WAS BLEIBT VON "MADE IN GERMANY"?

GAU für den Maschinenbau

Zweifel an der Qualität von German Engineering treffen keine Branche so schwer wie die Anlagenhersteller

GAU für den Maschinenbau

Von Daniel Schauber, FrankfurtDas Label “Made in Germany” muss makellos bleiben. Für keine deutsche Branche ist das so wichtig wie für den Maschinenbau. Drei von vier Anlagen der Investitionsgüterindustrie werden von Ausländern bestellt. Fertigungsgerät kauft man nicht aus Patriotismus, nicht wegen des Designs und schon gar nicht wegen des Preises, sondern wegen seiner Qualität. Deshalb hat der VW-Skandal, der Qualitätsmängel mit betrügerischer Software zu vertuschen versuchte, für “Made in Germany” eine so verheerende Wirkung. 150 Mrd. Euro im FeuerUnd deshalb war es auch eine der ersten Handlungen der Maschinenbaulobby, als sich die Zerstörungskraft von Dieselgate abzeichnete, den drohenden negativen Imagetransfer von den eigenen Unternehmen abzugrenzen. Reinhold Festge, der Präsident des Verbands Deutscher Maschinen- und Anlagenbau, beeilte sich zu betonen, das Desaster von VW sei ein “erschütternder Vorfall in einem einzelnen Konzern”.Denn verlören Kunden den Glauben an deutsche Wertarbeit und ehrliches deutsches Handwerk, wäre das der GAU für den Maschinenbau. Es stünden 152 Mrd. Euro Umsatz im Feuer. So viel exportieren die Maschinenbauer, die insgesamt Produkte im Wert von rund 212 Mrd. Euro herstellen, auf dem Weltmarkt (siehe Grafik). Damit hängen die Spezialisten für Produktionstechnik zu über 70 % vom Exporterfolg ab, bei einzelnen Unternehmen ist die Quote noch deutlich höher. Der älteste Druckmaschinenhersteller der Welt, Koenig & Bauer aus Würzburg, setzt annähernd 90 % seiner Anlagen jenseits der Grenzen ab.Besonders heikel ist es für die Investitionsgüterindustrie, dass durch den Volkswagen-Skandal der Ruf von German Engineering ausgerechnet in den USA stark angekratzt wurde. Denn gerade der amerikanische Markt ist für die Deutschen aktuell so wichtig wie lange nicht. Während die Konjunktur des zuletzt größten Abnehmerlandes China schwächelt und das ehemals wichtige Russland-Geschäft wegen der Sanktionen eingebrochen ist, schwingen sich die USA zum größten Markt für deutsche Maschinen auf. Denn die Reindustrialisierung in Nordamerika, die von dem niedrigen Ölpreis angekurbelt wurde, treibt das Geschäft. Am Tropf der AutoindustrieBislang sind, anders als in der Autoindustrie, noch keine direkten negativen Auswirkungen des Abgasskandals von VW beim Absatz deutscher Maschinen zu erkennen. Der Bestelleingang der hiesigen Vorzeigebranche legte im Oktober – dem ersten vollen Monat nach Bekanntwerden des Desasters bei Volkswagen – preisbereinigt um 4 % zu. Aber selbst wenn im Oktober das Geschäft eingebrochen wäre, es wäre vermessen, einen kurzfristigen Misserfolg beim Maschinenabsatz direkt mit dem Skandal in Wolfsburg zu erklären. Dafür ist die Branche, die allen Unbilden der Weltkonjunktur ungeschützt ausgeliefert ist, insgesamt viel zu volatil.Die kurzfristig potenziell gefährlichste Auswirkung von Dieselgate auf Deutschlands Maschinenbauer wird eher eine indirekte sein. Die Branche hängt am Tropf der deutschen Autoindustrie, denn Autohersteller und Zulieferer gehören zu den größten Kunden. Langfristig liegt die größte Herausforderung für die Maschinenbauer darin, die Strukturen zu unterbinden, die Dieselgate ermöglicht haben. Sie werden alles tun müssen, um den geringsten Verdacht im Keim zu ersticken, für Tricksereien mit Software, die Mängel in der Ingenieurskunst verheimlichen sollen, anfällig zu sein.Es wäre unklug zu leugnen, dass genau diese Gefahr im Maschinenbau besteht, vielleicht sogar in noch höherem Maße als in der Autoindustrie. Denn auch für Maschinen und Anlagen gelten immer strengere Grenzwerte für Schadstoffemissionen, egal ob sie nun mit Diesel-, Benzin- oder Elektromotoren betrieben werden oder mit Kohle-, Gas- und Ölfeuerung. Die hohe Abhängigkeit der rund 6 000 Mittelständlern von großen Zulieferern bei Elektronik und Software ist ebenfalls ein Einfallstor für Betrug. Und mit Industrie 4.0, der datengetriebenen Vernetzung der Produktionsmaschinen, wird die Gefahr, einen ähnlichen Skandal erleben zu müssen, nicht kleiner. Nicht zu vergessen: Bei so manchem Familienunternehmen herrschen autokratische Strukturen, also Systeme, in denen die Manipulation bei VW erst so richtig gedieh.