Neue Strategie

Für Otto hat Profitabilität vorerst weiterhin Vorrang vor Wachstum

Nach zwei Verlustjahren schreibt die Otto Group wieder schwarze Zahlen. Für die neue Vorstandschefin hat die Profitabilität des Handelskonzerns vorerst weiterhin Vorrang vor Wachstum.

Für Otto hat Profitabilität vorerst weiterhin Vorrang vor Wachstum

Für Otto hat Profitabilität vorerst weiterhin Vorrang vor Wachstum

Handelsriese schreibt nach zwei Verlustjahren wieder schwarze Zahlen – Neue Vorstandschefin lässt konkrete Wachstumsziele für kommende Jahre offen

ste Hamburg

Der Handels- und Dienstleistungskonzern Otto hat sich nach dem Anfang März vollzogenen Wechsel an der Vorstands- und Aufsichtsratsspitze eine neue strategische Agenda vorgenommen. Übergeordnetes Ziel sei es, mittel- und langfristig wieder zu starkem Wachstum zurückzukehren und die Gruppe nachhaltig zukunftsfähig aufzustellen, sagte die neue Vorstandsvorsitzende Petra Scharner-Wolff bei der Bilanzpräsentation für das Ende Februar abgelaufene Geschäftsjahr 2024/25 am Mittwoch in Hamburg. Dazu sollen erfolgreiche Geschäftsmodelle des Kernportfolios wie Otto, Crate & Barrel und Eos „skaliert“ und das internationale Geschäft in Europa und Nordamerika gezielt ausgebaut werden.

Konkrete Wachstumsziele nannte Scharner-Wolff mit Verweis auf volatile geopolitische und konjunkturelle Entwicklungen nicht. Ihr Vorgänger Alexander Birken, der nun den Aufsichtsrat des Familienunternehmens führt, hatte bei der Vorstellung einer „fokussierten Wachstumsstrategie“ vor acht Jahren eine Umsatzsteigerung bis 2022 auf vergleichbarer Basis um gut ein Drittel auf 17 Mrd. Euro avisiert.

Sondereffekte

Im vergangenen Turnus sanken die Erlöse des Konzerns um 0,7% auf 14,9 Mrd. Euro – wobei auf vergleichbarer Basis, d.h. bereinigt um Währunsgkurseffekte und Veränderungen im Konsolidierungkreis, ein Plus von 0,9% zustande kam. Mit einem Überschuss von 165 (i.V. -412) Mill. Euro kehrte die Otto Group nach zwei Verlustjahren aber in die Gewinnzone zurück. Dazu trugen nach Angaben von Scharner-Wolff operative Ergebnisverbesserungen sowie „relevante“ Sondereffekte bei.

Das auf 276 (8) Mill. Euro verbesserte operative Ergebnis (Ebit) wurde durch Restrukturierungs- und Schließungsaufwendungen von rund 180 Mill. Euro belastet, während ein Rekordergebnis im Finanzdienstleistungssegment (Eos), der in den USA und Kanada aktive Möbelhändler Crate & Barrel und die Textilhandelsgruppe Witt im Segment Markenkonzepte sowie die E-Commerce-Plattform Otto positive Beiträge lieferten. Zugleich profitierte der Konzern von dem auf 184 (-197) Mill. Euro gestiegenen sonstigen Finanzergebnis als Folge des Verkaufs der 25-prozentigen Beteiligung am britischen Logistikdienstleister Evri.

Ziele erreicht

Die selbstgesteckten Ziele im abgelaufenen Geschäftsjahr seien durch Steuerung des Konzerns auf Liquidität und Profitabilität mit dem Turnaround erreicht worden, so Scharner-Wolff. Mit der aktuellen Situation sei man vor dem Hintergrund eines unruhigen Umfelds mit Ukraine-Krieg, mit verhaltener Konsumstimmung sowie mit massiven Folgen neuer Zölle für den Welthandel „sehr zufrieden“. Für das laufende Geschäftsjahr stellte die Vorstandschefin ein unverändertes Umsatzniveau auf vergleichbarer Basis sowie eine weitere deutliche Ebit-Steigerung in Aussicht. Im aktuellen Geschäftsbericht wird für 2025/26 ein mittlerer dreistelliger Mill.-Euro-Betrag angekündigt.

Eine Rolle dürften im laufenden Geschäftsjahr zwei wesentliche Effekte aus Veränderungen des Konsolidierungskreises spielen: Zum einen steht der Vollzug des Ende 2024 bekannt gewordenen Verkaufs der Online-Modehandelsplattform About You an Zalando an, den man in Hamburg im Sommer erwartet. Zum anderen rechnet Otto „mit hoher Wahrscheinlichkeit“ damit, im Zuge einer Übernahme des 25%-Anteils des US-Finanzinvestors Advent an Hermes Deutschland den defizitären Paketdienst vollständig in den Konzernabschluss des laufenden Geschäftsjahres einzubeziehen. Advent hatte sich zum 30. November 2020 an Hermes Deutschland beteiligt. Der Paketdienst soll im Zuge eines im April verkündeten Restrukturierungsprogramms mittelfristig zu deutlich besseren Ergebnissen kommen.

About-You-Verkauf

Otto stellte am Mittwoch in Aussicht, den dynamischen Verschuldungsgrad 2025/26 durch weitere Fokussierung auf Profitabilität und Liquidität auf dem zuletzt von 2,0 auf 1,3 verbesserten Niveau zu halten. Während der Konzern Belastungen aus einer Vollkonsolidierung von Hermes Deutschland sowie aus der erfolgten Tilgung einer im Eigenkapital ausgewiesenen Nachranganleihe mit einem Volumen von 248 Mill. Euro erwartet, soll sich der About-You-Verkauf mit einem Effekt von mehr als 400 Mill. Euro überproportional positiv auswirken. Mit Blick auf die Fähigkeit zu Investitionen hob Vorstandschefin Scharner-Wolff die Innenfinanzierungskraft des Otto-Konzerns hervor.

„Wir investieren ambitioniert, behalten aber die Realität im Auge.“ Es gelte eine Balance zwischen Wachstums- und Ergebniszielen zu beachten. Zum Wettbewerb mit preisaggressiven Billig-Onlinehändlern wie Shein und Temu, der im Otto-Konzern vor allem die Marke Bonprix betrifft, sagte sie weiter, es sei wichtig, Qualitätsversprechen treu zu bleiben. „Wir können auf keinen Fall, nur weil der Wettbewerbsdruck gerade etwas höher ist, von unseren Grundwerten abrücken.“ Man arbeite daran, Kunden Qualitätsunterschiede zu verdeutlichen. Zugleich forderte die neue Konzernchefin, politisch schnell ein „Level-Playing-Field in Europa“ herzustellen. Die EU-Kommission erwägt im Umgang mit der zunehmenden Zahl an Paketen aus Drittstaaten einen Aufpreis. Lieferungen von Shein aus Singapur und Temu aus China in die EU könnten dadurch teurer und vermindert werden.

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