Autoindustrie

Tesla und das Risiko sinkender Preise

Tesla setzt seine Preismacht ein, um Marktanteile zu gewinnen. Die jüngste Preissenkung dürften viele Autobauer nicht kontern können. Das schnelle Wachstum berge aber auch Risiken, schreibt Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer vom Center Automotive Research in einem Gastbeitrag für die Börsen-Zeitung.

Tesla und das Risiko sinkender Preise

Heute Abend gegen 22:00 Uhr präsentiert Tesla die Geschäftsergebnisse für das Jahr 2022. Die ersten neun Monaten waren ausgezeichnet. Tesla erzielte, was nur ganz wenige Autobauer schaffen, über die ersten neun Monate eine operative Marge von 17%. Im vierten Quartal begann Tesla etwas, was ebenfalls sehr untypisch für klassische Autobauer ist: Preissenkungsrunden. Während klassische Autobauer die Listenpreise ihrer Fahrzeuge so gut wie nie senken, hat Elon Musk damit kein Problem. Die konventionelle Autoindustrie greift stattdessen zum Discount, zu Rabatten, die über die Händlernetze weitergereicht werden, zu Sondermodellen oder speziellen Leasingangeboten, aber Preissenkungen sind tabu.

Seit Oktober ist in wichtigen Tesla-Märkten verstärkter Preisdruck beobachtbar. So hat Tesla in China, dem wichtigsten Markt für Elektroautos weltweit, im Oktober und Januar seine Preise gekappt. Das Model 3 in der Basisversion wurde von 38.950 Dollar auf 33.520 Dollar reduziert. Das sind 13,9% oder 5.430 Dollar Preisabschlag. Analog verfuhr Elon Musk in China beim Model Y, das seit Oktober um 5.800 Dollar oder 13,3% billiger wurde. Natürlich war China kein singuläres Ereignis. Auch in Deutschland kappt Tesla seine Preise. So ist seit Januar Model 3 in der Basisversion statt 50.000 Euro für 44.000 Euro, also 6.000 Euro oder 12% billiger zu haben. Beim Model Y liegen gar 9.100 Euro Preissenkung oder 16,9% auf 44.900 Euro vor. Mit einem Preis von 44.000 Euro ist das Tesla Model 3 damit auf gleichem Preisniveau wie der VW ID3, der im Basispreis mit 43.995 Euro in der Preisliste steht. Zusätzlich waren im deutschen Automarkt in den letzten Monaten steigende Zahlen von Vermieterzulassungen beobachtbar. Die zugelassenen Tesla-Neuwagen schlagen bei einer ganzen Reihe von Auto-Abo-Anbietern und Vermietern mit sehr scharf kalkulierten Monatsraten auf. Das ist ein Zeichen, dass auch hier Tesla über Preis verkauft.

Mit seinen Preisreduktionen setzt Tesla die Wettbewerber unter Druck. So hat der chinesische Elektroautobauer Xpeng am 17. Januar 2023 über seine gesamte Modellreihe deutliche Preissenkungen vorgenommen. Gleichzeitig wächst die Enttäuschung bei Tesla-Besitzern, denn wenn die Preise der Neuwagen fallen, spüren das auch die Alt-Besitzer schmerzhaft. Lautstark haben Tesla-Besitzer in China Elon Musk Täuschung und Wertevernichtung ihrer Fahrzeuge vorgeworfen. Tesla hat den Preiskampf im jungen Elektroautomarkt ausgerufen. Mit Preissenkungen bei Neuwagen werden gleichzeitig die Restwerte der im Leasing laufenden Fahrzeuge beschädigt und Leasinggesellschaften oder Tesla zu Sonderabschreibungen gezwungen. In Preissenkungen stecken Risiken für die Bilanzen von morgen. Auch das ist rabatttreibend, denn gebrannte Leasinggesellschaften fordern bei einigen Geschäften Absicherungen oder noch höhere Rabatte. Eine Teufelsspirale kann in Gang kommen.

Mit seiner heutigen Gewinn-Marge kann Tesla den Preiskrieg ausrufen. Die meisten Autobauer schreiben bei batterie-elektrischen Autos eher Verluste oder „hauchdünne“ Gewinne. Natürlich wird mit dem Preiskampf die Gewinn-Marge von Tesla fallen, was sich in Verlusten im Aktienkurs spiegeln wird. In Europa sieht es nach einer langsameren Entwicklung der Elektroautoverkäufe aus. Damit steigt der Markt langsamer als die Produktionskapazitäten von Tesla. Also muss Tesla in dem noch jungen Markt der Elektroautos in Europa den anderen Anbietern Marktanteile kontinuierlich wegnehmen. Es ist ungewöhnlich, dass ein junger Markt direkt in die Discountfalle stürzt. Die Ziele von Elon Musk sind klar – um das Jahr 2030 jährliche Neuwagenverkäufe von rund 20 Millionen Fahrzeugen. Um dies zu erreichen, steckt das Unternehmen im kontinuierlichen Wachstumsstress. Immer größere Fabriken, immer weniger Produktionsschritte bei der Fahrzeugproduktion, die größten Aluguss-Maschinen, um noch bessere Scales zu schaffen. Tesla entwickelt sich vom Produktinnovator zur Produktionsmaschine und zur Preis-Dumping-Maschine.

In wichtigen Feldern wie dem autonomen Fahren hat Tesla seinen Vorsprung verloren. Die Chinesen sind da deutlich besser. Gleiches gilt für den Elektroantrieb und die Qualität der Fahrzeuge. BYD, etwa mit dem Spitzenmodell HAN, Nio mit seinem ET7 oder die Geely-Premiummarke Zeekr sind weiter. In den nächsten Wochen kommt das neue Spitzenmodell von Zeekr mit der sogenannten Quilin-Batterie, die mehr als 1.000 Kilometer Reichweite erlaubt, in Chinas Autohäuser. Während Tesla mit nur zwei verkaufsstarken Modellen sehr risikoreich im Markt agiert, rauben die Wettbewerber Tesla das Innovator-Image. 2023 will Tesla von 1,3 Millionen Verkäufen auf gut 2 Millionen wachsen. Der Preiskampf wird zum Stellungskrieg. Wer zu schnell wächst, kauft sich viele neue Risiken ein.

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