Liquiditätsprobleme

China Evergrande stürzt Anleger in die Panik

Liquiditätsprobleme des Immobilienriesen spitzen sich zu. Die Aktie bricht um 16% ein, bei Evergrande wird über Beteiligungsverkäufe nachgedacht.

China Evergrande stürzt Anleger in die Panik

Die seit Monaten laufende Zitterpartie rund um die Zahlungsfähigkeit des größten chinesischen Wohnimmobilienentwicklers China Evergrande Group hat sich nochmals zugespitzt. Übers Wochenende war bekannt geworden, dass ein Gericht auf Geheiß einer Gläubigerbank eine Reihe Einlagenkonten der Evergrande-Kerneinheit Hengda Real Estate einfrieren ließ. Am Montag entlud sich das neue Indiz für akute Liquiditätsprobleme der Evergrande-Gruppe in einer Panikreaktion der Anleger.

Die in Hongkong notierte Evergrande-Aktie stürzte um bis zu 20% und schloss letztlich bei 8,15 HK-Dollar mit einem Tagesverlust von gut 16% auf einem neuen Vierjahrestief. Damit haben die Titel im bisherigen Jahresverlauf bereits um 42% eingebüßt. Evergrande wird maßgeblich von ihrem Gründer und Chef, dem chinesischen Milliardär Hui Ka Yan kontrolliert, so dass der Free Float der Titel an der Hongkonger Börse relativ gering ist und die Aktie für Baissespekulationen anfällig macht.

Nervöse Gläubiger

Marktteilnehmer liefern sich hitzige Diskussionen, inwieweit die von China Guangfa Bank erwirkte Kontensperrungsmaßnahme ein Indikator für anstehende breitere Zahlungsausfälle ist. Davon unmittelbar betroffen ist eine nur relativ unbedeutende Summe von 132 Mill. Yuan (rd. 17 Mill. Euro). Evergrande betonte am Montag, dass es sich um eine Überreaktion der Gläubigerbank handele, da ein Kredit über die entsprechende Summe erst im kommenden März fällig werde. Entsprechend werde Evergrande nun mit einem Klageverfahren gegen Guangfa Bank vorgehen.

Die Evergrande-Aktie hatte sich in den letzten Wochen auf eine regelrechte Achterbahnfahrt begeben, nachdem sich Hoffnungswerte über zügige Entschuldungsfortschritte des Konzerns und neue Rücksetzer rasch abwechselten. Erst am Freitag war die Evergrande in Hongkong um knapp 10% angesprungen, nachdem die Gesellschaft den Aktionären eine Sonderdividende in Aussicht gestellt hatte, um den Aktienkurs mehr Rückendeckung zu geben. Nun aber scheinen die Anleger zu befürchten, dass Evergrande die erforderliche Genehmigung für eine Sonderausschüttung verwehrt wird. Im Frühjahr hatte Evergrande mit dem im chinesischen Raum eher selten verwendeten Instrument von Aktienrückkäufen versucht, die Stimmung zu heben.

Freundesbeistand

Vor einem Monat erst hatte die Evergrande-Aktie einen wichtigen Befreiungsschlag hingelegt, mit dem Baissespekulationen durch Shortseller (Leerverkäufer) zurückgedrängt werden konnten. So hatte Evergrande eine 30%-Beteiligung an Caixion Group, einem Projektentwickler in der Großstadt Hangzhou, an die Investmentgesellschaft Shenzhen Huajian abtreten und damit eine relativ geringe Schuldenentlastung im Ausmaß von rund 2,6 Mrd. Yuan erwirkt. Dennoch maßen die Anleger dem Deal einige Bedeutung zu, weil hinter Shenzhen Huajian der chinesische Investor und Milliardär Wang Zhongming steht. Dieser gehört zu einem engen Freundeszirkel von Evergrande-Chef Hui, der bereits in der Vergangenheit in für Evergrande kritischen Marktphasen mit Engagements bei einzelnen Evergrande-Einheiten eingesprungen war. Wang’s Gesellschaft hatte in den vergangenen Jahren bereits einige immobilienfremde Aktivitäten von Evergrande in Bereichen wie Mineralwasser, Speiseöl und Ölsaaten übernommen.

Der Beistand von externen Investoren gilt als wichtige Facette für weitere Stützungsperspektiven von Evergrande. Für Analysten stellt sich dabei die Frage, inwiefern Evergrande Bereitschaft zeigt, sich von Randaktivitäten zu trennen. Tatsächlich weist Evergrande noch einige Aktiva auf, die im Markt auf Interesse stoßen könnten. Dazu gehören Evergrandes Tourismusimmobilien, eine kürzlich separat an die Hongkonger Börse gebrachte Gebäudemanagementeinheit Evergrande Property Services, die Online-Immobilienplattform Fangchebao und im Extremfall auch der im vergangenen Jahr von Evergrande aufgezogene Elektroautobauer Evergrande NEV.

E-Autos ohne Saft

Evergrandes neuer Elektroautobauer weist – obwohl er noch keine Pkw-Modelle im Markt hat – aufgrund der allgemeinen Kursfantasie für E-Mobilitätsprojekte für sich genommen einen höheren Börsenmarktwert als die Muttergesellschaft selber auf. Zuletzt ist aber auch die Evergrande NEV durch die Verschuldungsmisere der Mutter an der Börse in Sippenhaft geraten. Am Montag brachen die Titel um 19% ein und bringen jetzt noch eine Marktkapitalisierung von umgerechnet gut 17,2 Mrd. Euro auf die Waage. Zeitweilig war der E-Autobauer an der Hongkonger Börse jedoch fast 80 Mrd. Euro wert. Evergrande selbst kommt mittlerweile nur noch auf einen Börsenmarktwert von rd. 12 Mrd. Euro.

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