BYD nimmt jetzt Europa ins Visier
BYD nimmt jetzt Europa ins Visier
Der weltweit drittgrößte Autokonzern investiert massiv ins Händlernetz und in neue Modelle
Chinas größter Autoproduzent BYD will nun auch Europa erobern. Dabei setzt der weltweit größte Produzent von Elektroautos auch auf den Kleinstwagen Dolphin Surf, den der Konzern gerade in Rom vorgestellt hat. Außerdem sind ein neues Werk in Ungarn und Oberklassemodelle Teil der Strategie.
Von Gerhard Bläske, Mailand
Der chinesische Autobauer BYD setzt voll auf die Internationalisierung. Der nach eigenen Angaben mit einem Marktanteil von 21% größte Elektroautoproduzent der Welt plant in diesem Jahr die Eröffnung von drei neuen Werken in Ungarn, Kambodscha und Brasilien. Bisher ist das 1995 gegründete Unternehmen außer in China nur in Thailand und Usbekistan mit eigenen Fabriken präsent.
BYD-Executive Vizepräsidentin Stella Li sagte bei der Vorstellung des Kleinwagens (Citycar) Dolphin Surf für den europäischen Markt in Rom, die Ordersituation sei sehr gut. Zwischen Januar und April habe man allein in Deutschland fast 2.800 Autos verkauft, fast so viel wie im gesamten Jahr 2024. In Italien lägen für Mai mehr als 3.000 Bestellungen vor. Der Marktanteil dort habe weniger als ein Jahr nach dem Start 1,3% erreicht. Bis Jahresende sollen es in Europa mehr als 1.000 Händler geben. Für Deutschland wird eine Aufstockung von derzeit 29 auf 120 bis 140 angepeilt.
Den Dolphin Surf, der nur als Elektroversion angeboten wird, betrachtet Stella Li als „Türöffner“ für den europäischen Markt. Das Fahrzeug sei ein „Weltauto“, das in fast identischer Form auch in China (als Seagull) und Südamerika (als Dolphin Mini) angeboten wird. BYD wirbt mit einer im Vergleich zur Konkurrenz großen Reichweite von 322 Kilometern (combined range), sehr kurzen Ladezeiten, niedrigen Betriebskosten und günstigen Preisen für sich. Allerdings kostet die gut ausgestattete Einstiegsvariante des 3,99 Meter langen Modells, das in der Einführungsphase in Deutschland für 19.990 Euro angeboten wird, künftig 22.990 Euro – 4.000 Euro mehr als in Italien. Experten hatten einen deutlich niedrigeren Preis erwartet. Der Dolphin Surf wird in China produziert und wird mit Einfuhrzöllen von 27% belegt.
150.000 Einheiten
Die Spitzenmanager des nach Toyota und Volkswagen weltweit drittgrößten Autoherstellers zeigten sich sehr selbstbewusst, wollten aber keine genauen Verkaufsziele nennen. Sie wollten sich auch nicht zum Investitionsvolumen äußern. In früheren Verlautbarungen hat es aber geheißen, der Anteil der Verkäufe außerhalb des Heimatmarktes China solle bis 2030 auf etwa 50% steigen. 2024 wurden weniger als 10% der Autos außerhalb Chinas verkauft.
Künftig könnte der Dolphin Surf neben anderen Modellen auch im ungarischen Werk in Szeged produziert werden. Die Fertigung dort soll im vierten Quartal starten. Eine Entscheidung, ob und wann der Dolphin Surf dort gebaut wird, ist noch nicht gefallen. Die dortige „Anfangskapazität“ gibt der langjährige Fiat-Manager und „Europa-Sonderberater“ Alfredo Altavilla mit 150.000 Autos pro Jahr an. Ein neues Forschungs- und Entwicklungszentrum will BYD vermutlich 2026 in Budapest eröffnen: Dort würden neue Technologien entwickelt und Fahrzeuge designt, sagte Stella Li, die als rechte Hand von Konzernchef Wang Chuanfu gilt und für das Amerika- und Europa-Geschäft verantwortlich ist. BYD bietet mit dem jetzt vorgestellten Modell nun insgesamt zehn unterschiedliche Fahrzeuge in Europa an.
Laut Altavilla will der für seine starke vertikale Integration bekannte chinesische Autokonzern, der im vergangenen Jahr rund 4,3 Mill. Autos verkauft hat, auf einen Umsatz von 101 Mrd. Euro und einen Nettogewinn von 5,1 Mrd. Euro kam, ein europäisches Zuliefernetzwerk aufbauen.
Strategisch setzt BYD neben Elektroautos auf die selbst entwickelte DM-i-Hybridtechnologie. Das ist eine Weiterentwicklung der Plug-in-Hybridtechnologie (PHEV). Diese Fahrzeuge werden überwiegend elektrisch betrieben und kommen auf elektrische Reichweiten von mindestens 100 Kilometern und kombinierte Reichweiten von 1.000 Kilometern. Der Verbrennungsmotor schaltet sich erst zu, wenn die Batterie leer ist. Der Großteil der Fahrten erfolgt elektrisch.
Premiummarke Denza
Doch BYD greift auch die deutschen Luxusautohersteller an. Im April wurde in Mailand die Premiummarke Denza offiziell für Europa vorgestellt. Zum Start vermutlich Anfang 2026 stehen der sportliche Shooting Brake Z9GT und der siebensitzige Van D9 zur Verfügung. Beide gibt es rein elektrisch oder mit einem Plug-in-Hybridantrieb. Verantwortlich dafür zeichnet Chefdesigner Wolfgang Egger, der früher für Audi gearbeitet hat.
Stella Li wies Vorwürfe zurück, BYD, die von institutionellen und privaten Anlegern wie Konzerngründer Wang Chuanfu kontrolliert wird, profitiere einseitig von Subventionen der chinesischen Regierung. Anreize zum Kauf von Elektroautos erhielten auch ausländische Anbieter.