Börsengänge

EY erwartet ein Dutzend deutscher IPOs für 2024

Der Rückstau, der sich bei Börsengängen gebildet hat, dürfte sich 2024 zum Teil auflösen. EY erwartet allein in Deutschland bis zu ein Dutzend Debüts. Aber etliche europäische Unternehmen werden auch wieder mit ihrem Listing in die USA abwandern.

EY erwartet ein Dutzend deutscher IPOs für 2024

EY erwartet ein Dutzend deutscher IPOs für 2024

Nach zwei Jahren Flaute wächst der Optimismus für das nächste Jahr – Europäische Firmen wandern für ein Listing teilweise nach New York ab

Von Christoph Ruhkamp, Frankfurt

Die Unternehmensberatung EY erwartet 2024 zehn bis zwölf Börsengänge deutscher Unternehmen. "Über die Jahre hat sich ein Rückstau bei den IPOs aufgebaut", begründet Martin Steinbach, Partner bei EY und Head of IPO and Listing Services, den Optimismus. "Die Zinsen und die Konjunktur sind die wichtigsten Faktoren im Umfeld, die stimmen müssen. Aber die Kursrally der vergangenen Wochen und die niedrige Volatilität, die der VDax anzeigt, stimmen auf jeden Fall positiv. Es ist keine Frage, ob der IPO-Markt wieder anspringt, sondern wann."

Im zu Ende gehenden Jahr waren vier Börsengänge deutscher Unternehmen unter den Top 10 in Europa, darunter Birkenstock mit ihrem US-Listing als bisher größtes deutsches Cross-Border-IPO und als einer der zehn global größten Börsengänge des Jahres. Weltweit ist die Zahl der IPOs um 8% gesunken, und das Volumen ist um ein Drittel geschrumpft.

Gemeinhin wird mit den ersten Intentions to Float im Jahr 2024 erst für das zweite Quartal gerechnet. Als deutsche Kandidaten für einen Börsengang werden im Markt unter anderem die Parfümeriekette Douglas aus dem Portfolio des Finanzinvestors CVC sowie der Fernbusbetreiber Flix, der dem US-Investor General Atlantic gehört, und das wertvollste deutsche Start-up Celonis genannt.

Nach der Statistik von EY gab es 2023 insgesamt acht deutsche Unternehmen, die Neuzugänge für die Börse waren. Von den fünf herkömmlichen IPOs fanden mit Schott Pharma, Thyssenkrupp Nucera, Ionos und Neon Equity vier in Deutschland statt. Birkenstock dagegen wanderte mit dem Listing nach New York ab. Daneben gab es zwei Börsengänge per Fusion mit einem Spac (Special Purpose Acquisition Company) – nämlich den an die Nasdaq abgewanderten Elektroautohersteller Next.e.GO und den Kochboxenversender Marley Spoon. Zudem wurde der Spac SMG Technology Acceleration in Frankfurt neu emittiert.

Deutschland vorne dabei

Damit hat sich Deutschland innerhalb Europas gut geschlagen. Auch europaweit hat die Zahl der IPOs ebenso wie in den USA wieder zugenommen. "Das alles hat aber nicht gereicht, um die Anzahl der Delistings wieder wettzumachen", konstatiert EY-Partner Steinbach. Für das Verschwinden vom Kurszettel gibt es drei Gründe: zum einen die Übernahme gelisteter Unternehmen durch Wettbewerber oder die Übernahme durch Finanzinvestoren, die die Firma als von der Börse unterbewertet einschätzen. Zum anderen der Rückzug von der Börse, weil ein Unternehmen die Notierung mit Kapitalerhöhungen oder Anleiheemissionen nicht braucht und deshalb die Kosten des Listings einsparen will.

Hinzu kommt die Abwanderung von deutschen und europäischen Unternehmen an andere Börsenplätze. Rund 7% aller Listings sind Cross-Border-Börsengänge. Europa hatte in dieser Hinsicht 2023 erneut einen Aderlass zu verkraften. Im Oktober debütierte die Traditionsfirma Birkenstock mit einer Marktkapitalisierung von 8,6 Mrd. Dollar in New York. Weitere Beispiele für Auswanderer beim Listing waren die Schweizer Schuhfirma On Running, die schwedische Hafermilchmarke Oatly und der britische Chipdesigner Arm. Der irische Baustoffhersteller CRH verlegte sein Hauptlisting in die USA. Börsenpläne für New York werden nun auch der deutschen Softwareschmiede Celonis nachgesagt.

"Es gibt verschiedene Faktoren für die Wahl eines Börsenplatzes", sagt Steinbach. "Da sind strategische Erwägungen, zum Beispiel, wenn ein Biotech-Unternehmen die Zulassung für Medikamente in den USA bekommen will und dort den wichtigsten Markt sieht. Bewertungsdifferenzen gibt es dagegen kaum noch – mit Ausnahme der Biotechnologie. Absoluten Vorrang hat indes die Präferenz des Haupteigentümers, der vielleicht die Aktie in seiner Zeitzone gehandelt wissen will. Schließlich spielen auch die Kosten an den verschiedenen Börsen eine Rolle. Alle diese Faktoren werden bei der Entscheidung abgewogen." Kein Argument gegen Frankfurt sei jedenfalls die Liquidität: Die "Turnover Velocity" – also das Handelsvolumen einer Aktie im Verhältnis zur Marktkapitalisierung – sei in Deutschland im internationalen Vergleich sehr gut.

83 europäische IPOs

Im Jahr 2023 sind 83 Unternehmen an den europäischen Börsen neu gelistet worden, und die Unternehmen haben beim Börsengang insgesamt 9,2 Mrd. Dollar eingesammelt – rund 35% mehr als im Vorjahr. Doch die steigenden Zinsen und das schwache makroökonomische Umfeld haben viele europäische Unternehmen dazu gezwungen, ihr Debüt auf Eis zu legen. Der Panzergetriebehersteller Renk aus dem Portfolio der Private-Equity-Firma Triton und die französische Softwarefirma Planisware sagten ihre Börsengänge in letzter Minute ab. Die Privatbank OLB und der Tankkartenanbieter DKV Mobility wagten gar nicht erst die Intention to Float.

Im Kontrast dazu ist das IPO-Emissionsvolumen in den USA 2023 um 157% auf 20,3 Mrd. Dollar hochgesprungen. Mit der Bäckereikette Panera aus der JAB Holding der deutschen Milliardärsfamilie Reimann erhöht sich erneut die wachsende Zahl der Kandidaten für ein IPO in den USA. Ebenfalls vertraulich ein Listing angemeldet hat HPS Investment Partners, ein aus der Bank J.P. Morgan ausgegliederter Private-Credit-Anbieter. Auch dem Finanzinvestor General Atlantic werden US-Börsenpläne nachgesagt. Das Gleiche gilt für das von Microsoft finanzierte Cloud-Start-up Rubrik, Kim Kardashians Unterwäschemarke Skims und das Social-Media-Unternehmen Reddit.

Nach nur drei größeren Börsengängen in Frankfurt im Jahr 2023 gibt es vorsichtigen Optimismus für das nächste Jahr. Zehn bis zwölf Neuemissionen deutscher Unternehmen seien 2024 möglich, meint die Unternehmensberatung EY. Es hat sich ein Rückstau an IPOs gebildet, der sich teilweise auflösen dürfte.

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