Kredite, Garantien, Rekapitalisierungen und andere Feinheiten

Trotz deutlicher Lockerung des Beihilferechts pocht Brüssel auf den Schutz des Wettbewerbs, gerade auch bei Hilfen in Deutschland

Kredite, Garantien, Rekapitalisierungen und andere Feinheiten

Von Andreas Heitker, BrüsselDas Beihilferecht ist für die EU-Kommission einer der entscheidenden Pfeiler beim Kampf gegen die wirtschaftlichen Folgen der Coronakrise. Zweimal wurden die Regelungen in den vergangenen Wochen schon gelockert. Mehr als 200 nationale Beihilfen wurden seit Beginn der Pandemie schon in Brüssel gebilligt – und zwar zum Teil innerhalb eines Tages. Das Volumen dieser gesamten Beihilfen summiert sich mittlerweile auf 2 Bill. Euro. Abgelehnt wurde bislang noch kein Antrag.Auch europäische Airlines haben davon schon profitiert: SAS, Condor und vor allem Air France. 7 Mrd. Euro in Form einer staatlichen Darlehensgarantie und eines nachrangigen Gesellschafterdarlehens des französischen Staates haben von Brüssel grünes Licht bekommen. Eine Rekapitalisierung einer Fluglinie war bisher allerdings noch nicht dabei gewesen. Die Fälle Air France und Lufthansa sind daher nur bedingt zu vergleichen.Die EU-Kommission wollte sich gestern nicht genau zu dem Lufthansa-Deal äußern. Eine Sprecherin verwies allerdings auf Punkte, die für Brüssel wichtig sind: Geht es um eine Rekapitalisierung eines Unternehmens mit mehr als 250 Mill. Euro, so sehen die Regeln “zusätzliche Maßnahmen zur Wahrung eines wirksamen Wettbewerbs” vor, die von den jeweiligen Mitgliedstaaten vorgeschlagen werden müssen. Und auch wenn dies nicht ausdrücklich gesagt wird: Dies gilt insbesondere für Deutschland. Denn rund die Hälfte der 2 Bill. Euro an Corona-Beihilfen in der EU wurde bisher von der Bundesregierung verteilt. EU-Kommissionsvizepräsidentin Margrethe Vestager befürchtet daher schon massive Wettbewerbsverzerrungen durch finanzstarke EU-Länder, die auch weit nach Ende der Krise wirken. Es bestehe die Gefahr, dass die unterschiedlich hohen nationalen Beihilfen den Wettbewerb auf dem Binnenmarkt verzerrten, die wirtschaftliche Erholung verlangsamten und die Ungleichgewichte innerhalb der EU noch vergrößerten, warnte die Wettbewerbskommissarin.Es hat bisher noch keine Anmeldung des Lufthansa-Deals in Brüssel gegeben, und demzufolge gibt es noch keine Entscheidung. Beihilfen aus Deutschland dürfte die EU allerdings besonders genau unter die Lupe nehmen, auch wenn die Sprecherin der Kommission gestern noch einmal betonte: “Wir wenden die klar formulierten Regeln auf die angemeldeten Maßnahmen aller Mitgliedstaaten gleich an.” In diesem Zusammenhang ist wohl auch zu sehen, dass die EU-Kommission auch den Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF), den die Bundesregierung bereits Ende März in Brüssel notifiziert hat, noch immer nicht genehmigt hat.Die Europäische Kommission hat unter dem derzeitigen gelockerten Corona-Beihilferegime eine ganze Liste von Bedingungen für staatliche Kapitalspritzen festgelegt. Diese betreffen Governance, Umfang, die Vergütung des Staates, ein Dividenden- und Boni-Verbot sowie die Wiederausstiegsstrategien. Die wichtigste Vorgabe ist aber wohl: Rekapitalisierungsbeihilfen dürfen nur dann gewährt werden, wenn keine andere geeignete Lösung zur Verfügung steht oder das betroffene Unternehmen keinen Kapitalmarktzugang hat. Die Beihilfen müssten zudem im öffentlichen Interesse liegen, etwa weil hohe Jobverluste drohen.