Chipkrise

ZVEI erwartet erst 2023 bessere Halbleiter­versorgung

Die Fachgruppe des Branchenverbands weist darauf hin, dass der Aufbau zusätzlicher Produktionskapazitäten zwei Jahre dauert. Im Autosegment ist eine „Halbleiterblase“ entstanden.

ZVEI erwartet erst 2023 bessere Halbleiter­versorgung

jh München

– Der Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie (ZVEI) sieht kaum Anzeichen dafür, dass sich die Versorgungslage mit Halbleitern demnächst entspannt. „Auf jeden Fall wird es auch 2022 eng“, sagte Stephan zur Verth, der Vorsitzende der Fachgruppe Halbleiter, in einem Pressegespräch. Nach seiner Schätzung werde erst im Laufe des Jahres 2023 der Mangel abnehmen.

Zur Verth, Manager des niederländischen Halbleiterherstellers NXP, erinnerte daran, dass seit Ende 2020 bekannt sei, dass mehr Chips gebraucht würden. Bis neue Produktionskapazitäten aufgebaut würden, dauere es jedoch zwei Jahre. Eines der Hindernisse dabei sei, dass auch die Hersteller der Fertigungsanlagen unter dem Chipmangel litten. „Da beißt sich die Katze in den Schwanz“, fügte zur Verth hinzu.

Im Hinblick auf die Automobilindustrie sagte er: „Wir haben es hier mit einer zum Teil typischen Halbleiterblase zu tun.“ Die weltweite Autoproduktion werde in diesem Jahr um 0 bis 10% wachsen, die Nachfrage der Branche nach Halbleitern nehme dagegen um 40% zu. „Wenn diese Blase geplatzt ist und die ersten Kunden wieder genug Halbleiter bekommen und genügend Vorräte haben, wird der Halbleiterbedarf automatisch abnehmen.“ Wann das der Fall sein werde, sei aber sehr schwer vorherzusagen.

Die Bedeutung der Chips für Autos wächst weiter. Im Durchschnitt werden derzeit nach Angaben des ZVEI 960 Halbleiter in ein Fahrzeug eingebaut. Zur Verth appellierte an die Autoindustrie, enger mit den Halbleiterherstellern zusammenzuarbeiten: „Transparenz statt Abschottung“ müsse die Devise sein.

Nachfrage weit unterschätzt

Wie stark die Erwartungen und der Chipbedarf in diesem Jahr auseinandergelaufen sind, zeigen die Zahlen für den Welthalbleitermarkt. Im Herbst vor einem Jahr rechnete die Gesellschaft World Semiconductor Trade Statistics (WSTS) mit einem Anstieg des Branchenumsatzes um 8,4%; der ZVEI nannte damals eine Prognosespanne von 8 bis 10%. Nun zeichnet sich angesichts der starken Nachfrage ein viel kräftigerer Anstieg des globalen Umsatzes ab: um 21 bis 27% auf 559 Mrd. Dollar am oberen Ende. „Treiber dieses hohen Wachstums sind die Digitalisierung sowie die grüne Transformation mit ihrer großen Nachfrage nach CO2-mindernden Technologien“, berichtete zur Verth. Für nächstes Jahr kalkuliert der Verband mit einem Anstieg um 4 bis 10%.

Bis zum Ende dieses Jahrzehnts wird mit einer Verdoppelung des Markts auf rund 1 Bill. Dollar gerechnet. Damit die EU ihr Ziel erreiche, bis dahin den Weltmarktanteil Europas an der Produktion hochmoderner Halbleiter von derzeit 8% auf 20% zu steigern, müsste sich die Fertigungskapazität um den Faktor fünf erhöhen, sagte zur Verth. „Um diesem hochambitionierten Anspruch gerecht zu werden, bedarf es sehr zügiger Anstrengungen.“ Auf die Frage, was der ZVEI von neuen Fabriken von Herstellern anderer Kontinente wie Intel und TSMC hielte, antwortete er, Unternehmen nach Europa zu holen sei Teil der Strategie.