Reporting

Grüne Bilanzierung nimmt Form an

Noch herrscht ein Dickicht, doch Investoren und Konzerne erhoffen sich neue einheitliche Regeln in der Nachhaltigkeitsberichterstattung. International und auf EU-Ebene gehen Standardsetzer ans Werk.

Grüne Bilanzierung nimmt Form an

Von Sabine Wadewitz, Frankfurt

Mit Umsetzung der EU-Taxonomie zum Klimaschutz kommen auf Unternehmen umfangreiche neue Be­richtspflichten zu. Dabei geht es nicht wie bislang schon im Integrated Reporting der Nachhaltigkeitsberichterstattung um quantitative Angabe zu Aspekten wie Energie- und Wasserverbrauch oder die Zahl der Arbeitsunfälle. Verlangt sind nach regulatorischen Vorgaben der EU künftig auch Informationen über „grüne Aktivitäten“ der Unternehmen anhand von finanziellen Kennzahlen. Nachhaltigkeit soll in die Berichterstattung integriert werden und finanziellen Themen schrittweise gleichgestellt werden.

Auf EU-Ebene ist die European Financial Reporting Advisory Group (Efrag) beauftragt worden, europäische Standards für die Nachhaltigkeitsberichterstattung zu entwickeln. Dabei ist ein schrittweises Standardsetting geplant. Ein erstes Set an Vorschlägen soll das Sustainability Reporting Board der Efrag bis 15. Juni 2022 der EU-Kommission präsentieren. Geplant ist, dass die Kommission dann im Oktober  erste Standards verabschiedet, die für große Kapitalgesellschaften und alle börsennotierten Unternehmen vom Geschäftsjahr 2023 an anzuwenden sind, also in den 2024 zu veröffentlichen Abschlüssen. Dies schließt Nicht-EU-Gesellschaften ein, die an regulierten Märkten innerhalb der EU gelistet sind. Im Oktober 2023 soll Brüssel den zweiten Schub an Standards absegnen, die erstmals für die Geschäftsberichte 2024 relevant werden. Von 2026 an sollen die Berichtspflichten auch für kapitalmarktorientierte kleine und mittelgroße Unternehmen (KMU) gelten.

Parallel zur Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) der EU laufen global in Verantwortung des neu gegründeten International Sustainability Standards Board (ISSB) die Arbeiten an, um globale Nachhaltigkeitsstandards zu entwickeln, die Investoren für die Bewertung von Unternehmen benötigen.

Die Schwesterorganisation zu dem auf Finanzberichterstattung fokussierten International Accounting Standards Board (IASB) soll institutionellen Anlegern nachhaltigkeitsbezogene Finanzangaben liefern, die ebenfalls als Kennzahl in einer Währung dargestellt werden müssen. Das ISSB mit Hauptsitz in Frankfurt wird unter Leitung des ehemaligen Danone-Chefs Emmanuel Faber den Unternehmen ein einheitliches Regelwerk bereitstellen, um Klima- und andere Nachhaltigkeitsrisiken bilanziell abzubilden, die in der bisherigen Rechnungslegung nach den internationalen Standards IFRS nicht erfasst werden. Politisch steht hinter allem das Ziel, Investitionen in nachhaltige wirtschaftliche Aktivitäten zu lenken.

Kooperation erwünscht

Die Unternehmenswelt hofft, dass die Verantwortlichen für europäisches und internationales Nachhaltigkeitsreporting kooperieren, um einheitliche oder zumindest kompatible Standards zu bekommen. Bislang haben sich Unternehmen durch ein Dickicht an Nachhaltigkeitsregeln zu kämpfen, die den Interessen zahlreicher Stakeholder gerecht werden wollen und die nicht alle die Kapitalmarktperspektive in den Fokus stellen. Mit Blick auf die Adressaten werden sich Efrag und ISSB auch weiterhin unterscheiden.

