EnBW reichen 11 Seiten Text für 3,1 Mrd. Euro Kapital
EnBW hat gerade mit 3,1 Mrd. Euro die bis dato in diesem Jahr größte Kapitalspritze in ganz Europa erhalten. Der Energiekonzern hat die Transaktion als Bezugsrechtskapitalerhöhung mit Angebot an alle bestehenden Aktionäre organisiert. Die Teilnahmequote lag bei 98,9%. Neben den beiden Hauptaktionären haben alle drei kommunalen Verbände ganz oder zumindest teilweise teilgenommen, ebenso die Kleinaktionäre. EnBW gehört zu jeweils rund 47% dem Land Baden-Württemberg und dem Zweckverband Oberschwäbische Elektrizitätswerke (OEW).
Im Gespräch: Thomas Kusterer
EnBW reichen 11 Seiten Text für 3,1 Mrd. Euro Kapital
Finanzvorstand: Löwenanteil der Mittel fließt in die Übertragungs- und Verteilnetze – Stabiler rechtlicher Rahmen für neue Gaskraftwerke fehlt noch
Von Christoph Ruhkamp, Frankfurt
„Die Absicherung der Emission über bindende Festbezugserklärungen der beiden Hauptaktionäre war essenziell und brachte große Vorteile“, sagt der stellvertretende Vorstandschef und Finanzvorstand Thomas Kusterer im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. „Das Land und die OEW haben vor Beginn der Bezugsperiode verbindlich zugesagt, ihre Bezugsrechte vollumfänglich auszuüben und sich mit jeweils 1,5 Mrd. Euro an der Kapitalerhöhung zu beteiligen.“
Die Festbezugserklärungen der beiden Hauptanteilseigner hätten das Marktrisiko und das Platzierungsrisiko deutlich reduziert und damit die Transaktion erheblich abgesichert. Nicht zuletzt dadurch wurden die Transaktionskosten deutlich reduziert auf etwa 0,1% des Emissionserlöses. Das entspricht einem Betrag von 3 Mio. Euro und war damit deutlich günstiger als eine prospektpflichtige Transaktion.
Elfseiter statt Riesenprospekt
„Es war die erste Transaktion in Deutschland nach dem neuen EU-Listing-Act, und wir mussten an Stelle eines einige hundert Seiten starken Wertpapierprospektes lediglich ein elfseitiges ‚prospektersetzendes Dokument‘ bei der Finanzaufsicht Bafin einreichen“, beschreibt Kusterer die Vorteile der Vereinfachung „Das macht es auch für die Investoren leichter. Der sogenannte ‚Elfseiter‘ ist deutlich übersichtlicher und klarer, weil man die wesentlichen Informationen und Risikofaktoren auf wenigen Seiten komprimiert darstellen kann.“
Massive Investitionen
Die Festbezugserklärung habe das große Vertrauen der Hauptgesellschafter in die langfristige Unternehmensstrategie und in die Aufstellung der EnBW als einziges großes integriertes Energieunternehmen in Deutschland auf allen Wertschöpfungsstufen von der Erzeugung über den Handel bis hin zum Netzbetrieb und dem Vertrieb von Strom, Gas und Wärme gezeigt. Als Berater waren DZ Bank und Citigroup sowie die Anwaltskanzleien CMS für EnBW und Willkie für die Banken mit von der Partie bei der neuen Form der Dokumentation.
EnBW plant zwischen 2024 und 2030 Bruttoinvestitionen von bis zu 50 Mrd. Euro in den Umbau des Energiesystems. Allein von 2025 bis 2027 sollen fast 26 Mrd. Euro fließen – hauptsächlich in den Ausbau der Übertragungs- und Verteilnetze, den Neubau von Wind- und Solaranlagen, in wasserstofffähige Gaskraftwerke sowie das geplante Wasserstoffkernnetz und den weiteren Ausbau der Elektromobilität.
„Rund 60% gehen in den Ausbau der Übertragungs- und Verteilnetze und rund 30% in den Bau von Windparks und Solarparks sowie von wasserstofffähigen Kraftwerken“, skizziert Kusterer. „Wir werden für Investitionen und zur Refinanzierung bestehender Verbindlichkeiten auch weiterhin jedes Jahr rund 2,5 bis 3 Mrd. Euro an langfristiger Finanzierung aufnehmen und können hierfür auf unsere breit diversifizierten Finanzierungsquellen in unterschiedlichen Märkten und Währungen zurückgreifen.“ Die Kapitalerhöhung habe auch das Ziel, das im Quervergleich mit Wettbewerbern sehr gute Credit-Rating der EnBW stabil zu halten.
Drei neue Gaskraftwerke
EnBW baut bereits drei wasserstofffähige Gaskraftwerke in Stuttgart-Münster, Altbach/Deizisau und Heilbronn, von denen das erste kürzlich in Betrieb gegangen ist. „Der Markt braucht dringend weitere regelbare Kraftwerksleistung, die einspringt, wenn die Erneuerbaren – mangels Sonne oder Wind – nicht genügend Strom produzieren können. Hier soll das Kraftwerkssicherheitsgesetz einen entsprechenden Anreizrahmen schaffen. Die neue Bundesregierung will über eine Auktion Kraftwerksleistung ausschreiben“, sagt Kusterer. „Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche hat kürzlich angekündigt, dass bis 2030 neue Gaskraftwerke mit einer Gesamtkapazität von 20 Gigawatt gebaut werden sollen.“
Darüber hinaus soll auch ein Kapazitätsmarkt geschaffen werden, der die Bereitstellung solcher Kapazitäten vergütet, wie es ihn bereits in anderen europäischen Staaten gibt. Kusterer weist darauf hin, dass für eine erfolgreiche Umsetzung ein stabiler und verlässlicher rechtlicher Rahmen schnell und pragmatisch umgesetzt werden sollte.
Wasserstoff wird importiert
Auch an der Beschaffung der künftig benötigten Wasserstoffmengen arbeitet die EnBW und setzt auf Diversifikation ihrer Lieferantenbeziehungen. „Wir erwarten, dass rund 80% des zukünftig benötigten Wasserstoffs importiert werden muss“, sagt Kusterer. Der Transport erfolge häufig in Form von Ammoniak und man setze u.a. auf Lieferungen aus den USA, dem Mittleren Osten und Norwegen. „Wir investieren darüber hinaus auch 1 Mrd. Euro in den Aufbau des Wasserstoffkernnetzes.“
Energiewende geht billiger
Nach einer von EnBW bei der Denkfabrik Aurora in Auftrag gegebenen Studie verursacht das gesamte Stromsystem bis 2045 Gesamtkosten von 3,4 Bill. Euro. Das bedeutet einen gewaltigen Betrag, der zu weiteren Standortnachteilen und damit zu Akzeptanzproblemen für den Umbau des Energiesystems führen dürfte. Nach Einschätzung der Studie könnte die Summe über verschiedene Hebel aber deutlich gesenkt werden. „Man könnte bis zu 700 Mrd. Euro oder 20% einsparen“, rechnet der Finanzvorstand vor. „Nötig wäre eine Kombination aus Effizienzmaßnahmen und einem bedarfsgerechten Ausbau von Erzeugungskapazitäten und Netzinfrastruktur.”
EnBW plant nach der großen Kapitalerhöhung Milliardeninvestitionen – vor allem in die Übertragungs- und Verteilnetze. Finanzvorstand Thomas Kusterer dringt auf rasche Ausschreibungen der Bundesregierung für neue wasserstofffähige Gaskraftwerke. Es müsse ein stabiler rechtlicher Rahmen geschaffen werden.