GASTBEITRAG

Kurzschluss im Elektroauto

Börsen-Zeitung, 25.2.2016 "Schnell fertig ist die Jugend mit dem Wort, das schwer sich handhabt, wie des Messers Schneide; Aus ihrem heißen Kopfe nimmt sie keck der Dinge Maß, die nur sich selber richten." Was Friedrich Schiller einst im Wallenstein...

Kurzschluss im Elektroauto

“Schnell fertig ist die Jugend mit dem Wort, das schwer sich handhabt, wie des Messers Schneide; Aus ihrem heißen Kopfe nimmt sie keck der Dinge Maß, die nur sich selber richten.” Was Friedrich Schiller einst im Wallenstein (II) beklagte, gilt auch heute noch, wenn man es zum Beispiel auf eine Aussage der Bundesregierung von 2009 anwendet. Damals sagte die Bundeskanzlerin auf der Gründungssitzung der Neuen Plattform Elektroenergie, kurz NPE, zu, dass bis 2020 auf deutschen Straßen 1 Million Elektroautos fahren sollen. Die begünstigten NPE-Mitglieder machten natürlich sofort die Versprechen der Bundeskanzlerin Angela Merkel daraus, in Wirklichkeit war es lediglich ein Versprecher! Kunde will ReichweiteDen bekannten Merkel-Zusatz “Wir schaffen das!” hat die Kanzlerin damals noch nicht hinzugefügt. Zum Glück! Denn inzwischen sind sich alle Automobilexperten einig, dass wir dieses Ziel nicht schaffen, noch nicht einmal unter Einrechnung von Elektrofahrrädern. Exakt 12 363 Elektro-Pkw wurden 2015 in Deutschland neu zugelassen, das entspricht einem Anteil von 0,3 % an den Neuzulassungen. Am 1. Januar 2016 waren damit laut Kraftfahrt-Bundesamt 18 948 Elektro-Pkw angemeldet. Dies entspricht einem Anteil von 0,043 % am gesamten Pkw-Bestand.Die Zahlen sprechen für sich: Elektroautos setzen sich immer noch nicht durch, die Kunden sind vom Elektroauto nach wie vor nicht überzeugt. Und das aus gutem Grund. Und der liegt eindeutig nicht am Anschaffungspreis, schon der wäre eine Kaufbremse. Sondern das liegt an dem, was ein E-Auto Otto Normalverbraucher als Käufer heute an Kundennutzen zu bieten hat. Und das ist wenig genug, vor allem beim Komfort an der E-Tankstelle und bei der Reichweite eines E-Autos. Ein BMW i3 kommt im reinen Elektrobetrieb gerade mal 150 km, ein i8 sogar nur 30 km weit. Ein Nissan Leaf mit neuer Batterie soll 250 km weit fahren können und ein Tesla Model S laut Werbung sogar 500 km – in Tests von Fachzeitschriften schafft er es allerdings nur auf rund 350 km. Dafür steht er dann im günstigsten Fall nur 20 Minuten an der E-Tankstelle, wenn er denn überhaupt einen freien Stecker findet.Das ist dem Gros der Nutzanwender eines Automobils schlicht und ergreifend zu wenig, die Angst vor dem Liegenbleiben mit leerer Batterie fährt noch immer mit. Autohersteller wissen dies ebenso wie die Händler. Zwar wird Oberlobbyist Matthias Wissmann vom Verband der Automobilindustrie (VDA) nicht müde, auf die Palette von 29 Elektromodellen deutscher Autohersteller zu verweisen. Sie machten Deutschland angebotsseitig zum “Leit-Markt”! Für die Hersteller von E-Autos ist es in Wirklichkeit ein “Leid-Markt”, bei jedem verkauften Stück wird Geld verbrannt.Die Elektroenthusiasten geben die Schuld an der Stromer-Misere zum einen der Politik, zum zweiten den Kunden, die partout nicht erkennen wollen, wie toll Elektroautos sind. Und zum dritten der Autoindustrie selbst, die es seit dem Start der emissionsfreien Autos 2007 auf der IAA nicht fertiggebracht hat, zügig leistungsfähigere Batterien zu wettbewerbsfähigen Preisen auf den Markt zu bringen bzw. in Deutschland selber zu bauen. Die Elektrorealisten dagegen sagen: Das E-Auto ist technisch noch nicht bereit für die Anforderungen der Kunden. Und auf den, so sagt der Ökonom, soll es – einem Ondit zufolge – in einer Marktwirtschaft letztlich