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US-Behörden setzen Tech-Giganten unter Druck

Von Norbert Kuls, New York Börsen-Zeitung, 9.6.2020 Die Schonzeit für die großen amerikanischen Technologie- und Internetunternehmen während der Coronakrise währte nicht lange. Mit dem Abschwellen der Covid-19-Pandemie scheint auch der...

US-Behörden setzen Tech-Giganten unter Druck

Von Norbert Kuls, New YorkDie Schonzeit für die großen amerikanischen Technologie- und Internetunternehmen während der Coronakrise währte nicht lange. Mit dem Abschwellen der Covid-19-Pandemie scheint auch der regulatorische Druck auf die Konzerne wieder zuzunehmen. Die aktuellen Schlagzeilen dominiert das Scharmützel zwischen dem US-Präsidenten Donald Trump und sozialen Medien wie der Kurznachrichtenplattform Twitter. Twitter hatte einen Tweet von Trump als gewaltverherrlichend markiert und bei anderen vor Falschinformationen gewarnt. Dieser erließ daraufhin eine Verordnung, um die vermeintliche “Zensur” der Internetfirmen zu unterbinden. Eine juristische Auseinandersetzung ist programmiert. Trump und andere konservative Politiker werfen den Internetfirmen aus dem kalifornischen Silicon Valley seit Jahren vor, konservative Meinungen auf ihren Plattformen zu unterdrücken. Das soziale Netzwerk Facebook hatte Trumps Warnung an Demonstranten unkommentiert gelassen. Facebook-Chef Mark Zuckerberg geriet daraufhin intern in die Kritik.Parallel zu den Trump-Scharmützeln machen seit längerem laufende Kartellverfahren Fortschritte, die die Macht der im Zuge der Coronakrise noch dominanter gewordenen Firmen beschneiden könnten. Das US-Justizministerium plant möglicherweise noch im Sommer eine Kartellklage gegen den Internetgiganten Google wegen dessen Dominanz in Internetsuche und Onlinewerbung. Das könnte zum größten amerikanischen Kartellverfahren werden, seit das Justizministerium 1998 gemeinsam mit amerikanischen Bundesstaaten eine Kartellklage gegen Microsoft angestrengt hatte. Parallel zum Justizministerium ermitteln auch zahlreiche Bundesstaaten gegen Google.Facebook steht ebenfalls im Visier von US-Bundesstaaten. Deren Generalstaatsanwälte prüfen, ob Facebook Nutzerdaten gefährdet oder den Wettbewerb im digitalen Werbemarkt behindert. Auch die vor einigen Jahren vollzogene Übernahme der Fotoplattform Instagram und des Messenger-Dienstes Whatsapp durch Facebook werden untersucht. Aufspaltung “auf dem Tisch”Der Druck auf die Technologieunternehmen war bis zum Ausbruch des Coronavirus wegen ihrer vermeintlich zu großen Marktmacht kontinuierlich gestiegen. Man sprach von Techlash, einer Gegenreaktion (Backlash) gegen die lange Zeit unbehelligt gebliebenen Unternehmen. Facebook war nach der amerikanischen Präsidentschaftswahl vor dreieinhalb Jahren aber wegen einer russischen Desinformationskampagne auf der Plattform unter Beschuss geraten. Im vergangenen Jahr zahlte Facebook dann eine Milliardenstrafe, weil eine Analysefirma im Wahlkampf unerlaubten Zugriff auf Facebook-Nutzerdaten hatte. Demokratische Politiker wie die Senatorin Elizabeth Warren hatten im jüngsten Vorwahlkampf die Aufspaltung der Techfirmen gefordert. Auch für den Leiter der Kartellabteilung im Justizministerium ist eine mögliche Zerschlagung “absolut auf dem Tisch”.Der moderate demokratische Präsidentschaftskandidat Joe Biden, der Gewinner des Vorwahlkampfs, hat sich Warrens Forderung bisher nicht angeschlossen. Die Kritik ist ohnehin parteiübergreifend. Der republikanische Senator Josh Hawley profilierte sich mit Online-Datenschutz für Minderjährige und will sicherstellen, dass die Plattformen Inhalte politisch neutral moderieren.Google steht mit Amazon außerdem im Visier von Kongressausschüssen, weil die Firmen nicht nur Plattformen betreiben, sondern auch eigene Produkte auf diesen anbieten. Laut “Wall Street Journal” hat der Online-Einzelhändler Amazon Verkaufsdaten von auf seiner Plattform angebotenen Produkten genutzt, um dann ähnliche Waren als eigene Handelsmarke zu produzieren. Vertreter von Amazon dementieren solche Praktiken. CEO Jeff Bezos soll vor dem Kongress dazu aussagen.Die Coronakrise lenkte eine Weile von den Kontroversen ab und schien den Ruf der Techkonzerne zu bessern. Amazon lieferte während der Ausgangsbeschränkungen notwendige Waren an die Haustür. Millionen Amerikaner stellten Arbeitslosenhilfeanträge, aber die Technologiefirmen stellten weiter ein. Die Bedeutung von Facebook und Instagram als Kommunikationsplattform nahm zu. Wer das Privileg hatte, von zu Hause zu arbeiten, machte Videokonferenzen auf den iPads von Apple. Die Cloud-Datenspeicher von Microsoft, Google oder Amazon sind technologische Infrastruktur für die digitale Heimarbeit. Das Silicon Valley arbeitete auch an Lösungen für die Pandemie. Apple und Google haben die Entwicklung einer Smartphone-App angekündigt, um die Ausbreitung des Virus zu verfolgen und Nutzer vor potenziellen Infektionen zu warnen. Der New Yorker Gouverneur Andrew Cuomo hat eine vom Ex-Google-Chef Eric Schmidt geleitete Kommission ins Leben gerufen, die die Geschäfte des Bundesstaates von Onlinebildung bis Telemedizin neu konzipieren soll. “Es fühlte sich in den vergangenen Monaten für mich so an, als ob es in unserer Reaktion auf Covid einen kurzen Moment der Gemeinsamkeit gegeben hat”, sagte Facebook-Chef Zuckerberg. Das klang wie ein Stoßseufzer. Damit ist es offenbar vorbei.