Abschwung

Fast ein Zehntel weniger Aufträge am Bau

In der lange Zeit florierenden Branche hat sich die Auftragslage vergangenes Jahr durch die wirtschaftliche Unsicherheit und Inflation deutlich verschlechtert. Die Gewerkschaft warnt nun vor vorschnellen Entlassungen.

Fast ein Zehntel weniger Aufträge am Bau

dpa-afx Wiesbaden

Das deutsche Bauhauptgewerbe hat im vergangenen Jahr einen realen Auftragseinbruch von fast 10 % erlebt. Bereinigt um die starken Preissteigerungen gingen 9,6 % weniger Aufträge ein als im Jahr zuvor, wie das Statistische Bundesamt berichtet. Zu aktuellen Preisen waren die Bestellungen allerdings 4,8 % mehr wert als im Jahr 2021.

Der Abwärtstrend hatte bereits im zweiten Quartal unter anderem wegen hoher Baupreise und steigender Finanzierungskosten eingesetzt. Besonders deutlich ging das Geschäft im Wohnungsbau mit einem realen Minus von 15,1 % zurück. Im Tiefbau verringerten sich die Orders nur um 3,0 %.

Der Auftragseingang befinde sich im Wohnungsbau weiter im freien Fall, sagt der Hauptgeschäftsführer des Zentralverbands Deutsches Baugewerbe (ZDB), Felix Pakleppa. Selbst schon genehmigte Wohnungsprojekte führten kaum noch zu Aufträgen. Die Zahl der fertiggestellten Wohnungen entferne sich so immer weiter von der politischen Zielvorgabe von 400 000 neuen Einheiten im Jahr. Für 2022 gehe der ZDB von 280 000 neuen Wohnungen aus und im laufenden Jahr von nur noch 245 000. Für Mieter werde die Situation in den Großstädten immer schwieriger und die Betriebe liefen Gefahr, ihre Beschäftigten nicht halten zu können.

Die IG Bauen-Agrar-Umwelt warnt vor Panik in der Branche. Vorschnelle Entlassungen würden die mühsam aufgebauten Fachkraft-Kapazitäten aufs Spiel setzen, sagt Vorstandsmitglied Carsten Burckhardt. „Ansonsten erleben wir den ‚Gastro-Effekt‘: Wer einmal geht, der ist weg.“ Der Gewerkschafter verwies auf volle Auftragsbücher und den nach wie vor hohen Bedarf an Wohnraum, energetischen Sanierungen und moderner Infrastruktur. Bund und Länder müssten die Bautätigkeit intensiver fördern und das Bauen über eine Anpassung der Bauvorschriften deutlich erleichtern.

Im Dezember erholte sich die Lage im Vergleich zum Vormonat leicht um 1,8 %. Nominal waren das 8,5 Mrd. Euro in den erfassten 9500 Betrieben mit 20 und mehr Beschäftigten. In der Jahresfrist fehlte jedoch fast ein Viertel des realen Bestellvolumens aus dem Dezember 2021.

Der Verband der Bauindustrie rechnet mit stagnierenden Beschäftigtenzahlen und einem weiteren realen Umsatzverlust von 6 % im laufenden Jahr. 40 % der Betriebe würden eine Verschlechterung der Geschäftslage binnen zwölf Monaten erwarten. Im Hochbau seien es gar 46 %, was angesichts der „Schockstarre“ am Wohnungsbaumarkt kein Wunder sei.

Die Bauindustrie war lange Zeit eine Stütze der deutschen Konjunktur und hat dank des Immobilienbooms gut verdient. Insbesondere der Wohnungsbau hatte die Branche beflügelt. Nun sind die Wohnungsbauziele der Bundesregierung außer Reichweite. Aber auch öffentliche Auftraggeber und Unternehmen hielten sich zuletzt wegen teurerer Finanzierungen und hochschießender Baupreise zurück.

Dazu kommt Unsicherheit um den Ukraine-Krieg. Zugleich profitiert die Baubranche noch von einem Auftragspolster aus besseren Zeiten.

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