Hans Joachim Theiß

„Jetzt kommt der Gegen­schwinger“

Der weltweite Energie- und Rohstoffhunger hat die Geschäfte des Untertagespezialisten SMT Scharf befeuert. Noch konzentriert sich das Unternehmen bei seinen Aktivitäten auf die Kohleförderung und den Mineralbergbau. Künftig will es sich aber stärker der Tunnellogistik widmen.

„Jetzt kommt der Gegen­schwinger“

Von Karolin Rothbart, Frankfurt

Bei dem Bergwerksausrüster und Untertagespezialisten SMT Scharf passiert gerade etwas, das es so in der Firmengeschichte noch nie gegeben hat:  Hatten sich im Coronajahr 2020  alle Bereiche mit einem Mal rückläufig entwickelt, komme „jetzt der Gegenschwinger“, wie Vorstandschef Hans Joachim Theiß im Gespräch mit der Börsen-Zeitung auf dem Eigenkapitalforum sagte. „Neuanlagen, Ersatzteile, Services – alles steigt.“ Eine solch gleichförmige Entwicklung sei in der Branche alles andere als üblich: „In normalen Wachstumsphasen investieren die Kunden eher in Neuanlagen; das After-Sales-Geschäft dümpelt dann meist ein wenig hinterher. In einem normalen Krisenjahr ist es genau umgekehrt.“

Zweimal hat SMT die Prognose nun schon angehoben, und die Aktie hat seit Jahresbeginn um gut 50 % zugelegt. Der Mittelständler, der 2007 an die Börse gegangen ist und Transport-, Logistik- und Infrastruktursysteme für die Anwendung im Untertagebau herstellt, verdankt seinen unüblichen Aufschwung wie viele andere Unternehmen aus der Branche dem gigantischen Rohstoff- und Energiebedarf, der sich nicht nur aus der Erholung vieler großer Industrienationen von der Coronakrise speist, sondern auch Folge der grünen Transformation der Wirtschaft ist. Im Zusammenspiel mit den gestörten Lieferketten, die das Angebot oftmals beeinträchtigen, treibt das die Preise nach oben − und veranlasst Bergwerksbetreiber vielfach dazu, in moderne Ausrüstung zu investieren und in der Coronakrise entstandene Wartungsrückstände aufzuholen. Dabei fällt die Wahl oft auf SMT. „Weltweit stammt jede dritte installierte Einschienenhängebahn von uns“, sagt Theiß.

Am häufigsten kommen die Zugsysteme in Ländern zum Einsatz, die auf Kohleförderung in absehbarer Zeit  noch nicht verzichten können oder  wollen − also China, Russland, Polen,  Südafrika. Generell wird der weltweite Strombedarf zum großen Teil noch durch den fossilen Energieträger gedeckt. Laut der Internationalen Energieagentur belief sich der Kohleanteil am globalen Energiemix im Jahr 2020 auf 35 %. Dabei dürfte die Nachfrage zumindest bis 2030 nur unter bestimmten Umständen sehr stark zurückgehen. „Insofern sehen wir da noch gute Möglichkeiten und eine Zeit, das Produkt als Cash-Cow zu nehmen, um uns anderen Märkten stärker widmen zu können“, sagt Theiß, dessen Unternehmen zuletzt noch 77 % seines Gesamtumsatzes mit der Kohleförderung generiert hat.

Die „anderen Märkte“ – das sind der Erz- und Mineralbergbau, also die Gewinnung von begehrten Industrie- und Edelmetallen wie Kupfer, Gold, Platin und dergleichen. Mit 20 % vom Gesamtumsatz ist die Sparte im Gegensatz zur Kohle noch relativ klein. Doch sie soll wachsen. „Es ist ein sehr attraktiver Markt, der getrieben ist durch Megatrends wie Elektromobilität, Automatisierung, Digitalisierung“, so Theiß.

Weniger Arbeit unter Tage

All diese Megatrends spielen natürlich auch unter Tage eine Rolle. Die gummibereiften Radlader und Trucks, die SMT in Kooperation mit dem russischen Goldproduzenten Polymetal International entwickelt und produziert, werden zum Beispiel von einer riesigen Batterie angetrieben und fahren damit emissionsfrei. In einem ersten Auftrag hat SMT bereits vier solcher Fahrzeuge für insgesamt 4 Mill. Euro ausgeliefert. Polymetal wolle denn auch in den nächsten Jahren die gesamte Flotte, also 70 bis 80 Fahrzeuge, austauschen, erzählt Theiß. „Dann haben wir natürlich auch einen tollen Referenzkunden.“ Künftig sollen sich die schweren Geräte zudem nicht nur mit Strom, sondern nach Möglichkeit auch fahrerlos durch die Schächte bewegen − ferngesteuert von Bergleuten aus dem Büro über Tage.

Abseits der Rohstoffgewinnung pirscht sich SMT aber gerade auch noch an andere, weniger zyklische Märkte heran. So sind die Einschienenhängebahnen des Unternehmens aus dem nordrhein-westfälischen Hamm durchaus auch für den Tunnelbergbau geeignet und punkten vor allem dort, wo es darum geht, hohe Steigungen zu überwinden.

Solche Steigungen braucht es zum Beispiel bei Wasserkraftwerken, zum Antrieb der Turbinen. In Australien soll nun eines der größten Stauwerke der Welt, das die Hauptstadt Canberra mit Strom- und Trinkwasser versorgt, erweitert werden. 27 Kilometer Tunnel sollen im Rahmen des staatlichen Projekts „Snowy Mountain 2.0“ hinzukommen. Dafür wird SMT einen schienengebundenen Personen- und Notfalltransport im Tunnel zur Verfügung stellen. Das Auftragsvolumen beläuft sich auf 2,3 Mill. Euro. „Ein schönes Leuchtturmprojekt“, findet Theiß. „Ziel ist, dass wir mit dem neuen Segment in fünf Jahren auf 10 % vom Gesamtumsatz kommen, das wären dann etwa 8 bis 10 Mill. Euro.“

Das Ende der Fahnenstange sei das nicht. Auch für den Schienentransport auf großen Straßen oder im Metrotunnel habe SMT ein Produkt entwickelt, das den Bau maßgeblich beschleunigen und sich somit für das Unternehmen als „Game Changer“ erweisen könnte. „Uns selbst würde ein einzelnes Projekt mit dieser Technik einen zweistelligen Millionen-Euro-Umsatz bringen“, so Theiß. Hierfür müsse aber erst ein strategischer Partner gefunden werden.

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