Digitalisierung

Für ein neues Denken – warum wir von den Jungen lernen müssen

Wenn der Wissensschatz der Digital Natives und der Generation Z mit den Menschen geteilt wird, „für die die digitale Welt noch weitgehend Neuland ist, haben wir einen entscheidenden Schritt in die Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft getan“, sagt Sanjay Brahmawar, CEO der Software AG.

Für ein neues Denken – warum wir von den Jungen lernen müssen

Deutschland hat bei der Digitalisierung definitiv Nachholbedarf, das zeigen viele Studien und Rankings. Zum Glück haben Politik, Wirtschaft und Gesellschaft das erkannt und arbeiten verstärkt daran. Gemeinsam lässt sich der Wandel in Deutschland erfolgreich vorantreiben, vor allem wenn wir von den Digital Natives lernen und ihre Fähigkeiten nutzen. Die Digitalstrategie der Bundesregierung ist nicht nur eine Chance, die Digitalisierung voranzutreiben, sie ist auch die Chance, einen Kulturwandel zu initiieren.

Es scheint eine in Deutschland weit verbreitete Angewohnheit zu sein, das Glas grundsätzlich nur halb leer zu sehen. Häufig geben die nüchternen Zahlen und Fakten aber keinen Anlass für allzu schlechte Stimmung oder gar Alarmismus. Zwar landete Deutschland im europäischen Index für die digitale Wirtschaft und Gesellschaft (DESI) nur auf dem 13. Platz, was natürlich nicht der Anspruch der führenden Wirtschaftsnation in der EU sein kann und darf. Aber es gibt auch mutmachende Lichtblicke: Im Verlauf der Corona-Pandemie haben viele Unternehmen in Deutschland in der Digitalisierung Fortschritte ge­macht. So bewerteten im Frühjahr 2022 laut einer ZEW-Umfrage 54% der Unternehmen in der Informationswirtschaft den Digitalisierungsgrad der eigenen Angebotspalette als hoch oder sehr hoch. Im Herbst 2020 hatte dieser Wert noch bei 38% gelegen. Auch im verarbeitenden Gewerbe ist der Digitalisierungsgrad laut ZEW innerhalb der letzten zwei Jahre stark gestiegen. Dies ist aber natürlich kein Grund, das Tempo bei der weiteren Digitalisierung zu drosseln.

Dies hat auch die Bundesregierung erkannt, die mit ihrer kürzlich be­schlossenen Digitalstrategie unsere Gesellschaft in eine verheißungsvolle, digitale Zukunft führen möchte. Der Handlungsbedarf zeigt sich vor allem in unserem Bildungssystem. Ich begrüße es daher sehr, dass die Politik die Entwicklung einer nationalen Online-Weiterbildungsplattform vorantreibt. Wir benötigen dringend auf allen Ebenen kompetente Fachkräfte mit IT-Know-how. Fachkräfteknappheit darf nicht zur Bremse der digitalen Transformation werden. Deshalb brauchen wir auch Menschen, die aus dem Ausland zu uns kommen. Und zwar schnell und unbürokratisch. Eine Online-Visa-Vergabe für Arbeitskräfte könnte tatsächlich zum Lackmustest für das Gelingen der Digitalisierungsstrategie werden. Wir müssen aber auch die Potenziale unserer Gesellschaft weitaus besser aktivieren, als dies bislang der Fall ist. Neue Arbeitsformen für Menschen mit Behinderung zählen dazu genauso, wie mit verstärkten Anstrengungen mehr Menschen mit Einwanderungsgeschichte und Frauen für IT-Berufe zu begeistern und zu gewinnen.

Allein auf den Staat zu schauen wäre aber zu wenig. Allen voran ist die Wirtschaft gefordert. Vor allem die Unternehmen haben nach zweieinhalb Jahren Corona gelernt. Digital is the new normal! Der digitale Wandel kann nur durch ein Umdenken und Umsteuern der Unternehmenskultur erfolgreich gestaltet werden. Top down hat endgültig ausgedient. Lernen wir von den Jungen! Unternehmen werden künftig von den innovativen Impulsen der Digital Natives und Generation Z profitieren. Mit einer in der Unternehmenskultur verankerten Bottom-up-Strategie werden wir auch neue Anreize für alle unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter schaffen.

Wir brauchen in den Unternehmen einen neuen Generationenvertrag. Die junge Generation hat in ihrem Lebensalltag verinnerlicht, warum ein kundenorientiertes Mindset entscheidend ist – und vor allem: wie man in der digitalen Welt agil bleibt. Führungskräfte sind also aufgefordert, Digital Natives und die Generation Z im eigenen Unternehmen massiv und glaubwürdig zu stärken und deren Wissen zu nutzen. Der Einfluss der nächsten Generationen auf die Unternehmenskultur muss wachsen und die Kultur nachhaltig prägen. Durch ihren Einsatz können sie auch die Wissenslücken zu den Menschen im Unternehmen schließen, für die das Digitale noch nichts Selbstverständliches ist.

Es handelt sich hier um eine Mammutaufgabe. Denn klar ist auch: Niemand darf zurückbleiben. Das hat auch die Politik erkannt, die mit 18 Leuchtturmprojekten sämtliche Be­reiche der Gesellschaft digital transformieren möchte – vom Gesundheitswesen bis zur öffentlichen Verwaltung, von den Schulen bis zu den Universitäten.

Wissensschatz teilen

Eine zentrale Herausforderung unserer Zivilisation ist die Fähigkeit, uns individuell und kollektiv an die sich zunehmend immer schneller verändernde Welt anzupassen. Diese Anpassungsfähigkeit ist heutzutage untrennbar mit der Kompetenz verbunden, sich digitales Know-how anzueignen. Ich bin angesichts der Cleverness von so vielen jungen Menschen in unserem Land, sich digitales Wissen ganz ohne Lehrer und vollkommen außerhalb der Schulen anzueignen, optimistisch. Wenn wir diesen Wissensschatz auch mit den Menschen teilen, für die die digitale Welt noch weitgehend Neuland ist, haben wir einen entscheidenden Schritt in die Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft getan.

Sanjay Brahmawar ist CEO der Software AG.

In dieser Rubrik veröffentlichen wir Kommentare von führenden Vertretern aus der Wirtschafts- und Finanzwelt, aus Politik und Wissenschaft.