Münchner Triebwerkbauer zieht Bilanz

Triebwerkbauer MTU schreibt erstmals Jahresverlust

Der Triebwerkbauer MTU Engines hat erstmals in seiner Geschichte einen Jahresverlust verbucht. Eine kostenträchtige Rückrufaktion des US-Partners P&W schlägt ins Kontor. Für 2024 strahlt der Dax-Konzern Zuversicht aus.

Triebwerkbauer MTU schreibt erstmals Jahresverlust

MTU schreibt erstmals Jahresverlust

Triebwerk-Rückrufaktion von Pratt & Whitney belastet – Verzicht auf Klage gegen US-Konzern

sck München

Trotz einer guten Geschäftslage hat MTU Aero Engines erstmals in ihrer 90-jährigen Firmengeschichte einen Jahresverlust verzeichnet. Der größte Triebwerkbauer Deutschlands verbuchte im vergangenen Jahr ein Defizit nach Steuern von 97 Mill. Euro. Ein Jahr zuvor erwirtschaftete das Dax-Mitglied einen (berichteten) Überschuss von 333 Mill. Euro. Grund für die tiefroten Zahlen ist der umfangreiche Triebwerkrückruf infolge von Fertigungsfehlern beim US-Geschäftspartner Pratt & Whitney (P&W). Im Herbst vergangenen Jahres legte MTU für Reparaturen und Entschädigungen von betroffenen Fluggesellschaften rund 1 Mrd. Euro zurück. Seinerzeit brockte das dem Konzern im Sommerquartal einen Verlust von 568 Mill. Euro ein. Gute Ergebnisse in der ersten Hälfte 2023 und im Schlussquartal konnten das Defizit zum Jahresende drücken. Vor Zinsen und Steuern (Ebit) lag das Minus bei 161 Mill. Euro nach einem Plus von 508 Mill. Euro ein Jahr zuvor.

Ohne diese hohen Belastungen hätte MTU einen Gewinn erwirtschaftet, der das bisherige Rekordjahr 2019 vor Ausbruch der folgenschweren Corona-Pandemie überträfe. Das um Sondereffekte bereinigte Ebit wuchs um ein Viertel auf 818 Mill. Euro. Das bereinigte Nettoergebnis des Konzerns legte um den gleichen Satz auf 594 Mill. Euro zu.

Milliarden-Gesamtschaden

Der börsennotierte Mutterkonzern von P&W, RTX, bezifferte zuvor den Gesamtschaden für die Kosten des Rückrufs auf bis zu 7 Mrd. Dollar. Zur Bilanzvorlage betonte MTU-Vorstandschef Lars Wagner, an dem Fertigungskonsortium mit den Amerikanern festzuhalten. Von einer Schadenersatzklage gegen P&W sieht der CEO ab. Die zusätzlichen Inspektionen drücken auf den Mittelzufluss. P&W verwendete ein Metallpulver in der Produktion falsch. Erste Hinweise darauf gab es vor vier Jahren. Die notwendigen Nachuntersuchungen betreffen einen Getriebefan-Antrieb, den Airbus bei ihrem Verkaufsschlagermodell, dem modernen Mittelstreckenflieger A320neo, einsetzen lässt. An dem von P&W geführten Konsortium ist MTU mit 18% beteiligt. Der japanische Triebwerkbauer JAE gehört diesem ebenfalls an. Die Prüfungen betreffen Scheiben in den Hochdruckturbinen. Diese müssen notfalls ausgetauscht werden. Das bezieht sich allerdings nur auf einen kleinen Prozentsatz.

Aktie verliert 1,6 Prozent

Die Anleger reagierten auf die Nachricht verhalten. Am Donnerstag notierte die Aktie von MTU zeitweise 1,1% fester, drehte im weiteren Tagesverlauf aber ins Minus und büßte bis zu 1,6% auf 215,50 Euro ein. In den vergangenen Tagen mussten die Investoren eine Dividendenwarnung des Vorstands wegen der hohen Mehrbelastungen verdauen. Vorige Woche gab MTU bekannt, auf Basis eines Vorschlags des Vorstands die Dividende je Aktie auf 2 Euro für 2023 reduzieren zu wollen. Das wären 1,20 Euro je Titel weniger. Aufgrund des Konzerndefizits müsste MTU die Ausschüttung von insgesamt 108 Mill. Euro aus der Substanz zahlen. Ein Jahr zuvor überwies das Unternehmen mit Sitz in München an seine Aktionäre 172 Mill. Euro, was 36% des bereinigten Nettogewinns entsprach.

Balanceakt bei der Dividende

Mit der Dividendenentscheidung versucht die Konzernführung einen Balanceakt: einerseits die Interessen der Anteilseigner zu berücksichtigen, andererseits darauf zu achten, dass das externe Rating nicht darunter leidet. Moody’s bewertet MTU mit „Baa3“, Fitch mit „BBB“ – beide Bonitätseinstufungen sind mit einem „stabil“ versehen. Im vergangenen Jahr steigerte MTU ihren freien Cashflow um 8% auf 352 Mill. Euro. Die Nettofinanzverbindlichkeiten schrumpften um 16% auf 631 Mill. Euro. Für 2024 rechnet der Vorstand mit einem freien Cashflow im „niedrigen“ dreistelligen Millionenbereich.

Optimistisch für 2024

Fürs laufende Jahr äußerte sich Wagner zuversichtlich. Das Auftragsbuch wuchs dank einer hohen Nachfrage der Airlines um 10% auf 24,4 Mrd. Euro. MTU will den Konzernumsatz auf bis zu 7,5 Mrd. Euro steigern. Eine avisierte operative Marge von über 12% entspräche einem bereinigten Ebit von bis zu 915 Mill. Euro. Das wäre ein Zuwachs von nahezu 100 Mill. Euro.

Derweil hält die Konzernführung an ihren mittelfristigen Zielen fest. MTU will bis zum Jahr 2025 den Konzernjahresumsatz auf rund 8 Mrd. Euro erhöhen. Das operative Ergebnis (bereinigtes Ebit) soll bis dahin auf 1 Mrd. Euro zulegen. Das entspräche einer bereinigten Ebit-Marge von 12,5%. Die Erholung der Luftfahrtbranche nach dem Corona-Schock gibt MTU nach wie vor einen großen Schub.

Wagner führt das Unternehmen seit Anfang vergangenen Jahres. Der Luftfahrt-Maschinenbauer folgte seinerzeit auf den langjährigen Vorstandsvorsitzenden Reiner Winkler. Wagners Vertrag läuft bis Ende 2025.

Der Triebwerkbauer MTU Engines hat erstmals in seiner Geschichte einen Jahresverlust verbucht. Eine kostenträchtige Rückrufaktion des US-Partners P&W schlägt ins Kontor. Für 2024 strahlt der Dax-Konzern Zuversicht aus. Vorstandschef Lars Wagner will an das operative Wachstum des Vorjahres anknüpfen.