Matthias Zieschang

„Wir werden eine Cash-flow generierende Maschine“

Fraport-CFO Matthias Zieschang spricht im Interview mit der Börsen-Zeitung darüber, wie lange sich die Pandemie noch auf den Flughafenbetreiber auswirken wird.

„Wir werden eine Cash-flow generierende Maschine“

Lisa Schmelzer.

Herr Zieschang, Fraport hat schon vor der Coronakrise eine hohe Liquidität vorgehalten. Dieses Polster haben Sie in den vergangenen anderthalb Jahren noch einmal deutlich vergrößert. Warum?

Es ist tatsächlich so, dass wir die Pandemie vergleichsweise gut überstanden haben, weil wir zu Beginn der Pandemie rund 1,7 Mrd. Euro Liquidität einschließlich freier Kreditlinien bei rund 3,5 Mrd. Euro Umsatz hatten, das heißt circa 50% des Jahresumsatzes als liquide Mittel gehalten, und nach Ausbruch der Corona-Pandemie schnell reagiert haben. Denn wenn der Umsatz nahezu komplett ausfällt, hätten wir ein halbes Jahr überleben können. Aber die Coronakrise dauerte ja nicht nur sechs Monate.

Sie sind einigermaßen gut durch die Krise gekommen und haben auch keine Staatshilfe gebraucht.

Wir haben uns das retrospektiv mal angeschaut: Die Unternehmen der Luftverkehrsindustrie, die die Coronakrise ohne staatliche Hilfe überlebt haben, hatten zum 31.12.2019 zwischen 40% und 60% des Umsatzes als Liquidität vorgehalten. Alle die, die Insolvenz angemeldet oder vom Staat gerettet werden mussten, hatten maximal 20% ihrer Umsätze als Liquidität gehalten. Uns war sehr schnell klar, dass das eine längere Krise wird und wir sehr schnell auf die bereits vorhandene hohe Liquidität noch reichlich draufsatteln müssen. Das ist uns gelungen: In der ersten Hälfte 2020 hatten wir 1,3 Mrd. Euro zusätzlich geholt. Anschließend haben wir das permanent ausgebaut. Aktuell blicken wir auf liquide Mittel von rund 4,5 Mrd. Euro. Damit ist klar, dass wir sehr gut gerüstet sind und die Krise gemeistert haben, da diese Liquidität für Jahre reicht.

Und bei dieser Höhe soll es über die Pandemie hinaus bleiben?

Langfristig wird sie sich wieder verringern. Klar ist aber auch: Unter 2 Mrd. Euro werden wir nicht mehr gehen. Die 1,7 Mrd. Euro vor der Krise haben sich ja bewährt, da wir zusätzliche Liquidität aufbauen konnten, weil wir vorher schon Geld hatten – aber das war schon eng.

Was waren die entscheidenden Faktoren, um schnell zusätzliche Liquidität aufbauen zu können?

Wer nichts oder wenig hatte, bekam auch nichts, denn am Ende zählt nur Cash und die Geschwindigkeit, mit der man den Kapitalmarkt in einer solchen Krise anzapfen kann. Dabei hängt es natürlich stark davon ab, wie vorher das Verhältnis zu den Banken und dem Kapitalmarkt war. Wir haben immer vertrauensvoll mit unseren Hausbanken zusammengearbeitet und haben stets geliefert, was wir angekündigt haben. So auch in der aktuellen Krise: Wir haben Liquidität aufgenommen und gleichzeitig einen ehrgeizigen Restrukturierungsplan erstellt, um die Ausgaben massiv zu senken; allein am Standort Frankfurt um rund 30% und bei unseren internationalen Flughäfen um über 40%. Für den damit verbundenen Personalabbau – 4300 Beschäftigte haben uns verlassen – hatten wir im vergangenen Jahr Rückstellungen von 280 Mill. Euro gebildet, die alle angefallenen Kosten abgedeckt haben.

War der Kapitalmarkt zu irgendeinem Zeitpunkt für Sie verschlossen, wie für einige Airlines?

Der Markt war für uns immer offen, aber das konnte sich natürlich über Nacht ändern. Hätten wir beispielsweise unsere Ausgaben nicht im angekündigten Maß zurückgefahren, wäre auch eine andere Situation möglich gewesen.

Derzeit verbrennt Fraport noch Geld, was primär an hohen Investitionen, etwa in das dritte Terminal in Frankfurt, liegen dürfte.

