RECHT UND KAPITALMARKT - IM INTERVIEW: MARKUS GAMPP

US-Patentrecht fordert deutsche Softwareanbieter heraus

SAP-Konzern einer der ersten Fälle unter neuem Regime

US-Patentrecht fordert deutsche Softwareanbieter heraus

– Herr Dr. Gampp, ein großes deutsches Softwarehaus ist in den USA auf Schadenersatz wegen einer Patentrechtsverletzung verklagt worden, obwohl das US-Patentamt das Patent unterdessen gelöscht hat. Auf welcher rechtlichen Grundlage spielt sich ein solcher Fall ab?Durch den “America Invents Act” wurde 2012 die Möglichkeit in das US-amerikanische Patentrecht eingeführt, im Rahmen sogenannter “post grant proceedings” die Gültigkeit eines Patents überprüfen zu lassen. Das Verhältnis dieses neuen Rechtsmittels zu anderen Verfahren ist noch nicht abschließend geklärt. Das zeigt sich auch in diesem Fall, der einer der ersten unter dem neuen Regime ist.- Und zwar?Die zuständigen Gerichte hatten in zwei Instanzen die Verletzung eines Patents von Versata durch SAP festgestellt und SAP zur Zahlung von Schadenersatz in Höhe von 391 Mill. Dollar verurteilt. Die Gerichte kamen dabei auch zu dem Ergebnis, dass das Klagepatent gültig sei. Später wurde das Klagepatent auf Antrag von SAP im Rahmen eines solchen Post-grant-Verfahrens für ungültig erklärt. Diese Entscheidung ist allerdings nur vorläufig, über die von Versata eingelegte Berufung ist noch nicht entschieden. Der zuständige Federal Circuit hat sich zuletzt geweigert, das Urteil aufzuheben oder zumindest die Zahlung des Schadenersatzes solange auszusetzen, bis die Entscheidung über die Gültigkeit des Patents rechtskräftig ist. Das Gericht verwies darauf, dass das Verletzungsverfahren abgeschlossen sei. Welche Auswirkungen es auf das Urteil hätte, wenn das Patent im Rahmen des Post-grant-Verfahrens rechtskräftig für ungültig erklärt würde, ist noch offen.- Wäre es in Europa auch möglich, für die Verletzung eines nicht mehr gültigen Patents zivilrechtlich belangt zu werden?Nicht wenn dieses rechtskräftig für ungültig erklärt wurde. Anders als in angloamerikanischen Jurisdiktionen gilt in Deutschland das Trennungsprinzip, wonach über die Verletzung eines Patents die Land- und Oberlandesgerichte entscheiden, über die Gültigkeit eines Patents aber nur das Bundespatentgericht. Die Nichtigkeitsverfahren beim Bundespatentgericht dauern immer länger als die erste, nicht selten auch als die zweite Instanz bei den Verletzungsgerichten. Es kommt also auch hier vor, dass ein vollstreckbares Urteil wegen Verletzung eines Patents ergeht, das später für ungültig erklärt wird. Allerdings hat der Beklagte in diesem Fall einen Anspruch auf Schadenersatz und kann ein rechtskräftiges Urteil aufheben lassen.- Gibt es im US-Patentrecht noch mehr solche Fallstricke für deutsche Firmen?Besondere Belastungen ergeben sich in Patentprozessen in den USA vor allem aus zwei dem deutschen Recht fremden Aspekten: die “Discovery” ermöglicht es dem Kläger, vom Beklagten die Herausgabe von Unterlagen zu verlangen, was meist sehr aufwendig und teilweise im Hinblick auf Geheimhaltungsinteressen problematisch ist. Zudem ist die Tatsache, dass die rechtlich und technisch oft sehr komplexen Fälle von mit Laien besetzten Jurys entschieden werden, aus deutscher Sicht gewöhnungsbedürftig.- Der Supreme Court widmet sich derzeit grundsätzlich der Frage nach der Patentierbarkeit von Software, in Neuseeland wurde sie 2013 ganz abgeschafft. Wie sieht das in Europa aus, und sieht die Digitale Agenda der EU-Kommission hier Änderungen vor?Ein Computerprogramm “als solches” ist in Europa nicht patentierbar. Erfindungen sind nur schutzfähig, wenn sie einen “technischen Charakter” aufweisen, das heißt, wenn sie die Lösung eines konkreten technischen Problems mit technischen Mitteln betreffen. Ein Computerprogramm ist danach patentierbar, wenn es einen über das Zusammenspiel von Computer und Software hinausgehenden technischen Effekt bewirkt. Die Digitale Agenda sieht hierzu keine konkreten Maßnahmen vor; die Kommission möchte aber Unternehmen zur Verbesserung der Interoperabilität von IT-Produkten zu einer großzügigeren Lizenzierung ihrer Patente bewegen.—-Dr. Markus Gampp ist Partner in der deutschen Intellectual Property und Technology Group von DLA Piper und leitet die Münchener Patentpraxis. Die Fragen stellten Sabine Wadewitz und Stefan Paravicini.