.a. eine Prüfungspflicht von Berichten vor.

Die Direktive wird neu durch die European Sustainability Reporting Standards (ESRS, S1 Own Workforce) konkretisiert. Deren insgesamt 104 Inhalte sind schrittweise bis 2028 umzusetzen, wobei die ersten Unternehmen bereits 2025 für das zurückliegende Geschäftsjahr berichten müssen. Das stellt gerade größere börsennotierte Gesellschaften mit internationaler Präsenz und komplexeren Geschäftsmodellen vor substanzielle Herausforderungen.

Hinzu kommt der Druck seitens institutioneller Investoren. Diese bewerten Umwelt-, Sozial- und Governance-Faktoren mehr denn je integriert und achten bei Investitionsentscheidungen darauf, wie ernst Unternehmen die eigene ESG-Performance bzw. die Transformation zu mehr Nachhaltigkeit nehmen. Damit rücken auch grundlegende S-Kennzahlen etwa zu Menschenrechten, Arbeitsbedingungen sowie Diversität & Inklusion in den Blick des Kapitalmarkts. Hinzu kommt die Abfrage sektorspezifischer S-Kennzahlen wie zum Beispiel Unfallraten, Arbeitssicherheit, Arbeitnehmerzufriedenheit oder Fluktuation, einschließlich der Angaben, wie diese gesteuert werden.

Strategischer Hebel

Wie Unternehmen nachhaltiges Agieren definieren, ist somit alles andere als nur eine interne Angelegenheit. Doch ungeachtet aller externen Auflagen und Forderungen braucht es auch ein intern stimmiges, durchgängiges und umfassendes Verständnis von nachhaltigem Agieren.

Aus der S-Perspektive bedeutet nachhaltiges Personalmanagement, dass Unternehmen nicht nur ökologische und ökonomische Aspekte im Blick haben, sondern auch soziale. Es geht um die Schaffung einer Arbeitsumgebung, die nicht nur ressourceneffizient ist, sondern auch die Gesundheit und das Wohlbefinden der Mitarbeitenden fördert. Es geht um signifikante Investitionen in Weiterbildung, die Förderung von Vielfalt und Inklusion am Arbeitsplatz sowie die Einbeziehung von Mitarbeitenden in soziale und ökologische Projekte. In einem nachhaltig ausgerichteten Personalmanagement stellen Unternehmen sicher, dass Mitarbeitende fair behandelt werden und die Unternehmensführung transparent und ethisch agiert.

Um diese Aspekte managen zu können, braucht es Daten – Daten, die HR häufig nicht oder noch nicht durchgängig bzw. in ausreichender Qualität zur Verfügung hat. Regulatorik und Investoren-Druck bewirken hier einen Paradigmenwechsel – und dieser bietet HR-Verantwortlichen die Chance, gemeinsam mit der Unternehmensleitung und dem Aufsichtsrat auf Augenhöhe zu agieren. HR kann die Unternehmensleitung dabei unterstützen, entlang der gesamten Wertschöpfungskette materielle soziale Risiken zu identifizieren und Potenziale zu erkennen.

Sprechfähige Aufsichtsräte

Insbesondere Aufsichtsräte müssen zu ESG-Themen in Richtung Kapitalmarkt Sprechfähigkeit erlangen, in der Dimension S vor allem mit Hilfe von HR. Und auch die Mitbestimmung spielt eine wichtige Rolle: Sie hat viele Fragen aus dem S-Bereich traditionell im Blick.

Hinsichtlich der neuen Reporting-Pflichten und des hohen Interesses an personalspezifischen Kennzahlen gilt es, ein integriertes Nachhaltigkeitsreporting aufzubauen, das einen schnellen und aussagekräftigen Überblick über relevante Daten des S-Bereichs bietet, auch im Kontext der unternehmerischen Ziele. Es ist keine gewagte Prognose, dass sich dabei ein Berichtswesen analog zur heutigen Finanzberichterstattung entwickeln wird. Gleichzeitig erhält der HR-Bereich über das Reporting von S-Faktoren direkten Einfluss auf das ESG-Rating von Unternehmen. Er trägt somit direkt zur Investierbarkeit bei und beeinflusst maßgeblich Refinanzierungskosten.

Aber das Wirken der HR-Funktion beeinflusst nicht nur Ratings. In ihrer Rolle sichert sie vielmehr auch nachhaltiges Wachstum, beispielsweise durch die Gewinnung und Bindung immer knapper werdender Talente; sie unterstützt mit dem Up- und Re-Skilling der Belegschaft auf nachhaltige und digitale Anforderungen die Transformation der Unternehmen und der Wirtschaft. HR wird so zu einem echten Wachstumsmotor und trägt zur Sicherung von Arbeitsplätzen und Standorten bei.

Von der Pflicht zur Kür

Um diesem Anspruch gerecht zu werden, muss HR die Verantwortung für Nachhaltigkeit im unternehmerischen Kontext annehmen. Es gibt im Grunde keine Wahl. Man sollte die Pflicht zur Kür werden lassen und die geforderten Daten entsprechend konstruktiv und handlungsleitend nutzen. Unternehmen sollten sich dabei an ihren spezifischen Kenngrößen orientieren und diese nicht zuletzt gegenüber Investoren, die erfahrungsgemäß vielfach mit pauschalen Abfragen agieren, selbstbewusst vertreten.

Allerdings sei an dieser Stelle auch betont, dass eine Vereinheitlichung der Maßstäbe von Investoren und Ratingagenturen an S-Faktoren unvermeidlich ist. Immer häufigere Wechsel von Investoren setzen Unternehmen einer zu großen Beliebigkeit aus. Auf der anderen Seite sei auch vor einer Überregulierung durch den Gesetzgeber gewarnt. Eine Entwicklung immer detaillierterer Vorgaben anstatt sinnvoller Leitplanken steigert nicht die Akzeptanz, sondern führt zu Ablehnung und unnötig hohen Kosten in den Unternehmen.

Gunnar Kilian ist Mitglied des Vorstands und Arbeitsdirektor der Volkswagen AG

Petra Knab-Hägele ist Senior Partner bei der Unternehmensberatung HKP Group


Gunnar Kilian

ist Mitglied des Vorstands und Arbeitsdirektor der Volkswagen AG

Petra Knab-Hägele

ist Senior Partner bei der Unternehmensberatung
HKP Group