Operativ und beim Jahresüberschuss sind wir bereits deutlich im Plus. Dass der freie Cash-flow negativ ausfällt, liegt ausschließlich an den Investitionen. Die Erhaltungsinvestitionen von ca. 300 Mill. Euro pro Jahr können wir aus dem operativen Cash-flow komplett decken, aber die beiden Ausbauprojekte – Frankfurt und Lima – sorgen für den Dreh ins Negative. Aber diese Projekte sind ja endlich. Danach bleibt es auf der Ausgabenseite beim Zinsaufwand von rund 200 Mill. Euro pro Jahr, der in den nächsten Jahren relativ stabil bleiben wird. Und bei den Investitionen sehen wir konzernweit statt heute etwas über 1 Mrd. Euro dann rund 300 Mill. Euro, die Jahr für Jahr in den Infrastrukturerhalt fließen. In Frankfurt werden wir 2026 mit dem 3. Terminal fertig sein, in Lima mit dem Ausbau ein Jahr früher. Weil wir aber erwarten, dass sich das Ebitda vorher wieder gut entwickelt, rechnen wir schon 2024 mit einem leicht positiven freien Cash-flow. Wenn die beiden Großprojekte abgeschlossen sind, werden wir zu einer Cash-flow generierenden Maschine. Das Ebitda wird dann weit über 1 Mrd. Euro liegen und alle unsere Flughäfen sind neu bzw. vollständig renoviert und verfügen über große Kapazitätsreserven, so dass wir über Jahre keine weiteren Ausbau-Investitionen stemmen müssen. Der Investitionszyklus liegt dann klar hinter uns und wir profitieren von einer langanhaltenden „Erntephase“ in unseren Flughäfen.

Die Ergebnisentwicklung wird derzeit von den Auslandsbeteiligungen getrieben, wo sich das Geschäft schneller erholt hat als in Frankfurt. Wird sich da bei den Ergebnisbeiträgen die Gewichtung dauerhaft verschieben?

Die langsamere Erholung in Frankfurt hat ja vor allem damit zu tun, dass wir vor Corona hier einen Anteil von etwas über 30% an Geschäftsreisenden hatten und sich dieses Segment deutlich langsamer erholt als das touristische Geschäft und die ethnischen Verkehre. Bei unseren Auslandstöchtern kommen die Ge­schäftsreisenden auf weit unter 10%. Wir prognostizieren deshalb, dort schon 2023 wieder das Vorkrisenniveau bei den Passagierzahlen zu erreichen. In Frankfurt erwarten wir im Bereich Privatreisende das Gleiche, aber das macht eben nur knapp 70% der Passagiermenge aus.

Und die Geschäftsreisenden?

Bei den Geschäftsreisen sind wir skeptischer: Das Geschäft läuft hier viel langsamer hoch und wird auch aus heutiger Sicht das Vorkrisenniveau in den nächsten Jahren nicht mehr erreichen. In Frankfurt erwarten wir das Niveau von 2019 deshalb erst wieder 2025 oder 2026, wenn die Rückgänge im Geschäftsreisesegment durch Zuwächse im touristischen Segment und den ethnischen Verkehren ausgeglichen werden.

Werden Sie künftig mehr Gewicht auf das Auslandsgeschäft legen?

Derzeit sind wir sehr zufrieden mit unseren Auslandsbeteiligungen. Das gilt auch bei den Kosten: Die haben wir in Frankfurt um 30%, im Ausland sogar um über 40% gesenkt. Per drittem Quartal 2021 kommt exakt die Hälfte des Ebitdas aus dem Ausland. Diese starke zweite Ergebnissäule hilft uns jetzt enorm. Deshalb werden wir auch künftig den Markt beobachten und bei wirtschaftlich passenden Engagements versuchen, diese für uns zu gewinnen.

Und bis wann soll die Verschuldung Normalmaß erreichen?

Bis 2024 werden wir brauchen, um die guten Bilanzstrukturen von vor der Corona-Pandemie wieder herzustellen.

Für einen Flughafen ist es aber doch letztlich egal, wer in einen Flieger steigt, Geschäftsleute oder Urlauber, da fällt für jeden Passagier die gleiche Gebühr an, oder?

Von der Ertragswertigkeit her ist in unserem Geschäftsfeld Aviation aufgrund der einheitlichen Entgelte in der Tat jeder Passagier gleich. Das sieht im Bereich Retail anders aus. Dort gilt, dass zumindest die deutschen Geschäftsreisenden sich oft in den Lounges aufhalten und am Flughafen selbst wenig ausgeben. Deshalb geben touristische Reisende insbesondere aus asiatischen Regionen oft mehr aus als deutsche oder europäische Geschäftsreisende. Eine strukturelle Verschiebung bei den Passagiergruppen muss für uns also keine negativen Auswirkungen haben. Anders sähe es aus, wenn beispielsweise weniger Passagiere aus China oder Korea kommen würden, die besonders ausgabefreudig sind. Das würde sich dann negativ auf die durchschnittliche Ausgabehöhe je Reisendem niederschlagen.