ankommen!Um es klar zu sagen: Die Kritik der Elektroenthusiasten ist in allen Punkten wenig stichhaltig, um nicht zu sagen unqualifiziert. Beginnen wir mit der Politik. Die Politik hat sich bei der Durchsetzung der Elektromobilität nichts vorzuwerfen, Finger weg von der ordnungspolitischen Grundordnung unserer Marktwirtschaft, Finger weg von der Konsumentensouveränität der Verbraucher! Jede staatliche subventionierte Absenkung des normalen Kaufpreises zu Gunsten des E-Autos führt zu suboptimalen Kaufentscheidungen beim Verbraucher: Wegen des niedrigen Nutzens kauft er das Auto nur bei äquivalent niedrigem Preis. Luxusprodukte mit Prämien aus jedermanns Steuergeldern schmackhaft zu machen, wäre ein Sündenfall sondergleichen.Ganz abgesehen davon, dass überall in Europa, ob Frankreich, Niederlande oder Norwegen, wo die Politik bei hoch verschuldeten Haushalten knappe Steuermittel für E-Auto-Subventionen ausgibt, sie sehr schnell wegen der Mitnahmeeffekte an finanzielle Grenzen stößt. Da wird ein Fass ohne Boden aufgemacht! Der Markt und die Kunden lassen sich in einer Marktwirtschaft mit Konsumentensouveränität und pluralen Kaufmöglichkeiten auf Dauer nicht bestechen, das Produkt muss am Markt sein Geld wert sein, sonst hat es keine Chancen. Wie eben heute noch das E-Auto!Auch die sonst noch angewandten staatlichen Kaufanreize wie privilegierte Fahrspuren für E-Autos, Sonderparkplätze in Innenstädten etc. müssen zwangsläufig ins Chaos führen, wenn der Bestand an E-Auto-Nutzern zunimmt. Norwegen und Oslo, stets von den Subventionsbefürwortern als leuchtende Beispiele dargestellt, musste alle Privilegien für E-Autos wieder einsammeln – der öffentliche Nahverkehr und die Staatskasse drohten zusammenzubrechen.Auch der Vorwurf an die deutsche Politik, es sei ihr nicht gelungen, ein Konzept zum Aufbau einer flächendeckenden Ladeinfrastruktur zu entwickeln und umzusetzen, ist Unsinn. Das ist Aufgabe privater Investoren, wenn, ja wenn sich da ein Geschäftsmodell ergibt. Das tut es aber offensichtlich nicht, denn alle privaten E-Tankstellen-Betreiber haben sich schnell wieder aus dem Markt verabschiedet. Nichts verschlafenUnd damit zum dritten Kritikpunkt: Die deutsche Industrie verschlafe die Entwicklung und die Produktion von Batteriezellen und Batterien, das Know-how wandere nach Asien ab. Das ist starker Tobak, denn die deutsche Autoindustrie hat die Batterieentwicklung und -produktion nicht verschlafen! Im Gegenteil, sie ist hellwach und hat die Finger davon gelassen (BMW und VW) oder sich daraus wieder rechtzeitig zurückgezogen (Daimler). Und das völlig zu Recht, denn zum einen ist die Produktion solcher Batteriezellen ökologisch nicht problemlos, und zum andern können das asiatische Hersteller billiger herstellen. Problem BatterieUnd schließlich: Wozu Batterien herstellen, die nicht gebraucht werden? Denn die Batterietechnologie bleibt nach Expertenmeinung mindestens bis zum Jahr 2030 ungenügend und nicht massentauglich. Bis dahin lohnt sich also die Aufnahme der Batterieproduktion kaum, die Technologie ist heute einfach noch zu unzureichend. Die Betonung liegt auf heute. Morgen ab 2030 mag alles ganz anders aussehen. Möglicherweise ist bis dahin auch die Brennstoffzelle einsatzfähig!Auch ausländische Investoren wissen das, nur scheinbar einer nicht, Tesla-Gründer Elon Musk mit seiner mit Milliarden Steuersubventionen im Bau befindlichen Gigafactory in der Wüste Nevadas. Womit Musk als Kapitalgeber auch ausfällt, er ist Kapitalnehmer! Fazit: Das E-Auto hat schon heute eine Chance – aber nur als Einzelobjekt, nicht im Massenmarkt.—-Helmut Becker, Leiter IWK Institut für Wirtschaftsanalyse und Kommunikation