Florian Frank, Willis Towers Watson

„Leasing-Fahrrad statt Fitness­center“

Neuartige Arbeitsformen fordern Unternehmen innovative Strategien zur Bindung und Motivation von Mitarbeitern ab. Dabei müssen aus Sicht von Beratern auch die gewährten Benefits agiler werden.

„Leasing-Fahrrad statt Fitness­center“

Von Sabine Wadewitz, Frankfurt

Das Thema „flexibles Arbeiten“ oder „New Work“ wird gegenwärtig in den Betrieben noch recht unterschiedlich gehandhabt. Durchgesetzt hat sich jedoch die Meinung, dass es ein Zurück zum Status quo vor der Pandemie nicht geben kann. Ein großer Teil der Angestellten wird künftig hybride Arbeitsmodelle haben und teilweise im Unternehmen, zu Hause oder an einem anderen Ort außerhalb der Firma arbeiten.

New Work wirft Fragen nicht nur zu Arbeitszeitmodellen auf, sondern auch zu Vergütung und Incentivierung. Mit Blick auf hybrides Arbeiten setzen sich Unternehmen mit verschiedenen Modellen auseinander, erklärt Florian Frank, Leiter Talent Rewards bei der Unternehmensberatung Willis Towers Watson. Er nennt drei „Ws“, die zu klären seien: Workplace, Work und Workforce. Beim Thema „Workplace“ müssten sich Unternehmen u.a. über Einrichtung und technische Ausstattung der Büros Gedanken machen. Dazu gehöre die Entscheidung, an welchem Ort Arbeitsplätze angeboten werden. So könnten den Beschäftigten ergänzend zu einem zentralen Bürokomplex dezentral Co-Working-Plätze eingerichtet werden. „Entgegen der These, dass keiner mehr ins Büro gehen wolle, äußern viele den Wunsch, nicht in den eigenen vier Wänden, sondern in einem adäquaten Arbeitsumfeld mit Kollegen arbeiten zu können – aber zum Beispiel wohnungsnah“, so Frank.

Uneinheitliche Profile

Der Aspekt „Work“ ziele vorrangig auf Arbeitsmethoden und die Flexibilisierung der Arbeitszeit. Hybridmodelle für Meetings erforderten zum Beispiel hohe technische Standards und eine qualifizierte Schulung der Beteiligten. Beim Thema „Work­force“ geht es nach den Worten von Frank primär darum, in hybriden Arbeitsmodellen ein Zusammengehörigkeitsgefühl in der Belegschaft zu entwickeln. Hier spiele die Frage hinein, ob auch Vergütung und Benefits agiler werden müssten.

Die Nebenleistungen werden nach Einschätzung von Frank besonders im Fokus stehen. Jedes Unternehmen habe zu prüfen, ob die in der alten Arbeitswelt gewährten Benefits im New-Work-Szenario noch adäquat sind. So könnten Dienstwagen und Betriebskantine für Leute unattraktiv werden, die eine nennenswerte Zeit im Homeoffice oder einem wohnortnahen Co-Working-Platz verbringen. „Die Unternehmen müssen sich damit auseinandersetzen, dass es keine einheitlichen Profile für die Mitarbeiter mehr geben wird“, sagt Frank.

Nach einer Umfrage von Willis Towers Watson betrachten es Unternehmen als größte Herausforderung, in der neuen Arbeitswelt ein Zusammengehörigkeitsgefühl im Betrieb zu schaffen und eine gelebte Unternehmenskultur aufrechtzuerhalten. Zentrales Ziel dieser Bemühungen ist es, Mitarbeiter im Unternehmen zu halten. Hier muss der Instrumentenkasten neu sortiert werden.

Als maßgeblich für die Mitarbeiterbindung galten in der alten Welt die Bezahlung, die Nähe des Arbeitsplatzes zum Wohnort sowie das Betriebsklima bzw. das Verhältnis zu Kolleginnen und Kollegen. Hier ändert sich in hybriden Beschäftigungsformen die Gewichtung. „Auch Gehalt und Nebenleistungen bekommen einen anderen Stellenwert“, erklärt Frank. Momentan legten die Unternehmen aber noch nicht den Hauptfokus auf die Vergütung, sondern stärker auf das Thema Zusammengehörigkeitsgefühl. So würden regelmäßige Team-Treffen organisiert und verstärkt Instrumente zum Teambuilding eingesetzt, um den Zusammenhalt zu fördern.

