Italiens Autoindustrie in der Krise

Fertigung in italienischen Stellantis-Werken bricht dramatisch ein

Italiens Autoindustrie ist am Tiefpunkt angekommen. In diesem Jahr werden in den italienischen Stellantis-Werken wohl nur noch 250.000 Pkw vom Band laufen.

Fertigung in italienischen Stellantis-Werken bricht dramatisch ein

Italiens Autoindustrie am Tiefpunkt

Produktion in den Stellantis-Werken bricht im ersten Halbjahr um ein Drittel ein – Neue Modelle sollen 2026 Besserung bringen

Die Autoproduktion in den italienischen Stellantis-Werken ist auf einen Tiefststand gesunken. Neue Modelle sollen die Fertigung im nächsten Jahr ankurbeln. Doch die Zeichen stehen auf Sturm. Die Fertigung in Italien geht seit vielen Jahren zurück, der Stellantis-Absatz sinkt und US-Zölle drücken die Verkäufe weiter.

bl Mailand

Italiens Autoindustrie ist am absoluten Tiefpunkt angekommen: Im ersten Halbjahr produzierte der franco-italienische Autokonzern Stellantis gerade noch 123.905 Pkw im Land – 33,6% weniger als 2024. Zählt man die leichten Nutzfahrzeuge dazu, kommt man auf 221.885 Einheiten – 26,9% weniger als im Vorjahr. Die Hoffnungen ruhen nun auf neuen Modellen, die 2026 kommen sollen. Doch die Signale sind nicht positiv.

Mit Ausnahme von Ferrari und der Audi-Tochter Lamborghini, die jeweils auf Produktionszahlen von knapp über 10.000 Einheiten pro Jahr kommen und hochrentabel sind, hat Italien keine nennenswerte Autoindustrie mehr. Das ist ein Trauerspiel, denn 1989 liefen noch zwei Millionen Einheiten von den Bändern. Die italienischen Stellantis-Werke haben noch immer eine Produktionskapazität von rund 1,5 Millionen Einheiten. Doch die Auslastung liegt bei unter 30%. Für eine rentable Fertigung braucht es Experten zufolge mindestens 70%. Der Großteil der Mitarbeiter ist in Kurzarbeit.

Zwar hat Stellantis der Regierung in Rom versprochen, rund 2 Mrd. Euro in Italien zu investieren und 2030 wieder eine Million Fahrzeuge im Land zu produzieren. Wie das gelingen soll, ist aber rätselhaft. Die Gewerkschaften rechnen in diesem Jahr mit insgesamt allenfalls 440.000 Einheiten, davon 250.000 Pkw. Betroffen von den deutlichen Produktionsrückgängen sind alle Werke. Stellantis leidet darunter, vor allem Kleinwagen zu produzieren. Dazu kommen ein schwacher europäischer Automarkt und die Unsicherheit über die Zukunft des Verbrennermotors.

Luxusmarke Maserati hochdefizitär

Die Hoffnungen ruhen auf neuen Modellen wie der Hybridversion des Fiat 500. Stellantis plant, 2026 etwa 100.000 Einheiten davon im Traditionswerk Turin-Mirafiori zu produzieren. Dort sind im ersten Halbjahr gerade einmal 15.175 Elektro-Fiat 500 produziert worden. Auch der neue Jeep Compass, der im süditalienischen Melfi gefertigt wird, soll neue Impulse bringen. Doch der neue Alfa Romeo Stelvio, der für 2026 erwartet wird, und die neue Giulia (Werk Cassino) sind noch nicht einmal bestätigt. Und die einstige Luxusmarke Maserati existiert praktisch nicht mehr: In den Werken Mirafiori und Modena sind im ersten Halbjahr gerade einmal 185 (!) Maserati gefertigt worden. Neue Modelle sind aufgeschoben worden. Hartnäckig halten sich Gerüchte über einen Verkauf der hochdefizitären Marke.

Selbst der 2024 vorgestellte Fiat Pandina, eine Weiterentwicklung des Panda, verzeichnet Produktionsrückgänge von 15%. In den Kleinwagen waren große Erwartungen gesetzt worden. Gleiches gilt für den SUV Alfa Romeo Tonale (–20%), der seit 2022 auf dem Markt ist.

Marktanteile verloren

Stellantis verliert Marktanteile: In Europa gingen die Verkäufe zwischen Januar und Juni um 8% zurück, in Italien um 12%. Bei der Elektro-Mobilität hinkt Italien weit hinterher: Der Marktanteil der Stromer liegt bei 6%. Von Kaufanreizen profitieren vor allem ausländische Hersteller. Chinesische Autoproduzenten wie BYD und Geely wachsen stark.

Von Werksschließungen ist (noch) nicht die Rede. In Rom hofft man auf den neuen Stellantis-CEO, den Italiener Antonio Filosa. Die Regierung will Zeit gewinnen und das Ende des Verbrennermotors, das 2035 kommen soll, hinauszögern.

Von Stellantis kommen kaum positive Signale. US-Zölle verschlimmern die Situation. Das Konsortium ACC (Stellantis, Mercedes-Benz, Total) verschiebt die Entscheidung über den Umbau der Motorenfabrik im süditalienischen Termoli in eine Batteriefabrik immer wieder. Die Gewerkschaften fürchten, dass das Projekt beerdigt werden könnte.

Marelli ist insolvent

Die einstige Fiat-Tochter Magneti Marelli, die 2017 von KKR übernommen und mit der japanischen Calsonic Kansei zusammengelegt wurde, ist insolvent. Sie soll nun nach dem amerikanischen Chapter11-Verfahren saniert und von den US-Gläubigern übernommen werden. Marelli, so der heutige Name, leidet massiv unter der Stellantis-Krise.

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