Im InterviewDavid Reger, Neura Robotics

„Deutschland sollte humanoide Robotik sehr ernst nehmen“

Humanoide Roboter – die „Königsdisziplin der Robotik“ – haben zuletzt viel Interesse von Investoren auf sich gezogen. Mit seinem Know-how sollte Deutschland alles daransetzen, in dem Feld „ganz vorn mitzumischen“, sagt David Reger von Neura Robotics. Für den geplanten IPO werde man aber gerade in den USA umworben.

„Deutschland sollte humanoide Robotik sehr ernst nehmen“

Im Interview: David Reger

„Deutschland sollte humanoide Robotik ernst nehmen“

Der Neura-Robotics-CEO über die Bedeutung menschenähnlicher Maschinen für den Standort Deutschland und das Werben US-amerikanischer Börsenbetreiber

Humanoide Roboter – die „Königsdisziplin der Robotik“ – haben zuletzt viel Interesse von Investoren auf sich gezogen. Mit seinem Know-how sollte Deutschland alles daransetzen, in dem Feld „ganz vorn mitzumischen“, sagt David Reger von Neura Robotics. Für den geplanten IPO werde man aber gerade in den USA umworben.

Herr Reger, die technologischen Fortschritte bei generativer KI haben unter Investoren zuletzt einen Hype um humanoide Roboter entfacht. In den ersten vier Monaten des laufenden Jahres hat das weltweite Finanzierungsvolumen in dem Bereich laut CB Insights ein Rekordlevel auf Jahressicht erreicht. Wann werden Humanoide so richtig zum Einsatz kommen?

Das wird schneller gehen, als viele sich derzeit vorstellen können. Aber im Kern geht es ja beim Thema humanoide Robotik nicht darum, ob die Fortbewegung auf zwei Beinen funktioniert, sondern es geht darum, wie gut der Roboter seine Umgebung wahrnimmt, wie sicher er an der Seite des Menschen agiert und welche Aufgaben seine Arme und Hände letztlich möglichst selbständig ausführen können. Genau da muss derzeit der Fokus liegen, weil der Bedarf in der produzierenden Industrie riesengroß ist. Die vielen Videos von Robotern auf zwei Beinen, die man im Internet heute findet, sollen helfen, Geld von Investoren zu bekommen. Der Industrie nützen sie für ihren heutigen Bedarf nichts.

Neura Robotics hat von ihrem Exemplar, dem 4NE-1, auch ein schickes Video auf der Website.

Ja, wir haben unseren Humanoiden im Oktober 2022 vorgestellt – sogar einen Tag bevor Elon Musk seinen Optimus präsentiert hat. Im Endeffekt ging es darum zu demonstrieren, dass wir die Technologien beherrschen und einen humanoiden Roboter entwickeln. In Deutschland sind wir da bislang der einzige kommerzielle Roboterhersteller. Wir haben aber eben auch die Produkte, also kognitive, intelligente Roboter, die man heute schon kaufen und einsetzen kann. Denn ein paar Herausforderungen gilt es noch zu lösen bei humanoiden Robotern. Sonst gäbe es sie bereits überall zu kaufen.

Was sind das für Herausforderungen?

Einmal geht es um die Datenverarbeitung. Der menschliche Körper empfängt über seine Sinnesorgane unendlich viele Daten gleichzeitig, verarbeitet sie direkt und steuert damit seine Aktorik, also zum Beispiel seine Muskeln. Das in einem Roboter nachzubilden ist sehr schwierig. Bei Neura arbeiten wir gerade daran, das Problem im Kern anzugehen – etwa indem wir neuromorphe Chips verwenden, die deutlich mehr Rechenleistung haben als andere Chips. Ein anderes Problem wäre, die Fähigkeiten des Menschen in Bezug auf Dynamik und Robustheit bei gleichzeitig herausragender Feinmotorik zu erreichen.

Was meinen Sie damit?

