IMMOBILIENMÄRKTE IM AUSNAHMEZUSTAND

Ende der Mergermanie

Immobilienkonzerne entdecken organisches Wachstum - Bewertungsgewinne, Hypothek auf die Zukunft - Erwartete Zinswende lässt Luft aus den Börsenwerten

Ende der Mergermanie

Hohe Bewertungen am deutschen Markt für Wohnimmobilien haben die Mergermanie zum Erliegen gebracht. Plötzlich ist organisches Wachstum wieder en vogue.Von Annette Becker, DüsseldorfVor einem Jahr schien das Konsolidierungsendspiel unter den deutschen börsennotierten Wohnimmobilienkonzernen zu laufen. Branchenprimus Vonovia hatte den Zusammenschluss der Deutsche Wohnen mit der auf Nordrhein-Westfalen spezialisierten LEG Immobilien vereitelt und schickte sich nun selbst an, die Nummer 2 der Branche zu schlucken.Die Rechnung wurde jedoch ohne die Investoren gemacht. Diese waren der Fusionitis überdrüssig geworden und befürchteten speziell bei Deutsche Wohnen den Abschied von dem auf Berlin konzentrierten Portfolio, nur deshalb hatte Vonovia schließlich Erfolg mit ihrem Störmanöver. Bekanntermaßen erlitt Vonovia jedoch Schiffbruch mit der feindlichen Offerte. Nur gut 30 % der Wohnen-Investoren lieferten ihre Aktien bis 10. Februar 2016 in das Angebot ein. Die Mindestannahmeschwelle lag jedoch bei 50 %.Damit schien das Fusionskarussell, das 2014 und 2015 richtig Fahrt aufgenommen hatte, gestoppt. Allen Unkenrufen zum Trotz bleiben Analysten jedoch bei der Einschätzung, dass M & A auch künftig der entscheidende Impulsgeber im Wohnimmobiliensektor bleiben wird. Über kurz oder lang, so die Prophezeiung, werden Vonovia und Deutsche Wohnen doch noch zueinanderfinden. Auch Rolf Buch, Vorstandschef des Dax-Werts, scheint die Hoffnung noch nicht ganz aufgegeben zu haben, wie er kürzlich erst in einem Interview durchblicken ließ.Ein Anfang ist zumindest gemacht, hält Vonovia doch ein knapp 5-prozentiges Aktienpaket an Deutsche Wohnen – sozusagen ein Überbleibsel des gescheiterten Übernahmeversuchs. Einen neuen Anlauf werde Vonovia jedoch nur unternehmen, wenn man sich zuvor mit dem Management des Zielunternehmens geeinigt habe, beteuert Buch.Wie man das anstellt, hatte Vonovia erst im Herbst 2016 gezeigt. Übers Wochenende hatten sich Buch und seine Vorstandskollegen mit der österreichischen Conwert auf die Übernahme verständigt und diesmal war der Vorstoß von Erfolg gekrönt. Am 19. Dezember meldete der Branchenprimus das Erreichen der Mindestannahmeschwelle.Schützenhilfe bekamen die Bochumer von Adler Real Estate, die ihr Conwert-Aktienpaket von gut 26 % an Vonovia weiterreichte. Der ursprüngliche Plan von Adler, Conwert durch die Hintertür – will heißen über die Neubesetzung des Verwaltungsrats – unter die eigene Kontrolle zu bringen, war zuvor gescheitert. Ein Jahr davor hatte bereits Deutsche Wohnen bei Conwert auf Granit gebissen. Pfeifen im WaldeAngesichts der gestiegenen Bewertungen für Wohnimmobilien wird es für die etablierten Konzerne jedoch immer schwieriger, wirtschaftlich sinnvolle Akquisitionen zu tätigen. Nicht von ungefähr haben die Top 3 der Branche erklärt, den Fokus nun vorerst auf organisches Wachstum zu lenken. Es klingt ein wenig wie das Pfeifen im Walde, wenn Wohnen-Chef Michael Zahn sagt: “Wir sind jetzt in einer Phase, wo M & A an Bedeutung verliert.” Stattdessen verlegt man sich erst einmal aufs Heben des im Bestand schlummernden Wertpotenzials.Ob Vonovia, Deutsche Wohnen oder LEG – allesamt weiteten sie zuletzt ihre Investitionsbudgets aus. Während Vonovia neben der energetischen Sanierung vornehmlich auf Neubauten setzen will, beginnt Deutsche Wohnen das Geschäftsmodell stärker in Richtung Pflegemarkt zu verschieben. Zuletzt wurden 28 Pflegeheime in Westdeutschland erworben. Und auch LEG, mit knapp 130 000 Wohneinheiten die Nummer 3 auf dem deutschen Markt, räumte zuletzt ein, bei Zukäufen künftig nur noch Opportunitäten zu verfolgen, die das Potenzial für eine nachhaltige Steigerung des Unternehmenswertes böten. IntegrationDie schwindenden Möglichkeiten am M & A-Markt werden sich auf kurze Sicht noch nicht in den Wachstumsraten der börsennotierten Konzerne niederschlagen, müssen die akquirierten Bestände doch vollständig integriert werden. Zudem profitieren alle Unternehmen von den rasant gestiegenen Immobilienpreisen, die satte Buchgewinne bescheren. So kalkuliert Deutsche Wohnen für 2016 mit Bewertungsgewinnen von 2,2 Mrd. Euro – im ersten Halbjahr wurden bereits 700 Mill. Euro gehoben. Bei LEG sind es bis zu 520 Mill. Euro. Vonovia taxiert die Wertsteigerung sogar auf bis zu 2,5 Mrd. Euro. Umgekehrt ist aber auch klar: Ohne Großakquisitionen gehören die zweistelligen Zuwachsraten in operativen Kennziffern wie dem Mittelzufluss aus dem operativen Geschäft (FFO, Funds from Operations) der Vergangenheit an. ZinsängsteErschwerend kommt die sich in den USA abzeichnende Zinswende hinzu. Denn selbst wenn die Zentralbankzinsen in Europa aufgrund der konjunkturellen Schwäche noch längere Zeit im Keller bleiben, haben auch hierzulande die Zinsen am langen Ende wieder angezogen.Was das für die Bewertung der Wohnimmobilienkonzerne an der Börse bedeutet, dafür lieferte das vergangene Jahr Anschauungsmaterial: Getrieben von der klaffenden Angebotslücke und nicht zuletzt von Brexit-Ängsten erklommen die Aktien der deutschen Wohnimmobilienkonzerne im Sommer neue Höchststände. Das Treffen der weltweit wichtigsten Notenbanker in Jackson Hole bereitete dem Höhenflug der Wohnimmobilienaktien im September jedoch ein jähes Ende.Am stärksten traf es LEG, die seither 20 % an Wert einbüßte. Nicht wesentlich glimpflicher fiel der Kursrutsch bei Vonovia (-17 %) und Deutsche Wohnen (-14,5 %) aus. Die Botschaft, die in der Kursentwicklung zum Ausdruck kommt, ist klar: Sollten sich die Anzeichen für die Zinswende verfestigen, wird weiter Luft aus den Börsenbewertungen gelassen.Ob sich diese Korrektur am Ende auch auf den Nettovermögenswert des Bestands ausweitet, hängt dagegen von der Preisentwicklung für Wohnimmobilien ab.