Aktionärsstreit bei Pirelli

Beim Reifenriesen Pirelli fliegen die Fetzen

Der Konflikt zwischen den Pirelli-Großaktionären Sinochem (37%) und Camfin (26,7%) droht, das Unternehmen zu lähmen. Eine Lösung zeichnet sich vorerst nicht ab.

Beim Reifenriesen Pirelli fliegen die Fetzen

Beim Reifenriesen Pirelli fliegen die Fetzen

Chinesischer Großaktionär Sinochem fühlt sich unfair behandelt – Ohne Lösung des Konflikts ist US-Geschäft gefährdet

bl Mailand

Der sich verschärfende Konflikt zwischen den beiden Großaktionären Sinochem (37%) und Camfin (26,4%) droht, den italienischen Reifenhersteller Pirelli zu lähmen. Das Unternehmen gab bekannt, dass die Verhandlungen über Fragen der Governance ohne Einigung beendet worden seien. Sinochem hatte Vorschläge von Pirelli abgelehnt und die Bilanz für das erste Quartal nicht genehmigt. Sollte es nicht doch noch zu einer Lösung kommen, könnte das negative Auswirkungen vor allem auf das Geschäft in den USA haben.

Camfin, die Holding des langjährigen Unternehmenschefs und heutigen Executive Vice President Marco Tronchetti Provera, beklagt ein „unkooperatives Verhalten“ der chinesischen Sinochem, die Pirelli 2015 mit ihrer Mehrheitsübernahme „gerettet“ und dann an die Börse gebracht hatte. Camfin erklärte, ohne eine rasche Klärung sei man „gezwungen, die Auswirkungen des Verhaltens von Sinochem auf Pirelli und die bestehende Aktionärsvereinbarung zu bewerten“.

Massive Begrenzung

Die Vereinbarung sieht vor, dass der chinesische Aktionär bei strategischen Fragen und der Besetzung von Führungspositionen nur begrenzte Mitsprachemöglichkeiten hat. Doch nach Jahren einer relativ geräuschlosen Zusammenarbeit verlangte die chinesische Seite mehr Einfluss. Die Regierung in Rom intervenierte und schränkte die Befugnisse von Sinochem im Rahmen der Golden-Power-Regelung stark ein. Für strategische Entscheidungen braucht es nun eine Vier-Fünftel-Mehrheit. Auch der Zugang Sinochems zu sicherheitsrelevanten Informationen ist massiv begrenzt worden. Das Verhältnis zwischen dem unter staatlicher Kontrolle stehenden chinesischen Großaktionär und der Pirelli-Geschäftsführung sowie Camfin hat sich seither erheblich verschlechtert.

Das Thema gewann zuletzt an Dringlichkeit, weil die US-Behörden die Chinesen als weiterhin bestimmend bei Pirelli ansehen, obwohl Pirelli das bestreitet. Washington droht mit einem Ausschluss des Reifenkonzerns vom US-Markt, was für Pirelli eine Katastrophe wäre. Die USA stehen für 20% des Pirelli-Umsatzes – vor allem im oberen Preissegment, das einen besonders hohen Gewinnbeitrag leistet. Die US-Regierung fürchtet, dass die Pirelli-High-Tech-Reifen (Cyber Tyres), die sicherheitsrelevante Fahrzeugdaten an die Fahrer übermitteln, gehackt werden könnten. Washington verlangt, dass der Sinochem-Anteil so weit reduziert wird, dass er unter den Camfin-Anteil sinkt. Das lehnt Sinochem ab.

„Unfair und unangemessen“

Pirelli argumentiert, die Chinesen übten keine Kontrolle mehr aus. Doch ohne ein Entgegenkommen von Sinochem scheint eine Einigung nicht möglich. Der chinesische Aktionär hält aber die Vorschläge von Pirelli und Camfin für „potenziell schädlich, sehr unfair und unangemessen“. Mit Ausnahme von Camfin schadeten sie allen Aktionären. Das bestreitet Tronchetti Provera, der auf eine Einigung hofft, die den US-Regeln entspricht. Die Vorschläge seien im Interesse aller Beteiligten. Er hofft, „früher oder später“ eine Lösung zu finden.

Aktienkurs unter Druck

Der Konflikt wirkte sich auch auf den Aktienkurs aus. Dabei hat Pirelli in einem schwierigen Umfeld für das erste Quartal ansprechende Ergebnisse vorgelegt. Der Umsatz stieg um 3,7% auf 1,8 Mrd. Euro, die Betriebsmarge auf 15,9 (i.V. 15,5)% und der Nettogewinn um 26,7% auf 127,2 Mill. Euro. Zudem bestätigte Pirelli die Jahresziele. Der Konzern peilt einen Umsatz von 6,8 Mrd. bis 7,0 Mrd. Euro an.

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.