Mit Verabschiedung der CSR-Richtlinie im Jahr 2014, die in Deutschland erstmals für das Ge­schäftsjahr 2017 anzuwenden war, sind Unternehmen an die nichtfinanzielle Berichterstattung über Nachhaltigkeitsaspekte herangeführt worden. Dabei geht es jedoch um ein breites Spektrum an Informationen im Lagebericht zu Umwelt-, Sozial- und Arbeitnehmerbelangen sowie die Achtung der Menschenrechte und die Bekämpfung von Korruption und Bestechung.

Da die regulatorischen Vorgaben für die CSR-Berichterstattung viel Spielraum lassen, fallen die Nachhaltigkeitsberichte inhaltlich und in ihrem Detaillierungsgrad unterschiedlich aus, was die Vergleichbarkeit für den außenstehenden Bilanzleser erheblich erschwert.

Ab 1. Januar 2022 müssen berichtspflichtige Unternehmen nun rückwirkend für das Geschäftsjahr 2021 auch erstmals zur EU-Taxonomie über Nachhaltigkeitsaktivitäten berichten. Auch dies vollzieht sich in der nichtfinanziellen Erklärung der Konzerne. Diese Angaben sollen den Investoren ein Bild vermitteln, zu welchem Grad ein Unternehmen als taxonomiekonform eingestuft werden kann. Unternehmen, die den ESG-Erwartungen von Investoren nicht gerecht werden, verlieren den Zugang zu den Kapitalmärkten, so die einhellige Meinung. Die Doktrin des US-amerikanischen Ökonomen Milton Friedman aus dem Jahr 1960: „There is only one social responsibility of business, and that is to increase its profits“ hat sich lange gehalten, gehört aber endgültig der Vergangenheit an.

Um festzulegen, inwieweit ein Unternehmen im Einklang mit der Taxonomie wirtschaftet, gibt das EU-Regelwerk einen Dreistufentest vor. So muss die Aktivität signifikant zu mindestens einem der sechs definierten Umweltziele beitragen: Klimaschutz, Anpassung an den Klimawandel, nachhaltige Nutzung und Schutz von Wasser- und Meeresressourcen, Vermeidung und Kontrolle von Umweltverschmutzung, Übergang zur Kreislaufwirtschaft, Schutz und Wiederherstellung von Biodiversität und Ökosystemen. Der Beitrag zur Erreichung eines dieser Umweltziele darf die anderen Umweltziele nicht spürbar beeinträchtigen. Zudem sind Mindeststandards mit Blick auf soziale Kriterien und Governance-Aspekte einzuhalten.

Aufwärmübung

Zu den neuen Taxonomie-Berichtspflichten gehört es, dass Unternehmen darstellen, welchen Anteil der Umsatz mit Produkten und Dienstleistungen hat, die mit ökologisch nachhaltigen Wirtschaftsaktivitäten verknüpft sind. Als Key Performance Indicator (KPI) ist nach einer Darstellung der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft EY darüber hinaus zu veröffentlichen, welche Summen in Sachanlagen oder immaterielles Vermögen investiert werden, die taxonomiekonform sind. Eine Kennzahl wird zudem verlangt für den Anteil der Betriebsausgaben im Zusammenhang mit nachhaltigen Aktivitäten des Unternehmens.

Diese neuen Angaben sollen Finanzmarktteilnehmern rudimentäre Informationen liefern, um ihr Portfolio taxonomiekonform auszurichten. Für Unternehmen ist es eine weitere Trainingseinheit im ESG-Reporting für zukünftige Anforderungen. Die Standardsetzung nach den Regeln auf EU- und internationaler Ebene dürften später deutlich mehr Anstrengungen abverlangen.

Zuletzt erschienen:

„Versicherer müssen ihren ESG-Blick schärfen“ (8. Januar)

„Immobilien sollten auch soziale Ziele verfolgen“ (6. Januar)