Chemie-Auslastung sinkt auf 30-Jahres-Tief
Die deutsche Chemie- und Pharmaindustrie hat im zweiten Quartal einen empfindlichen Dämpfer erlitten. Produktion, Umsatz und Preise gingen angesichts einer schwachen Nachfrage im In- und Ausland zurück, die Auslastung der Anlagen fiel auf den niedrigsten Stand seit mehr als drei Jahrzehnten. „Das zweite Quartal war für die Chemie ein weiterer Härtetest“, erklärte VCI-Hauptgeschäftsführer Wolfgang Große Entrup am Mittwoch.
Von April bis Juni sank die Produktion gegenüber dem Vorquartal um 3,8% und lag um 3,1% unter dem Vorjahr. Der Umsatz schrumpfte binnen Jahresfrist um 2,7% auf 52,2 Mrd. Euro. Auch die Erzeugerpreise standen unter Druck: Sie gingen im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 0,2% zurück. Die Kapazitätsauslastung erreichte nur noch 71,7% – der niedrigste Wert seit 1991 – und lag damit weit unter der als rentabel geltenden Schwelle.
Es mangelt an Aufträgen
Als Grund nannte der Verband einen zunehmenden Auftragsmangel. Viele Industriekunden hätten ihre Produktion gedrosselt und sich mit Bestellungen zurückgehalten. Im Auslandsgeschäft hätten sich Vorzieheffekte zu Jahresbeginn negativ ausgewirkt. Damals waren die Ausfuhren in die USA in Erwartung von Zöllen vorübergehend hochgefahren worden.
Branchengrößen wie BASF, Covestro, Lanxess und Brenntag hatten zuletzt ihre Jahresziele nach unten korrigiert und auf die schwache Weltkonjunktur sowie Belastungen durch die US-Zollpolitik verwiesen. Der VCI hatte schon Mitte Juli die Hoffnung auf eine Erholung im laufenden Jahr begraben und vor einer fortschreitenden Deindustrialisierung gewarnt.
Trübe Prognose
Große Entrup sagte, die Unsicherheit in den Unternehmen sei riesig und lähme das Geschäft. Er forderte die Bundesregierung auf, nun entschlossen zu handeln und strukturelle Defizite am Standort Deutschland abzubauen. „Schwache Nachfrage, sinkende Umsätze und eine Produktion weit unter Vorkrisenniveau – so sieht derzeit die Realität in unserer Branche und auch in weiten Teilen der deutschen Industrie aus.“
Trotz des Rückschlags hält der VCI an seiner Prognose für das Gesamtjahr fest. Für 2025 rechnet der Verband insgesamt mit stagnierender Produktion, in der Chemie alleine wird ein Rückgang von 2% erwartet.Bei sinkenden Preisen werde der Branchenumsatz voraussichtlich um 1% auf 221 Mrd. Euro fallen. Eine Trendwende sei weder im Inlands- noch im Auslandsgeschäft in Sicht. Die Hoffnungen der Branche richteten sich nun auf das kommende Jahr.
Geschäftsklima eingetrübt
Die Daten bestätigen die Eintrübung der Stimmung in der Branche. Bereits Anfang August hatte das Münchner Ifo-Institut eine deutliche Eintrübung des Geschäftsklimas für Juli gemeldet. Die Unternehmen bewerteten ihren Auftragsbestand damals als historisch niedrig; der Wert fiel auf den tiefsten Stand seit der Finanzkrise 2009.