Dass Unternehmen hierzulande wie in den USA dazu übergehen, Arbeit im Homeoffice niedriger zu vergüten als die Tätigkeit im Büro, zeichnet sich bislang in Deutschland nicht ab. Google hat angekündigt, die Gehälter der Mitarbeiter im Homeoffice zu senken. Facebook vergütet Homeoffice in San Francisco höher als an einem Wohnsitz mit niedrigeren Lebenshaltungskosten.

Regionale Gehaltsdifferenzen innerhalb einer Branche seien in den Vereinigten Staaten anders als in Deutschland schon länger durchaus üblich, erklärt Frank. „In den USA werden Lebenshaltungskosten in der Bezahlung berücksichtigt, indem zum Beispiel Gehaltszonen festgelegt werden.“ In Deutschland kannte man in ferner Vergangenheit „Ortzuschläge“ aus der Besoldung im öffentlichen Dienst.

Frank weist auf eine vor Corona durchgeführte Studie in den USA hin, wo untersucht wurde, was Beschäftigten die Arbeit im Homeoffice wert ist. Ergebnis war, dass die befragten Angestellten bereit waren, auf 8% ihres Gehalts zu verzichten, wenn sie zu Hause arbeiten dürfen. Im Wunsch nach Homeoffice kommt es in hohem Maße auf die persönliche Situation des Mitarbeiters an. Mancher hat sich nach dem Lockdown nichts sehnlicher gewünscht, als ins Büro zurückzukehren, andere haben großen Gefallen an einer Tätigkeit zu Hause gefunden. Frust hat es somit nicht nur bei denen gegeben, deren Tätigkeit im Homeoffice schlichtweg nicht möglich war, sondern auch bei denen, die in den Lockdown gezwungen wurden.

Kostenabwägung

Die Diskussion laufe nicht nur in eine Richtung, bestätigt Frank. „Es wird auch überlegt, ob nicht der Mitarbeiter im Homeoffice höher bezahlt werden muss.“ Er spart zwar womöglich die Fahrtkosten, hat aber zu Hause hohe Kosten für das häusliche Arbeitszimmer, höhere Strom- und Wasserkosten und profitiert nicht mehr vom subventionierten Kantinenessen.

Für die Firmen heißt es nach der Pandemie, langfristige Konzepte zu entwickeln. „Die Unternehmen müssen entscheiden, ob und in welchem Umfang sie feste Heimarbeitsplätze etablieren wollen“, sagt Frank. Die meisten Unternehmen bevorzugten bislang kein starres Modell, sondern flexibles Arbeiten, denn andernfalls wären sie gezwungen, für die Ausstattung des Heimarbeitsplatzes nach allen Kriterien der Arbeits- und Datensicherheit zu sorgen.

Auch wenn hierzulande in den Gehältern noch nicht differenziert wird – die Neugestaltung von Nebenleistungen ist mit dem Übergang auf New Work auf der Tagesordnung. „Als großes Thema stellen Unternehmen die Förderung des subjektiven Wohlbefindens der Mitarbeiter in der neuen Arbeitswelt in den Fokus“, weiß Frank. Hier geht es etwa um Gesundheitsvorsorge und Stressabbau. So gewähre mancher Betrieb nicht mehr den Zuschuss zum Fitnesscenter, sondern einen Leasingvertrag für das Spinning-Fahrrad oder das Rudergerät zu Hause. Nach Erkenntnis von Willis Towers Watson wollen global zwei Drittel der Arbeitgeber die Benefits anpassen, um Mitarbeiter zu gewinnen und flexible Arbeitsmodelle zu fördern.

Aus Sicht von Frank sollten es die Unternehmen nicht bei einer Anpassung von Nebenleistungen belassen, sie sollten erwägen, die Vergütung im New Work insgesamt flexibler zu gestalten. „Das agile Arbeiten kann mit angepassten Bonussystemen effektiver sein“, sagt der Berater. Beispielsweise könnten kurzfristigere Ziele gesetzt werden und in der Incentivierung könnten Komponenten wie Zusammenarbeit im Team oder Networking stärker gewichtet werden, empfiehlt er. Diese Diskussion werde schon seit Jahren geführt, sie habe sich aber mit Corona beschleunigt.

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