DVFA moniert Lücken in der Corporate Governance
DVFA moniert Lücken in der Corporate Governance
Unternehmen zeigen Defizite in Vorstandsvergütung und Diversität − Brenntag und Munich Re sind Spitzenreiter im Ranking 2024
Von Sabine Wadewitz, Frankfurt
Der Investorenverband DVFA stellt den Dax-Unternehmen in ihrer Corporate Governance für 2024 ein gemischtes Zeugnis aus. Fortschritte gibt es im Thema „Aktionäre und Hauptversammlung“, Rückschritte im Bereich „Vorstand“. Insgesamt gebe es immer noch Lücken, so das Fazit aus der aktuellen Analyse.
Die Corporate-Governance-Qualität deutscher Unternehmen ist im Ranking der DVFA 2024 weitgehend auf dem Niveau des Vorjahres geblieben. Der Investorenverband sieht aber nach wie vor Lücken in den Anforderungen an gute Unternehmensführung und -kontrolle. Dabei legt die „DVFA Scorecard for Corporate Governance“ in der Auswertung 2024 deutliche Verschiebungen in einzelnen Kategorien offen. Während sich im Bereich „Aktionäre & Hauptversammlung“ deutliche Verbesserungen abzeichnen, habe es in anderen Kategorien teils signifikante Rückgänge gegeben, teilt der Investorenverband mit.
MDax hält den Notenschnitt
Im Dax erreichen die Unternehmen im Durchschnitt die Gesamtnote von 79,93% und bleiben damit knapp unter dem Vorjahreswert von 80,20%. Als besonders positiv stuft die Studie die Leistung im Bereich „Rechnungslegung & Abschlussprüfung“ ein mit einem Score von 90,10%. Der Bereich „Aktionäre & Hauptversammlung“ hat deutlich zugelegt mit einem Schub um gut 10 Prozentpunkte auf 70,61%. Allerdings verschlechterten sich die Ergebnisse im Thema „Vorstand“ um 8 Punkte auf 79,26%.
Der Notenschnitt im MDax liegt ebenfalls nahezu unverändert bei 67,83%. Auch hier haben die Unternehmen in der Kategorie „Aktionäre & Hauptversammlung“ deutlich besser abgeschnitten, während es im Thema „Vorstand“ Abwertungen gab. Den SDax-Firmen stellt die DVFA ein Gesamturteil von 59,35% aus, ein leichter Rückgang zum Vorjahr mit 61,91%. Die Small Caps haben im Thema „Transparenz & Governance-Verpflichtung“ gepunktet mit einem Anstieg um gut 14 Prozentpunkte, während die Kategorien „Vorstand“ und „Aufsichtsrat“ schwächer abschnitten.
Stabiles Spitzenfeld
„Die Ergebnisse der diesjährigen Auswertung sind robust, und die Bewegungen innerhalb der Indizes sowie der einzelnen Kapitel zeigen, dass in Deutschland in puncto Governance-Qualität weiterhin gewisse Lücken bestehen“, fasst DVFA-Vorstandsmitglied Christina Bannier die Ergebnisse der Studie zusammen. Die Professorin hat als wissenschaftliche Leiterin des Sustainable Governance Lab zum vierten Mal in Folge verantwortlich die Auswertung begleitet.
Klassenprimus im Dax ist diesmal der Chemikalienhändler Brenntag gefolgt vom Versicherungskonzern Munich Re; beiden stellt die DVFA das Zeugnis „hervorragend“ aus. Diese Einstufung hatten beide Konzerne auch schon im Vorjahr. Der ehemalige Dritte im Bunde, die Deutsche Börse, liegt nun mit Gesamtscore „sehr gut“ auf Platz 3 gleichauf mit Mercedes-Benz. Der Automobilkonzern ist aufgerückt von zuvor Platz 10.
Aufsteiger Daimler Truck
Neu in der von 18 Firmen erreichten Beurteilung „sehr gut“ mit mindestens 80 Punkten ist Merck, die sich von Platz 22 auf Rang 16 hocharbeitete. Abgestiegen ins Segment „gut“ sind Bayer und Siemens Energy. Größter Aufsteiger im Dax ist Daimler Truck, der sich von Rang 16 auf Rang 7 verbesserte.
Mit Blick auf Governance-Defizite moniert die DVFA in der Benotungskategorie „Vorstand“, dass nur drei Unternehmen bei der Festlegung der nicht finanziellen Leistungskriterien in der Vorstandsvergütung explizit auf ihre Materialitätsanalyse hinweisen, also erläutern, wie sie ihre Nachhaltigkeitsthemen auswählen und gewichten.
Zu wenige Frauen
Bemängelt wird auch, dass nur sehr wenige Unternehmen in den Führungsebenen unterhalb des Vorstands eine Frauenquote von mindestens 30% erreichen. „Hier sehen wir klaren Verbesserungsbedarf. Insbesondere vor dem Hintergrund der Abstimmungen zu den Vorstandsvergütungssystemen blicken wir gespannt darauf, wie die Verknüpfung zwischen Nachhaltigkeitszielen in der Vergütung und den aus der Materialitätsanalyse abgeleiteten Zielen erfolgt“, unterstreicht Hendrik Schmidt, Leiter des DVFA-Fachbeirats Scorecard, mit Blick auf künftige Hauptversammlungen.
Intransparente Aufsichtsräte
Auch im zentralen Thema „Aufsichtsrat“ sieht der Investorenverband Verbesserungspotenzial. „Es fällt auf, dass die Erläuterung der Gesamtqualifikation des Aufsichtsrats in vielen Unternehmen sehr schwach bzw. kaum vorhanden ist. Auch berichten die wenigsten Unternehmen aussagekräftig über den Nominierungsprozess für neue Aufsichtsratsmitglieder. Aber auch aussagekräftige Berichte über Weiterbildungsmaßnahmen im Aufsichtsrat finden sich weiterhin selten“, stellt Bannier fest.
Im Thema Interessenkonflikte hat die DVFA nachgeschärft und das Unabhängigkeitserfordernis auf weitere Mitglieder des Aufsichtsrats erweitert. „So sind Vorsitzende von Vergütungsausschüssen recht häufig entweder abhängig oder gleichzeitig Aufsichtsratsvorsitzende. Hier bedarf es einer tieferen Analyse und Diskussion“, mahnt Schmidt.
Durchblick im Stakeholder-Dialog
Im Scoring-Bereich „Transparenz & Governance-Verpflichtung“ lässt sich laut DVFA erkennen, dass inhaltliche Berichte über den Dialog zwischen dem Aufsichtsratschef und Investoren sehr selten zu finden sind. Die Unternehmen stellten den „Stakeholderdialog" oft nur sehr stiefmütterlich dar, moniert Bannier. Unklar bleibe dabei auch häufig, inwiefern dieser Dialog auf Stetigkeit angelegt sei.
In der Kategorie „Rechnungslegung & Abschlussprüfung“ fällt laut DVFA auf, dass die Tabellen zur Darstellung der Vorstandsvergütung zwischen den Unternehmen nicht vergleichbar sind. Nur selten werde konsistent in einer Tabelle die wesentliche Information dargelegt − im Sinne der früheren Kodex-Tabellen. Der Nachhaltigkeitsbericht werde zudem in den allermeisten Fällen nur mit „begrenzter Sicherheit“ geprüft. „An dieser Stelle dürfte im Laufe der kommenden Monate noch einiges an Bewegung kommen,“ sagt Schmidt.