Nachhaltigkeitsreporting

Jonglieren mit Bewertungs­­modellen

Das Fehlen einheitlicher Standards zum Messen von ESG-Kriterien und die Zurückhaltung von Unternehmenslenkern in der Thematik beurteilen Bewertungsexperten als größte Hürden für effektives Reporting.

Jonglieren mit Bewertungs­­modellen

swa Frankfurt

– Eine international akzeptierte und vergleichbare Berichterstattung von Unternehmen über Nachhaltigkeitskriterien ist nach wie vor Zukunftsmusik. Fortschritte auf diesem Gebiet werden im Markt mit hoher Dringlichkeit angemahnt. Nach einer Umfrage des Beratungshauses Duff & Phelps ist der Mangel an standardisierten und anerkannten Richtlinien für die Messung von ESG-Kriterien für 45% aller Bewertungsexperten das größte Hindernis für eine effektive Berichterstattung und damit konsistente Offenlegung dieser durch die Unternehmen.

Noch hat sich keine klare Mehrheit für eines der Bewertungsmodelle herausgebildet. Insgesamt 14 ver­schiedene­ Kombinationen von ESG-Bewertungsmodellen­ sind der Umfrage zufolge im Kreis der Befragten im Einsatz, darunter das der Global Reporting Initiative (GRI), das von 33% genutzt wird, das des Sustainable Accounting Standards Board (SASB) mit einer Anhängerschaft von 32% und das der Task Force for Climate-related Financial Disclosures (TCFD) mit 25% (siehe Grafik).

Für die Studie wurden mehr als 150 Bewertungsfachleute interviewt. Die Umfrage wurde in Zusammenarbeit mit dem International Valuation Standards Council (IVSC) durchgeführt, einer unabhängigen Non-Profit-Organisation, die sich auf die Entwicklung und Veröffentlichung von international anerkannten Bewertungsstandards fokussiert hat. Mit der Befragung habe man sich ein Bild verschaffen wollen, was Experten auf dem Gebiet der Unternehmensbewertung als die größten Hindernisse für eine effektive ESG-Berichterstattung wahrnehmen und wie in diesem Kontext nachhaltige Veränderungen angestoßen werden können, teilt Duff & Phelps mit.

Das Fazit fällt ernüchternd aus. „Von den verfügbaren Bewertungsmodellen, die derzeit alle freiwillig sind, bietet keines einen umfassenden Überblick. Dementsprechend verwenden viele Unternehmen gleich mehrere Modelle, und da es keinen einheitlichen Standard gibt, ist es für Stakeholder umso herausfordernder, die Ergebnisse zu vergleichen“, sagt Andrew Probert, Managing Director für Sustainability Accounting Advisory Services bei Duff & Phelps. Die Unterstützung, die das TCFD-Modell momentan von den G7-Staaten erhalte, spiegelt aus Sicht von Probert „zwar den aktuellen Zeitgeist wider, ist aber nur der erste Schritt auf dem langen Weg zu einem anerkannten Standard“.

In der Bewertung von Unternehmen sind die Fachleute angesichts des uneinheitlichen Instrumentenkastens auf vertiefte Analysen angewiesen. Erweiterte Due-Diligence-Maßnahmen werden nach Kenntnis von Probert für Investitionen und Transaktionen an Bedeutung gewinnen – zum Beispiel Audits des CO2-Fußabdrucks­ von Unternehmen, Lieferkettenanalysen und Untersuchungen von Menschenrechtsverletzungen. Diese Recherchen seien notwendig, um das Vertrauen der Stakeholder zu stärken.

Noch nicht perfekt

Als zweitgrößte Herausforderung für ein effektives ESG-Reporting nannte ein Fünftel der Befragten eine Gleichgültigkeit seitens der Unternehmensführung, gefolgt von unzureichenden Überprüfungen von Greenwashing (17%) sowie ein zu großes Maß an Regulatorik und Vorschriften (11%). Mit Blick auf die angekreidete Zurückhaltung des Managements in Unternehmen hofft Probert, „dass die Impulse vom G7-Gipfel in Cornwall hier ein Umdenken anstoßen“. Die Unterstützung der G7 für das TCFD-Modell hält er für wichtig. „Sollte dieser Standard verpflichtend werden, wäre dies ein großer Schritt nach vorne.“ Doch es gebe noch viel zu tun. Das TCFD-Modell sei nicht perfekt, „denn ihm fehlen zurzeit aus klimaorientierter Sicht die sozialen und die Governance-relevanten Aspekte von ESG.“