M&A

Stromautobahnen kommen in Staatshand

Bald könnte aus den drei staatlichen Beteiligungen an Übertragungsnetzbetreibern so etwas wie eine „Deutsche Netz AG“ entstehen. Doch bei der geplanten Übernahme des deutschen Teils des niederländischen Netzkonzerns Tennet durch den Bund geraten die Verhandlungen ins Stocken. Den Haag möchte mehr Geld.

Stromautobahnen kommen in Staatshand

Serie Strompreise (5)

Stromautobahnen sollen in Staatshand kommen

Verhandlungen über Preis für milliardenschwere Tennet-Übernahme stocken – ABN Amro, Deutsche Bank, KfW und Citigroup als Berater

Von Christoph Ruhkamp, Frankfurt

Die nächsten großen Unternehmensbeteiligungen der Bundesregierung zeichnen sich bei den Übertragungsnetzbetreibern ab. Die Energiewende, die Deutschland von russischem Gas unabhängig macht und den Windstrom von der Küste zu den Fabriken im Süden bringt, braucht schnelle Milliardeninvestitionen in das Übertragungsnetz. Dafür mischt der Staat bei den Stromautobahnen mit.

Im ersten Schritt beteiligt sich der Bund voraussichtlich an der EnBW-Tochter Transnet BW. Die Staatsbank KfW, die auf Weisung der Bundesregierung Geschäfte macht, hat am 17. August mit dem Transnet-BW-Mutterkonzern EnBW eine Vereinbarung zum Vorkaufsrecht (Call Option) auf einen indirekten Minderheitsanteil an Transnet BW von 24,95% unterzeichnet. Vor einigen Monaten verkaufte zudem EnBW, die dem Land Baden-Württemberg gehört, einen Minderheitsanteil an Transnet BW von 24,95%, beraten von Morgan Stanley, an die Südwest Konsortium Holding GmbH unter Führung der SV Sparkassenversicherung.

Ein Milliardendeal

Als Nächstes folgt voraussichtlich ein Einstieg des Bundes bei der deutlich größeren Deutschland-Netztochter des niederländischen staatlichen Netzkonzerns Tennet. Doch die geplante Übernahme des mit insgesamt 20 Mrd. bis 25 Mrd. Euro inklusive 14 Mrd. Euro Nettoschulden bewerteten deutschen Übertragungsnetzes von Tennet verzögert sich erneut. Der Kauf wird sich voraussichtlich nicht mehr vor den Wahlen in den Niederlanden umsetzen lassen. Damit ist der seit zwei Jahren geplante Erwerb laut Finanzkreisen wieder in der Schwebe.

Auf niederländischer Seite sind ABN Amro und Deutsche Bank engagiert. Auf deutscher Seite agiert die KfW unter ihrem Chef und Ex-Investmentbanker Stefan Wintels mit der Citigroup.

In den Niederlanden wird Ende November gewählt. Es ist unklar, wie eine andere Regierung dort dann zum Verkauf steht. Entscheidend wird wohl die Haltung von Frans Timmermans sein, der für mehr staatlichen Klimaschutz steht. Der Ex-Vizepräsident der EU-Kommission, der jetzt Regierungschef der Niederlande werden will und es voraussichtlich auch wird, war der Stargast beim diesjährigen Sommerempfang von Tennet. Die große Zahl der Gäste im Partyzelt belege den „Frans-Timmermans-Effekt“, scherzte Tennet-Chefin Manon van Beek.

Differenzen über den Preis

Laut Finanzkreisen könnte Timmermans den eingefädelten Deal zum Verkauf des deutschen Netzteils anders beurteilen. Er befürchte negative Synergieeffekte, wenn bei der Transaktion auch ganze Teams von Experten aus der niederländischen Tennet herausgelöst und in deutsche Dienste geschickt würden, heißt es. Mit seiner Skepsis trifft Timmermans zudem auf einen deutschen Finanzminister Christian Lindner, der nicht gewillt ist, den deutschen Tennet-Teil um jeden Preis zu erwerben, da er die Chancen für einen Weiterverkauf ohne Verlust an private Infrastrukturinvestoren erhalten will.

Dennoch wird erwartet, dass der Deal am Ende trotz aller Differenzen über den richtigen Preis zustande kommt. „Deutschland kann es sich eigentlich nicht leisten, weiter zuzuschauen, wie die Energiewende nicht vorankommt“, sagt ein Investmentbanker. „Man hat bei 50Hertz überbezahlt, nur um die Chinesen außen vor zu halten, und möchte diese Erfahrung kein zweites Mal machen. Aber man wird es auch nicht mit so wenig Risiko für den Bund strukturieren können wie bei den Beteiligungen an Lufthansa, Tui oder Uniper während der Wirtschaftskrise.“

Bei 50Hertz ist der Bund bereits an Bord

Bei 50Hertz ist der Bund schon drin. Die Bundesregierung wollte 2019 mit der Beteiligung von 20% zunächst nur den Einstieg des chinesischen Netzbetreibers SGCC verhindern und die Anteile eigentlich nur bei der KfW „zwischenparken“. Nun könnte aus den bald drei Beteiligungen an Übertragungsnetzbetreibern so etwas wie eine „Deutsche Netz AG“ entstehen: Dabei geht es um die teilweise oder vollständige Verstaatlichung der vier Übertragungsnetzbetreiber 50Hertz, Amprion, Tennet und Transnet BW, deren enormer Kapitalbedarf in den kommenden Jahren nur mit öffentlichen Mitteln zu stemmen sein dürfte. Fachleuten zufolge benötigen die Netzbetreiber in absehbarer Zeit jeweils frisches Eigenkapital zwischen 3 Mrd. und 4 Mrd. Euro, um den Ökostromanteil bis 2030 auf 80% zu steigern. Damit würde die deutsche Wirtschaft klimafreundlicher.

Bald könnte aus den drei staatlichen Beteiligungen an Übertragungsnetzbetreibern so etwas wie eine „Deutsche Netz AG“ entstehen. Doch bei der geplanten Übernahme des deutschen Teils des niederländischen Netzkonzerns Tennet durch den Bund geraten die Verhandlungen ins Stocken. Den Haag möchte mehr Geld.

Zuletzt erschienen: Wie Frankreich seinen Atomstrom günstig halten will (12. Oktober)

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.