RECHT UND KAPITALMARKT

Bundeskartellamt bewahrt sich Flexibilität in Bußgeldverfahren

Neues Merkblatt zu einvernehmlichen Einigungen veröffentlicht

Bundeskartellamt bewahrt sich Flexibilität in Bußgeldverfahren

Von Silke Heinz *)Das Bundeskartellamt hat am 23.12.2013 ein Merkblatt zum Settlement-Verfahren in Bußgeldsachen veröffentlicht. Dieser Schritt kommt spät: Die Behörde schließt seit 2007 Bußgeldverfahren verstärkt per Settlement, also einvernehmlicher Verfahrensbeendigung, ab. Der Vorteil liegt für das Amt in einem abgekürzten Verfahren und der damit verbundenen Ressourceneinsparung und für die Betroffenen – das sind im deutschen Verfahren Personen und Unternehmen – unter anderem in einer Bußgeldreduktion.Bislang gab es zur Settlement-Praxis keine Richtlinien, anders als auf EU-Ebene, wo dafür eine Gesetzesgrundlage geschaffen und ausführliche Leitlinien publiziert wurden. Das Bundeskartellamt (BKartA) erläuterte seine Praxis lediglich im Tätigkeitsbericht 2007/2008 und veröffentlichte kurze Fallberichte. Nun gibt es erstmals ein Merkblatt, das kurz ausgefallen ist (zwei Seiten). Es hat die Wirkung von Verwaltungsrichtlinien, das Amt ist daran gebunden und unterliegt insoweit dem Gleichbehandlungsgrundsatz. Auch in vertikalen VerfahrenDas Merkblatt bestätigt, dass Settlements in allen Kartellordnungswidrigkeitenverfahren möglich sind, also nicht wie auf EU-Ebene nur in horizontalen Kartellfällen, sondern auch in sogenannten vertikalen Verfahren (zum Beispiel Preisbindung) und in Fällen des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung. Ist das Kartellamt interessiert, bietet es allen Betroffenen Settlement-Gespräche an, kann aber letztlich auch nur mit einigen das Verfahren einvernehmlich beenden. Es gibt keine einfachgesetzliche Grundlage für Settlements mit dem BKartA. Insbesondere sind die Regelungen für die Verständigung im gerichtlichen Straf- und Ordnungswidrigkeitenverfahren nicht anwendbar. Das Merkblatt verweist nur sehr allgemein auf die Beachtung der zentralen rechtsstaatlichen Anforderungen, wie sie vom Bundesverfassungsgericht konkretisiert wurden. “Geständige Einlassung”Nach dem Merkblatt erfordert ein Settlement inhaltlich eine sogenannte “geständige Einlassung” der Betroffenen, d.h. eine Beschreibung der Tat und weiterer, für die Bußgeldzumessung relevanter Umstände. Formal muss diese als Settlement-Erklärung abgegeben werden, worin der zur Last gelegte Sachverhalt anerkannt und die Geldbuße bis zur Höhe des vom BKartA angekündigten Betrags akzeptiert wird. Damit beinhaltet die Einlassung kein explizites Schuldanerkenntnis, anders als im EU-Verfahren. Die Settlement-Erklärung gilt als bußgeldmindernder Umstand, der bei horizontalen Kartellfällen zu einer Reduktion von maximal 10 % führen kann. Der Abschlag erfolgt zusätzlich zu einer möglichen Reduktion aufgrund der Bonusregelung. Er wird allerdings auf Basis des Bußgelds nach Abzug des Bonusrabatts berechnet. Im EU-Verfahren werden dagegen Bonusregelung und Settlement-Abschlag kumulativ angewendet.Typischerweise beinhaltet ein Settlement den Verzicht auf vollständige Akteneinsicht seitens der Betroffenen und die Verfahrensbeendigung per Kurzbescheid. In der Praxis ist Letzterer für die Betroffenen von Vorteil, insbesondere wenn Dritte zur Vorbereitung von Schadenersatzansprüchen Akteneinsicht in den Bescheid erhalten. Das Merkblatt lässt weitere potenzielle Vorteile für die Betroffenen ungenannt, wie eine mögliche Beschränkung des Tatvorwurfs auf bestimmte Teilbereiche, was sich in der Bußgeldhöhe signifikanter auswirken kann als der eigentliche Settlement-Abschlag.Es gibt keine Verfahrensvorgaben für die Einleitung von Settlement-Gesprächen. Wenn das BKartA Beweismittel gesichtet und sich einen hinreichenden Informationsstand verschafft hat, können laut Merkblatt beide Seiten solche Gespräche anregen. Das Kartellamt erläutert dann den vorgeworfenen Sachverhalt, stellt einen Höchstbetrag der Geldbuße im Fall eines Settlements in Aussicht und hört die Betroffenen an. Die Bußgeldhöhe ist also von Anfang an Teil der Settlement-Gespräche, ein weiterer Unterschied zum EU-Verfahren. Das BKartA übermittelt einen Vorschlag für die Settlement-Erklärung, einschließlich einer Zusammenfassung der Ermittlungsergebnisse, und setzt den Betroffenen eine Annahmefrist. Die Settlement-Verhandlungen werden in der Akte dokumentiert. Auch wenn das Merkblatt dies nur andeutet, können Betroffene in der Praxis Änderungswünsche vortragen und durchaus über den Vorschlag verhandeln. Bei EinspruchEin Settlement beinhaltet keinen Rechtsmittelverzicht. Legt ein Betroffener trotz Settlement Einspruch ein, wird das Bundeskartellamt laut Merkblatt den Kurzbescheid aufheben und einen ausführlichen erlassen (§ 69 Absatz 2 OWiG). Damit dürfte es kaum Anreize geben, nach einem Settlement gegen den Kurzbescheid vorzugehen.Fazit: Das Merkblatt bestätigt die Eckpunkte der Praxis des BKartA, legt sich aber letztlich nur minimal fest. Dies lässt der Behörde eine hohe Flexibilität, was im Einzelfall durchaus für beide Seiten hilfreich sein kann. Weitere Ausführungen zu noch offenen Punkten wären jedoch wünschenswert gewesen, unter anderem im Hinblick auf den möglichen Settlement-Abschlag in vertikalen Verfahren, von denen mehrere anhängig sind.—-*) Silke Heinz ist Counsel im Kölner Büro von Cleary Gottlieb Steen & Hamilton.