Automesse in Schanghai

Deutsche Autobauer können aufatmen

Die deutschen Autokonzerne schöpfen neue Kraft im sich rasch erholenden chinesischen Automarkt. VW und Daimler versprühen bei der Automesse in Schanghai Zuversicht. Das weltgrößte Pkw-Absatzterritorium präsentiert nach einer dreijährigen Flaute nun wieder reichlich Wachstumsspielraum.

Deutsche Autobauer können aufatmen

nh Schanghai

Für die leidgeprüften globalen Autokonzerne ist die am Montag angelaufene Internationale Automesse in Schanghai eine besonders dankbare Gelegenheit, wieder Tuchfühlung mit der Normalität aufzunehmen. Erstmals seit dem Ausbruch der Coronavirus-Pandemie können sich die Hersteller wieder in eine internationale Automesse von Format stürzen, um auf die stark vermisste direkte Tuchfühlung mit einer neugierigen Kundschaft zu gehen, die bereit ist, das Portemonnaie wieder zu öffnen.

Dank einer zügigen Überwindung der Corona-Pandemie und einer mittlerweile imposanten Erholung der chinesischen Wirtschaft, stehen Konjunkturfaktoren nicht mehr an erster Stelle auf dem Sorgenzettel der Branchenplayer. Freilich ist der chinesische Automarkt nach den Jubeljahren zur Mitte der vergangenen Dekade ein diffizileres Absatzterritorium für die globalen Autokonzerne geworden.

Zwischen 2017 und 2020 ist der gesamte Pkw-Absatz über drei Jahre hinweg kontinuierlich geschrumpft. Das jährliche Neuzulassungsvolumen für Pkw reduzierte sich dabei um gut 18% von 24,2 auf 19,8 Millionen Fahrzeuge, wobei nicht zuletzt die kontinuierlich verschärften handels- und industriepolitischen Spannungen zwischen China und den USA deutlich auf die chinesische Konsumentenpsyche abfärbten und zur Zurückhaltung vor größeren An­schaffungen beim breiten Publikum führte.

Nun hat sich das Blatt wieder gewendet. Laut der Prognose des deutschen Verbands der Automobilindustrie (VDA) dürfte der diesjährige Pkw-Absatz in China um 8% ansteigen und damit wieder an das Vorkrisenjahr 2019 anknüpfen (siehe Grafik). Erstmals bekommt die Branche im mittlerweile weltgrößten Absatzterritorium wieder Rückenwind. Das ist kein Anlass, in Jubel auszubrechen, aber ein Grund zum Aufatmen, dass der Absatztrend wieder nach oben durchbrochen werden konnte. Von den jüngsten Erfolgsmeldungen zum China-Geschäft muss man sich freilich nicht blenden lassen: Mit fünf Millionen abgesetzten Neufahrzeugen stiegen die Pkw-Verkäufe in China im ersten Quartal um 76% an. Das reflektiert freilich keine neu aufgekommene Boomstimmung, sondern einen gewaltigen statistischen Basiseffekt, nachdem China im ersten Quartal ganz im Würgegriff der Corona-Pandemie stand und Lockdown-Maßnahmen den Gang zum Auto-Showroom völlig unterbanden.

VW reitet auf der Welle

Für den Volkswagenkonzern, der seit Jahren mit Marktanteilen zwischen 19 und 21% die Marktführerschaft in China zu verteidigen weiß, ist die Rückkehr zur Normalität von besonderem Charme. Wie der Chef der VW Group China, Stephan Wöllenstein gegenüber der Presse in Schanghai betonte, gibt es ermutigende Anzeichen für einen nachhaltigen Aufschwung im chinesischen Markt, der auch in den kommenden Jahren anhalten dürfte. Der Blick auf das erste Quartal zeigt einen massiven Anstieg um 65% gegenüber der Vorjahresperiode, der in erster Linie den Corona-Besonderheiten geschuldet ist. Aber man liegt auch gegenüber dem ersten Quartal 2019 um immerhin 4% im Plus, was als verlässlicheres Zeichen dafür gilt, dass sich die Dinge in die richtige Richtung bewegen.

Angesichts einer deutlich aus­gebauten Modellpalette und einem wuchtigeren Auftritt im nach wie vor bestimmenden SUV-Segment geht Volkswagen davon aus, von der Markterholung voll profitieren zu können. Entsprechend rechnet ­Wöllenstein auch für das laufende Jahr mit einem Anstieg des Fahrzeugabsatzes in einem hohen einstelligen Bereich. Dies steht freilich unter dem Vorbehalt, dass sich die globalen Bezugsengpässe für Mikrochips, die gerade auch in der Autoindustrie bereits für einige Produktionsverwerfungen gesorgt haben, nicht weiter verschärfen und den Absatzerfolg produktionsseitig kompromittieren.

Volkswagen steht unter besonderer Beobachtung, was die Fähigkeit der globalen Autobauer angeht, im stark aufgeheizten Wettbewerb um die Entwicklung von Batteriefahrzeugen für den chinesischen Markt mitzuhalten. Auf der Messe in Schanghai wird nun die rein für den chinesischen Markt entwickelte SUV-Modellserie ID6 lanciert. Damit will auch VW das Territorium im Marktsegment für gehobene Elektrofahrzeuge markieren, das bislang eindeutig von der mittlerweile auch in China produzierenden Tesla und einer Handvoll aufstrebender chinesischer Start-up-Unternehmen dominiert wird. Der Nachholbedarf ist offensichtlich. Gegenwärtig kommt VW im chinesischen E-Autogeschäft auf einen niedrigen einstelligen Marktanteil.

VW-Manager Wöllenstein zeigt sich aber zuversichtlich, mit einer rasch ausgebauten E-Fahrzeugflotte schnelle Fortschritte machen zu können. Bereits in diesem Jahr könne der Marktanteil im E-Autobereich auf etwa 10% gesteigert werden. Der VW-China-Chef verbindet dies auch mit einer diskreten Kampfansage an Tesla. Es werde vielleicht noch zwei bis drei Jahren dauern, dann aber könne man beim E-Autoabsatz auch Tesla im chinesischen Markt hinter sich lassen.

Beim Konkurrenten Mercedes-Benz zeigt man sich ähnlich zuversichtlich, mit jetzt anlaufenden und in China produzierten Premium-E-Fahrzeugen punkten zu können. Bis Ende des Jahres will man insgesamt vier vollelektrische Modelle der Mercedes-EQ-Serie im chinesischen Markt anbieten, von denen drei lokal im Joint-Venture-Betrieb produziert werden.

„China ist nicht nur die wichtigste Absatzregion für uns, sondern auch der weltweit führende Markt für Elektroautos“, betonte China-Chef und Vorstandsmitglied der Daimler AG, Hubertus Trokska am Montag. Nachdem Mercedes bereits im ­vergangenen Jahr mit einer Absatzsteigerung um 11,7% glänzen konnte, ist man für das laufende Jahr besonders optimistisch – zumal auch das Premiumsegment in 2021 schneller als der Gesamtmarkt wachsen dürfte.