Pharma- und Diagnostikkonzern

Roche sucht neue Wege zum Erfolg

Die Pandemie hat dem Schweizer Pharma- und Diagnostikkonzern einen Mehrumsatz von über 7 Mrd. sfr beschert. Doch die Konkurrenz rückt näher.

Roche sucht neue Wege zum Erfolg

dz Zürich –  „AHR“ ist offenbar ein stehender Begriff in der Konzernsprache von Roche. Er dürfte bald Geschichte sein, wie Pharmachef William Anderson anlässlich der Bilanzpräsentation im Gespräch mit Journalisten durchblicken ließ. Das Kürzel steht für Avastin, Herceptin und Rituxan. Das sind revolutionäre Krebstherapien, die in den 1990er Jahren in den Labors der kalifornischen Biotechpionierin Genentech entwickelt wurden.

Sie haben Roche während mehr als 20 Jahren beispiellose Erfolge ge­bracht. Noch 2016 hatten die Therapien mit Gesamtverkäufen von über 20 Mrd. sfr 40% des gesamten Roche-Umsatzes verantwortet. Im vergangenen Jahr waren es noch 8,3 Mrd. sfr bzw. 13%. Im kommenden Jahr dürfte der Anteil nach einer Schätzung von Anderson auf unter 10% fallen. Hersteller von Nachahmermedikamenten haben die Rezepte übernommen und verkaufen die Medikamente jetzt 30% billiger, als Roche dies tat.

Roche hat im vergangenen Jahr 4,5 Mrd. sfr Umsatz durch diese Konkurrenz­ verloren. Dass die Verkäufe das Vorjahresniveau trotzdem um 4,6 Mrd. sfr (8%) übertrafen und mit 62,8 Mrd. sfr sogar einen Re­kordwert erreichten, verdankt der Konzern in erster Linie seinen Leistungen in der globalen Pandemiebekämpfung. Allein die Diagnostiksparte erzielte mit ihren Covid-Tests einen Mehrumsatz von 4,7 Mrd. sfr. Dazu kamen die Verkäufe von Ronapreve, einem antikörperbasierten Medikament gegen Covid-19, das 1,6 Mrd. sfr in die Roche-Kasse spülte. Weitere 800 Mill. sfr Mehrumsatz kamen von Ocrevus hinzu, einer Therapie zur Behandlung von multipler Sklerose.

Dieses Bild dürfte sich nach Einschätzung des Roche-Managements auch im laufenden Jahr nicht grundlegend ändern. In den drei alternden Umsatzrennern werden weitere Einnahmenverluste in Höhe von 2,5 Mrd. sfr erwartet, während der Konzern für die Covid-Tests und Ronapreve im laufenden Jahr noch einmal rund 5 Mrd. sfr Einnahmen budgetiert. Auch für Ocrevus wird eine weiter steigende Nachfrage erwartet.

Summa summarum plant Roche für 2022 einen stabilen oder leicht steigenden Umsatz im niedrigen einstelligen Prozentbereich. Gemessen am erwarteten Wachstum des globalen Pharmamarktes von um die 4% ist dies für die erfolgsverwöhnte Roche eine eher ernüchternde Perspektive.

Mit Blick auf die herausforderungsreichen Umstände wäre ein leichtes Umsatzwachstum dennoch kein schlechtes Ergebnis. Die Investoren reagierten wenig begeistert: Die Roche-Genussscheine tauchten an der Börse am Donnerstag um 2,6% auf unter 348 sfr, nachdem sie Ende des Jahres noch ein Allzeithoch von 382 sfr erklommen hatten.

Intensive Forschung

Ob die Zurückhaltung der Anleger nur von kurzer Dauer ist, wird sich weisen. Klar scheint, dass Roche in den kommenden Jahren gezwungen ist, schneller am Rad zu drehen als bisher, um den Besitzstand aus den fetten Jahren zu erhalten. Dass die Firma gewillt ist, zeigt sich am Umstand, dass sie mehr denn je in Forschung und Entwicklung investiert. Im Turnus 2021 waren es 13,7 Mrd. sfr, rund 14% mehr als im Vorjahr und mehr als jeder andere große Pharmakonzern der Welt, wie Finanzchef Alan Hippe betonte.

Nicht weniger als 16 neue Medikamente befinden sich im letzten Entwicklungsstadium, und auch in der Diagnostiksparte werden Produkt­innovationen groß geschrieben. Die intensive Suche nach neuen Medikamenten ist allerdings ein Phänomen, das in der ganzen Pharmabranche zu beobachten ist. Das Innovationstempo in der Industrie hat offensichtlich stark zugenommen.

Die Pandemie hat dazu ihren Beitrag geleistet. So wurde Ronapreve in einer absoluten Rekordzeit von nur zwei Jahren entwickelt, erprobt, behördlich geprüft und in den Verkauf gebracht. Dabei handelt es sich zwar um ein extremes Beispiel, aber es ist unbestritten, dass das Tempo in der Medikamentenforschung markant zunimmt, weil eben auch die Halbwertszeiten von Innovationen kürzer werden.

Dividende steigt

Roche profitierte lange Zeit davon, dass ihre biologischen AHR-Franchisen schwieriger zu kopieren waren als chemische Pillen. Diesen natürlichen Konkurrenzschutz ha­ben die Baseler nun aber verloren. Ein Zeichen dafür ist auch der Umstand, dass der Konzern einen um 3% niedrigeren Gewinn von knapp 14 Mrd. sfr ausweist. Den Aktionären winkt dennoch eine kleine Erhöhung der Dividende auf 9,20 sfr pro Titel (+2%). Auch Konzernchef Severin Schwan kann die Coronadelle in seinem Jahresgehalt mit einem Anstieg um 500000 sfr auf 11,5 Mill. sfr ausbügeln.

Roche
Konzernzahlen nach IFRS
in Mill. sfr20212020
Umsatz6280158323
Betriebsgewinn1815518543
Konzerngewinn1393014295
Gewinn je Aktie (sfr)16,2016,52
Dividende je Aktie (sfr) 9,309,10
Freier Cash-flow 1569114815
Nettoverschuldung181671882
Börsenwert (Mrd. sfr) 303264
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