Stellen Sie sich mal vor so einen humanoiden Roboter von Tesla und schubsen den kräftig. Oder schubsen Sie von mir aus unseren 4NE-1. Der Roboter wird zwar irgendwie versuchen, nicht hinzufallen. Letztendlich wird das Ding aber umfallen, sich irgendwo abstützen, und irgendetwas wird kaputtgehen. Die verfügbaren Komponenten der Automationstechnik waren nie dafür gedacht, geschubst zu werden und einen Sturz zu überstehen. Ich bin trotzdem davon überzeugt, dass es viel schneller gehen wird, als alle denken, bis wir humanoide Roboter im Straßenbild haben werden. Gerade in Deutschland sollten wir diese Entwicklung sehr ernst nehmen und alles daransetzen, als Wirtschaftsstandort bei der humanoiden Robotik ganz vorn mitzumischen. Denn Roboter bestehen ja nicht nur aus künstlicher Intelligenz, sondern wesentlich aus komplexer Mechanik und Sensorik – und darin sind wir traditionell führend.

Neura Robotics brüstet sich damit, Pionier im Bereich der kognitiven Robotik zu sein. Worum geht es dabei?

Wir reden ständig davon, dass es einen Arbeits- und Fachkräftemangel gibt. Viele Experten rufen dann nach mehr Automatisierung und mehr Robotern. Klassische Roboter und auch Cobots sind aber in der Praxis keine Fachkräfte. Es sind einfach Maschinen, die Prozesse wiederholen, die aber nicht auf unvorhersehbare, äußere Einflüsse reagieren können. Wir haben zum Beispiel mit MAiRA den ersten und bisher einzigen kognitiven Roboterarm gebaut, der hören, sehen, fühlen und mithilfe von künstlicher Intelligenz mit seiner Umgebung autonom interagieren kann. Gerade in der Industrie – aber auch in der Haushaltsrobotik – wird das ganz neue Möglichkeiten mit sich bringen. Beispielsweise haben wir Lösungen für Schweißanwendungen entwickelt, bei denen – vereinfacht ausgedrückt – der Roboterarm auf das Bauteil blickt und von selbst erkennt, wie und wo man es schweißt.

Gibt es hierfür schon eine Nachfrage?

Ja, wir verkaufen diese Produkte bereits und unser Umsatz wächst stetig. Insgesamt haben wir heute schon über 1 Mrd. Euro in den Auftragsbüchern stehen.

Das ist nicht gerade wenig dafür, dass Sie erst 2019 gegründet haben.

Dieser Erfolg ist auf unsere Partner-Strategie zurückzuführen. Wir teilen unsere Technologieplattform mit gut etablierten Marktführern, die eigene Produkte daraus machen und in die Märkte bringen. Dadurch mussten wir nicht Jahrzehnte investieren, um ein eigenes Vertriebs- und Servicenetzwerk aufzubauen, sondern konnten direkt vorhandene Kanäle nutzen. Wir arbeiten auf diesem Wege weltweit mit gut zehn Partnern zusammen.

Roboter bestehen ja nicht nur aus künstlicher Intelligenz, sondern wesentlich aus komplexer Mechanik und Sensorik – und darin sind wir traditionell führend

David Reger, CEO Neura Robotics

Um einen solchen Berg an Aufträgen abarbeiten zu können, braucht man auch erstmal Geld. Wie sind Sie in finanzieller Hinsicht aufgestellt?

Wir sind finanziell in einer sehr guten Verfassung, weil wir genügend Cash auf der Bank haben. Wir haben im vergangenen Jahr über 100 Mill. Euro von namhaften Investoren eingesammelt. Und die bedeutendsten Investoren der Welt wollen weiterhin gern bei uns einsteigen.

Und wer kommt dabei zum Zug?

Wir schauen bei der Auswahl vor allem darauf, wer uns strategischen Mehrwert bietet. Damit meine ich zum Beispiel Ressourcen, die den Ausbau unserer Technologieplattform beschleunigen, oder Strukturen, die unser partnerschaftliches Vertriebsnetzwerk stärken. Natürlich geht es auch darum, dass Kerntechnologien weiterhin aus Deutschland kommen sollen.

Neura will perspektivisch auch an die Börse. Soll das dann auch in Deutschland erfolgen?

Aktuell buhlen die amerikanischen Börsen um uns. Als wir unsere Investitionsrunde abgeschlossen haben, gratulierte uns die New York Stock Exchange auf großen Bildschirmen und bot uns anschließend Unterstützung an, falls wir dort an die Börse gehen möchten. Die Amerikaner wissen einfach, dass es Sinn macht, innovative neue Unternehmen zu sich zu ziehen. Sagen wir es mal so: Die Frankfurter Börse hat noch nicht angerufen.

Das Interview führte Karolin Rothbart.


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