Das spricht dafür, den Anteil des Low-Cost-Geschäfts hier am Standort nicht weiter auszubauen, denn spendierfreudige Chinesen sind mit Ryanair eher nicht unterwegs, oder?

Das Low-Cost-Geschäft macht bei uns nur einen kleinen Teil des Geschäfts aus, deutlich weniger als an anderen europäischen Hub-Flughäfen.

Merken Sie die Zuspitzung der Coronalage operativ zumindest in Europa und Deutschland?

Wir lagen ja im dritten Quartal bei rund 50% der Vorkrisenmengen und da wir den Break-even-Punkt für das Ebitda während der Krise durch unsere hohen Ausgabensenkungen deutlich nach unten geschoben haben, waren wir sowohl operativ als auch bezogen auf den Gewinn nach Steuern wieder profitabel. Für den Ebitda-Break-even reichen mittlerweile 45000 Passagiere am Tag, sodass wir im 3. Quartal mit durchschnittlich etwas über 100000 Passagieren pro Tag in Frankfurt wieder deutlich positive Ergebnisse ausgewiesen haben. Im vierten Quartal, das normalerweise schwächer ist, hatten wir die US-Öffnung am 8. November, so dass sich die absoluten Zahlen verstetigt haben. Wir haben also nach wie vor 80000 bis 100000 Reisende täglich, was knapp 60% des Vorkrisenniveaus im 4. Quartal entspricht. Im Falle einer weiteren Verschlechterung der Coronasituation könnte es auch wieder zu temporären Rückgängen der Passagierzahlen kommen.

Welche Ergebnisse hatte das strikte Kostenmanagement der vergangenen 18 Monate?

Wir haben grundsätzlich ein Fixkosten-Geschäftsmodell. Da wären eigentlich Kostenrückgänge wie die von uns erreichten 30% nicht möglich. In Frankfurt bestehen unsere Kosten zu zwei Dritteln aus Personalaufwand und zu einem Drittel aus Materialaufwand, das heißt, eine massive Kostensenkung muss immer über eine Reduzierung der Beschäftigtenzahl laufen. Das wäre aber in normalen Zeiten nicht durchsetzbar, jetzt mussten wir das kurzfristig umsetzen. Da gab es keine Vorab-Prozessuntersuchungen, kein Benchmarking oder Ähnliches, sondern es wurde linear abgebaut – insbesondere in der Administration und den semi-administrativen Funktionen – und dann schaut man ex post, wie man die Prozesse künftig mit weniger Beschäftigten abwickelt.

Und das geht einfach so oder muss man auch mal was weglassen?

Sie müssen radikal Prozesse vereinfachen, digitalisieren und manches muss man einfach auch weglassen. Im administrativen Bereich sowie in den Segmenten Retail und Aviation werden wir die Beschäftigtenzahl auch bei deutlich höheren Verkehren nicht mehr aufbauen, das hat sich jetzt gut eingespielt mit einer kleineren Mannschaft. Im Bereich Bodenverkehrsdienste werden wir im Zusammenhang mit den steigenden Passagierzahlen wieder Mitarbeiter einstellen. Im Moment liegen wir bei den Bodenverkehrsdiensten bei rund 70% des Vorkrisenniveaus, was den Einsatz von Beschäftigten betrifft, und das bei Passagierzahlen von 50 bis 60%.

Und trotzdem klemmt es bei den operativen Abläufen in Frankfurt?

Das hängt insbesondere mit den gegenwärtig sehr hohen Nachfrageschwankungen bei den Bodenverkehrsdiensten zusammen. Wir sind dort mengengetrieben und die stündliche Ausnutzung der Kapazität lag bei 80 bis 100 Flugbewegungen. Da kann man über den Tag eine Mannschaft gut und relativ gleichmäßig auslasten. Im Moment ist es aber so, dass in zwei Peaks am Tag wieder fast Vorkrisenniveau erreicht wird, während in den Randzeiten aber nur 20 bis 25% der Kapazitäten genutzt werden. Bei diesen großen Schwankungen über den Tag ist eine optimale Personalressourcensteuerung nicht möglich. Um diese zwei Peaks optimal zu managen, müssten wir für zwei bis drei Stunden am Tag so viele Beschäftigte wie vor der Krise einsetzen, die dann für die restlichen fünf Stunden nur zu ca. 50% beschäftigt werden könnten. Dies ist kostenmäßig nicht darstellbar und würde auch von den Kunden nicht bezahlt werden. Das wird sich aber nach und nach verbessern, denn wenn jetzt mehr Verkehr zurückkommt, dann werden vor allem die Kapazitätstäler aufgefüllt und die Schwankungsbreite wird geringer.

