Übernahme

Infineon will Gan Systems schlucken

Drei Jahre nach dem Erwerb von Cypress aus den USA setzt Infineon ihre Einkaufstour in Nordamerika mit einer kleineren Übernahme fort.

Infineon will Gan Systems schlucken

sck München

Drei Jahre nach der Übernahme des US-Wettbewerbers Cypress nimmt Infineon ihre Einkaufstour in Nordamerika wieder auf. Vor dem Wochenende teilte Deutschlands größer Halbleiterhersteller ad hoc mit, den kleineren kanadischen Chipspezialisten Gan Systems für 830 Mill. Dollar übernehmen zu wollen. Die Meldung stimmte das Dax-Mitglied aus Neubiberg bei München mit dem nichtbörsennotierten Zielobjekt aus Ottawa ab. Beide Seiten unterzeichneten einen Vertrag.

Infineon beabsichtigt mit dem geplanten Erwerb, ihre Marktposition auf den Feldern Galliumnitrid und Siliziumkarbid zu stärken. Beide Materialien zählen als Basisstoff für die Halbleiter der Zukunft. Von Galliumnitrid (Gan) leitet sich der Name des kanadischen Anbieters ab. Gan Systems ist erst seit 15 Jahren auf dem Markt. Die Firma beschäftigt der Meldung zufolge über 200 Mitarbeiter, darunter auch in Asien. In einer Online-Konferenz für Investoren war von einem Jahresumsatz im zweistelligen Mill.-Dollar-Bereich die Rede.

Auf Basis dieser Informationen ist die Übernahme von Gan Systems aus Sicht von Infineon vor allem strategischer Natur. Deshalb sind die Bayern bereit, für eine kleine Firma relativ viel Geld zu zahlen, geschätzt das 17-Fache der Erlöse. Der Kaufpreis werde „aus den vorhandenen liquiden Mitteln finanziert“, so Infineon. Verkäufer sind mehrere strategische Investoren und Finanzadressen.

Die Akquisition stärke die „Führungsposition“ von Infineon im Konzerngeschäftsfeld Power-Systems, ließ sich Infineon-Vorstandschef Jochen Hanebeck in der Meldung zitieren.

Aktie gewinnt 2,4 Prozent

Die Anleger reagierten auf die Nachricht wohlwollend. Nach der Mitteilung notierte die Aktie von Infineon im Xetra-Handel zeitweise 2,4% fester mit 34,44 Euro. Der Vorstand von Infineon rechnet damit, den Erwerb bis Ende 2023 abschließen zu können. Die Transaktion unterliege „den üblichen Abschlussbedingungen und behördlichen Genehmigungen“, teilte der Konzern mit. Infineon und Gan Systems ließen offen, um welche Behörden aus welchen Ländern es sich dabei genau handelt. In der Chipindustrie sind bei Akquisitionen in Nordamerika vor allem die nationalen Aufsichten zuständig, im konkreten Fall also Ottawa und Washington. Hinzu kommt möglicherweise die EU. Ob auch China involviert ist, ist noch unklar.

Gan Systems verfügt über viele Patente und über einen umfangreichen Kundenstamm. Das lockt Infineon an. Hanebeck zufolge ist das Zielobjekt unter anderem auf mobiles Laden, die Stromversorgung von Rechenzentren, Solarwechselrichter für Privathaushalte und Onboard-Ladegeräte für Elektrofahrzeuge und Automobilelektronik spezialisiert. Letzteres gehört zum Kerngeschäft von Infineon. Das Automotive-Aktivitäten manchen über 40% des Konzernumsatzes aus.

Im April 2020 schloss Infineon nach Genehmigungen durch Washington und Peking den Erwerb von Cypress mit Hauptsitz in Kalifornien ab. ­Infineon berappte für das Unternehmen 9 Mrd. Euro. Es handelt sich um die bislang größte Akquisition von Infineon. Jahre zuvor schluckte Deutschlands Branchenprimus International Rectifier, ebenfalls aus den USA. Vor dem Erwerb von Cypress war allerdings Infineon in Washington abgeblitzt. Seinerzeit untersagte die US-Behörde für ausländische Direktinvestitionen die geplanten Übernahme von Wolfspeed. Der Kaufpreis bewegte sich damals auf dem Niveau der Kosten für Gan Systems. Als Grund für das Scheitern nannte die US-Aufsicht „nationale Sicherheitsinteressen“. Wolfspeed versorgt auch das Militär. Infineon ist darüber hinaus in China sehr aktiv. Das Land macht ein Drittel des Konzernumsatzes aus.

Die USA und China stehen im Wettstreit um die globale Führungsrolle in der Wirtschaft. Washington erhob zuletzt mit Hilfe von Japan und den Niederlanden schärfere Sanktionen gegen Peking auf dem Gebiet der Halbleiter. Wolfspeed kündigte Anfang Februar an, im Saarland ein Chipwerk mit Unterstützung des schwäbischen Autozulieferers ZF zu errichten (vgl. BZ vom 6. Februar).