Thomas Reisten, Vantage Towers

„Frankreich wäre eine interessante Option“

Vantage-Towers-Finanzchef: Bei Fremdkapital nun eigenständig – Kapitalkosten auf Augenhöhe mit American Towers

„Frankreich wäre eine interessante Option“

Heidi Rohde.

Herr Reisten, nach dem IPO von Vantage im März hat sich das Kapitalmarktumfeld in jüngster Zeit etwas eingetrübt. War das bei Ihrer Bond-Emission vor kurzem schon zu spüren?

Wir haben drei Tranchen von zweimal 750 Mill. und einmal 700 Mill. Euro über vier, sechs und neun Jahre platziert und waren dabei vom großen Interesse der Investoren sehr positiv überrascht, sowohl was die Gesamtnachfrage als auch was die Zahl der Anleger betrifft. Das hat letztlich auch dazu geführt, dass wir einen Weighted Average Yield von 0,414 % erreichen konnten, bezogen auf die Weighted Average Maturity von 6,3 Jahren. Wir haben insgesamt 2,2 Mrd. Euro aufgenommen und damit interne Kredite von Vodafone abgelöst.

Bestehen noch weitere Darlehen der Muttergesellschaft?

Nein, auf der Fremdkapitalseite haben wir damit alle Kredite der Mutter abgelöst und sind komplett eigenständig. Wir nutzen lediglich noch das Cash Pooling mit Vodafone, das uns gute Konditionen für die kurzfristige Anlage von liquiden Mitteln sichert, das ist eine sehr gute Dienstleistung, auf die wir gerne zurückgreifen. Wichtig ist aber vor allem, dass wir nach dieser Emission mit wirklich guten Konditionen auch sehr gut dastehen, was unsere Kapitalkosten insgesamt betrifft. Im Wettbewerbsvergleich liegen wir jetzt sogar auf Augenhöhe mit American Tower, einer der größten Tower-Gesellschaften weltweit, und sind im Vorteil gegenüber unseren europäischen Wettbewerbern Cellnex und Inwit.

Planen Sie denn in diesem Jahr noch weitere Auftritte am Bondmarkt?

Wir sind jetzt erstmal ganz gut positioniert, auch mit unserem Leverage Ratio, das für das Geschäftsjahr 2020/21 beim 3,8-fachen operativen Ergebnis (Ebitda after Leases) liegt.

Sie haben noch einmal deutlich gesagt, dass Sie zunächst auf organisches Wachstum setzen, bei guten Gelegenheiten jedoch auch akquirieren würden. Das M&A-Rad in der Branche dreht sich schnell, was bedeutet das für die Preisentwicklung?

Wir haben bei unserem IPO zunächst von der guten Preisentwicklung für Tower-Assets profitiert. Tatsächlich setzen wir auf organisches Wachstum, verfolgen die Entwicklung der Branche aber sehr genau. Sollte ein Zukauf in Betracht kommen, haben wir bei der Verschuldung noch Spielräume – mehr als einige Wettbewerber. Denn auch bei einer Nettoverschuldung in Höhe des 5-fachen Ebitda aL erwarten wir noch immer ein Investment-Grade-Kreditrating.

Würden Sie bei einer Kaufgelegenheit auch über den Wert hinausgehen, in Richtung eines Faktors 6?

Für uns ist es sehr wichtig, ein Investment-Grade-Rating zu halten. Sollte der Spielraum von 1 Mrd. Euro zu­sätzliches Fremdkapital, den wir uns gegeben haben, nicht ausreichen, könnten wir zusätzliches Eigenkapital aufnehmen, um M&A-Transaktionen zu stemmen.

Gibt es da Ziele, die Sie ins Auge fassen?

In unseren Präsenzmärkten muss es natürlich darum gehen, erstens unsere führende Position zu stärken und zweitens auch Wert zu schaffen, in Anbetracht unserer derzeit gestiegenen Bewertung am Aktienmarkt, also insbesondere nicht unsere Gewinnmarge zu verwässern. In neuen Märkten würden wir bei einem Zukauf darauf achten, eine führende Position zu erreichen. Ein Tower-Netzwerk, das wir kaufen würden, sollte die gleiche sehr gute Qualität haben wie das bestehende Vantage-Towers-Netzwerk.

Welche Märkte kämen denn für einen Zukauf in Betracht?