Und das kann man als Flughafen nicht besser steuern?

Die Airlines betreiben in Frankfurt ein sogenanntes Hub-and-Spoke-System. Hub-and-Spoke-Flughäfen bündeln Passagiere sowohl aus dem unmittelbaren Einzugsbereich, der sogenannten „Catchment Area“, als auch viele Zubringerpassagiere aus Deutschland und Europa. Das heißt, ein Langstreckenflug wird durch viele Zubringerflüge „gefüttert“, die alle in einem bestimmten Zeitraum für den Langstreckenabflugzeitpunkt einfliegen und danach wieder abfliegen. Bedingt durch Corona wurden die täglichen Frequenzen auf den Langstrecken deutlich reduziert, wodurch sich die Verkehre nicht mehr so gleichmäßig über den Tagesverlauf verteilen. Dadurch sind die extremen Tagesspitzen entstanden, die sich erst mit steigenden Verkehrszahlen wieder entzerren.

Sie wollen die Gebühren 2022 nur um 4,3% erhöhen, die Wettbewerber Amsterdam und Heathrow haben größere Aufschläge ge­plant. Warum so bescheiden?

Wir pflegen hier bewusst einen fairen Umgang mit unseren Kunden. Wir gleichen nur die Inflationsrate aus und machen eine moderate Anpassung, die die pandemiebedingten Umsatzausfälle nicht berücksichtigt.

Den Aktionären, die erneut leer ausgehen, wird diese Bescheidenheit eventuell nicht gefallen.

Das Verhältnis von Nettoverschuldung zu Ebitda wird in diesem Jahr bei einem Wert von rund 9 liegen, das entspricht natürlich nicht unserer Vorstellung. Ziel ist ein Wert von 5. Das müssen wir wieder hinbekommen, deshalb können wir uns 2021, 2022 und 2023 kein Cash-out für Dividenden erlauben. Andererseits sind wir ohne Kapitalerhöhung durch die Krise gekommen und werden auch keine durchführen, das heißt, die Beteiligung der Aktionäre wurde und wird nicht verwässert. Letztlich sitzen Airlines und Airports in einem Boot. Deshalb wollen wir auch gemeinsam durch diese Krise steuern. Somit treten wir im Vergleich zu anderen Marktteilnehmern bescheiden auf und nutzen die Preiserhöhungsspielräume nicht voll aus. Dies ist eine gelebte Systempartnerschaft.

Fraport wird 2023 bundespolizeiliche Aufgaben übernehmen. Was wird sich ändern und was bedeutet dabei die Abgabe der Mehrheit an Frasec Luftsicherheit GmbH an den Wettbewerber Dr. Sasse AG?

Wir übernehmen die Verantwortung für die Luftsicherheit zum 1. Januar 2023. Wir steuern dann den Personaleinsatz an den Sicherheitskontrollen und entscheiden unter anderem, welches technische Gerät zum Einsatz kommt. Das bedarf noch einiger Vorbereitung. Mit unserer Tochtergesellschaft Frasec haben wir eigene Sicherheitskräfte im Haus, die sich bisher an Ausschreibungen beteiligt haben. Aber wenn wir die Leistungen künftig selbst ausschreiben, geht das so natürlich nicht. Wir müssen diese Aktivitäten abtrennen und die Verantwortung dort abgeben. Die Dr. Sasse AG übernimmt zum 1. Januar 2022 26% und ein Jahr später weitere 25%. Bei uns wird die Frasec dann nicht mehr voll konsolidiert. Wir erhoffen uns durch die Übernahme der Verantwortung eine Verbesserung der Qualität. Also kürzere Wartezeiten, vor allem durch mehr Flexibilität bei der Personalsteuerung und dem Einsatz von moderneren technischen Gerätschaften, die einen höheren Passagierdurchfluss bei maximaler Sicherheit zulassen. Wir haben an dem Thema jahrelang gearbeitet und sind jetzt sehr froh über diese Übereinkunft.

Warum waren die Verhandlungen so langwierig?

Die Bundespolizei hat bundesweit die Verantwortung für das Luftsicherheitsthema, insofern ist das „Frankfurter Modell“ etwas ganz Neues, das auch an anderen Standorten Schule machen könnte. Da ist es sicherlich klug, im Vorfeld alle anstehenden Themen besonders intensiv zu betrachten.

Das Interview führte

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