Krankenhäuser

Kliniken geraten ins Hintertreffen

Die Pandemie hat die Probleme der Krankenhäuser verschärft. Notwendige Investitionen in Nachhaltigkeit und IT-Infrastruktur sind nach Einschätzung von Roland Berger nur sehr eingeschränkt möglich.

Kliniken geraten ins Hintertreffen

hek Frankfurt – Durch Umsatzeinbußen und Verluste geraten Krankenhäuser in Deutschland bei Zukunftsinvestitionen zunehmend in Rückstand. Trotz steigender IT-Ausgaben fehlen vielen Kliniken die Ressourcen für eine umfangreiche Digitalisierung, geht aus einer Studie der Unternehmensberatung Roland Berger hervor. Zukunftsgerichtete Themen wie eine bessere Versorgungsqualität über neue digitale Geschäftsmodelle seien aus dem Fokus ge­rückt.

Die wirtschaftliche Lage des Sektors hat sich den Angaben zufolge im vergangenen Jahr abermals verschlechtert. Jede zweite Klinik habe 2020 rote Zahlen geschrieben – ein Rekordwert. Nicht einmal jedem zweiten Haus (42%) sei es gelungen, den Umsatz zu steigern. Die Mehrheit kämpfe trotz steigender Landesbasisfallwerte mit stagnierenden oder sinkenden Einnahmen. Dabei müssten Kliniken eigentlich Jahr für Jahr ihre Erlöse steigern, um stetig steigende Kosten zu kompensieren.

Die Covid-19-Pandemie habe die Probleme verschärft. „Krankenhäuser bekommen die Nachwirkungen von einem Jahr Corona bei Umsatz und Ergebnis zu spüren“, sagt Roland-Berger-Partner Peter Magunia. Immer mehr Häuser rutschten in die Verlustzone. Strategische Themen wie moderne IT-Infrastruktur, digitale Services und eine nachhaltige Beschaffung könnten die Kliniken nur zaghaft angehen.

Noch düsterer sei der Ausblick für 2021. Mit einem Umsatzanstieg rechnen demnach nur 27% der Klinikchefs, während sich die Hälfte auf geringere Einnahmen einstellt. Im Jahr 2019, also vor Ausbruch der Pandemie, hätten noch zwei Drittel der Kliniken ein Umsatzplus erwirtschaftet. Knapp zwei von drei Befragten (62%) erwarten für 2021 ein Minus beim Ergebnis. Die Manager befürchten nämlich, dass viele Behandlungen, die aufgrund der Pandemie verschoben wurden, nicht nachgeholt werden. Zudem nähmen die Ausgaben für Personal und Material schneller zu als die Vergütungen.

„Angespannt wie noch nie“

„So angespannt wie aktuell war die wirtschaftliche Lage noch nie“, heißt es in der Krankenhausstudie, die auf einer Umfrage unter den 600 größten deutschen Kliniken basiert. Der Anteil der Häuser mit positivem Jahresergebnis sei von 48% im Vorjahr auf 36% im Jahr 2020 ge­schrumpft. Besonders schwierig sei die Lage der Kliniken in öffentlich-rechtlicher Trägerschaft. Neu sei aber, dass private Kliniken immer häufiger Verluste schrieben. Dieser Anteil betrage inzwischen 38%. Bei Häusern mit öffentlich-rechtlichen Trägern sind es sogar 63%.

Die große Mehrheit der Häuser (83%) rechne überdies mit einer deutlichen Verschlechterung der Situation in den kommenden fünf Jahren. Angesichts des finanziellen Drucks konzentrierten sich Manager darauf, die Ergebnisse durch Kostensenkungen und höhere Erlöse zu verbessern (siehe Grafik). So gewinne der Ausbau des ambulanten Portfolios an Bedeutung. Viele Kliniken setzten weiterhin auf eine Steigerung der stationären Umsätze – „eine Hoffnung, welche sich nur für wenige realisieren dürfte“, wie es in der Studie heißt.

Die Zukunftsthemen IT und Nachhaltigkeit hätten die Krankenhäuser durchaus erkannt, doch mangele es an Spielraum, diese anzugehen. Der grundlegende Umbau der IT werde häufig aufgeschoben. Denn dafür fehlten Fachpersonal und finanzielle Ressourcen. Bei den Ausgaben für Digitalisierung liege das Hauptaugenmerk auf Basisaufgaben wie Sicherstellung des Betriebs und IT-Sicher­heit. Zukunftsthemen wie die digitale Versorgung von Patienten seien in den Hintergrund gerückt. Die weitere Digitalisierung der Krankenhäuser sei aber für eine moderne Gesundheitsversorgung unumgänglich, betont Magunia.

Bei der vorausschauenden Steuerung ihrer flüssigen Mittel haben viele Kliniken laut Roland Berger Nachholbedarf. Die Liquiditätssituation sehe besser aus, als sie tatsächlich sei, weil der Sektor von kürzeren Zahlungsfristen der Krankenkassen profitiere. Das könne sich zum Ende des Geschäftsjahres mit Auslaufen der Sonderregelung ändern. Dann sei eine rapide Abnahme der Liquiditätsreserven zu erwarten, so die Meinung der Mehrheit der befragten Häuser.