In Europa sind noch über 190 000 Tower-Standorte verfügbar, die noch nicht in Tower Companies organisiert sind. Wir sind derzeit in zehn Märkten vertreten, darunter insbesondere Deutschland, Spanien, Großbritannien und Irland. Wo wir noch nicht sind, schauen wir uns natürlich nach Zukäufen um, die strategisch sinnvoll sind.

Was ist mit Frankreich?

Dort sind wir bisher nicht vertreten, daher wäre Frankreich in der Tat eine interessante Option. Dabei müssten wir aber schauen, dass wir mit einem Einstieg dort eben auch eine führende Position erreichen. Kleinere Minderheitsanteile sind für uns nicht interessant.

Was heißt das? Eine Beteiligung müsste mindestens ein Drittel sein – wie bei Inwit – oder die Hälfte?

Sowohl unsere Beteiligung an Inwit als auch Cornerstone in UK sind Beteiligungen, an denen wir die Co-Kontrolle halten. Dies gibt uns zum einen Einfluss und die Möglichkeit, vom Wachstum und den Renditen in diesen Märkten zu profitieren, zum anderen aber auch die Chance, über Best Practice Sharing viel Wissen auszutauschen, dass uns wiederum auch in unseren anderen Märkten hilft. Insofern ist es wichtig, dass wir eine solche Co-Kontrolle haben und würden auch in anderen Situationen zumindest diese Situation erreichen wollen.

Sie bauen für Ihre Wachstumsstrategie stark auf eine steigende Belegungsquote. Welchen Anteil wird Vodafone als Mieter und damit auch für den Umsatz mittelfristig haben?

Vodafone steht derzeit für ca. 85 % der Vermietung. Mit der Zeit wird der Anteil von Vodafone weiter sinken. Eine genaue Zielsetzung haben wir nicht veröffentlicht, aber das vergangene Geschäftsjahr gibt einen Hinweis auf die Dynamik der Entwicklung: Von 1800 neuen Mietverträgen für unsere Standorte kamen 1300 nicht von Vodafone. Zudem haben wir 660 neue Vertragspartner gewonnen. Das ist schon ein starkes Wachstum und zeigt, dass wir im Hinblick auf unsere Zielsetzung einer Vermietungsquote von 1,5 sehr gut unterwegs sind.

Gehen Sie davon aus, dass der deutsche Markt stärker wächst als die Gruppe insgesamt?

Deutschland ist ein sehr wichtiger Markt für uns. Von 7 000 neuen Mobilfunkstandorten, die wir neu bauen wollen und bei denen wir bereits Verträge sicher haben, liegen allein 5 500 in Deutschland. Deshalb muss das Land auch beim Wachstum eine herausragende Rolle spielen.

In Deutschland gibt es auch die Be­sonderheit, dass mit 1&1 Dril­lisch ein neuer Netzbetreiber in den Markt tritt. Laufen da schon Gespräche, um deren 5G-Netz ab­sehbar auf den Vantage Funktürmen anzusiedeln?

Wir haben ein hervorragendes kommerzielles Team aufgebaut, das mit allen bestehenden Kunden gute Beziehungen pflegt und auch Neukunden proaktiv angeht.

Welche Rolle spielen mögliche Preisanhebungen an Ihren Standorten – auch bezogen auf deren Qualität – für Ihr Umsatzwachstum?

Wir haben mit Vodafone und auch mit anderen Kunden Verträge vereinbaren können, die die Inflationsentwicklung berücksichtigen. Deshalb bilden Preissteigerungen ein wichtiges Element unserer Wachstumsplanung. Sie sind der zweitgrößte Faktor nach einer steigenden Zahl von Standorten und vor der Steigerung der Vermietungsquote. Grundsätzlich möchte ich sagen, dass wir auch bei Zweit- und Drittvermietungen von Standorten derzeit für uns sehr attraktive Preise durchsetzen können.

In Europa herrscht aus Sicht der Telekomnetzbetreiber Konsolidierungsbedarf. Sehen Sie da Gefahren für Ihr Geschäft?

Das Thema beschäftigt uns, große Gefahren sehen wir aber nicht. Denn zum einen haben wir ein sehr hochwertiges Tower-Netzwerk, und es dürfte beim Zusammenschluss von zwei Netzbetreibern auch meist dazu kommen, dass man auf dem besseren Netz bleibt. In unserem Footprint gibt es zum anderen schon vielfach Network-Sharing-Abkommen von Netzbetreibern, so dass wir von deren Zusammenschluss als Unternehmen kaum berührt würden, wenn dann eher sogar positiv, weil wir die Umsätze behalten aber Kosten sparen könnten.

Das Interview führte