Mehr Insolvenzen am Londoner Wachstumsmarkt
Die Zahl der Delistings nach Insolvenzen ist im vergangenen Jahr am Wachstumssegment der Londoner Börse sprunghaft gestiegen. Am AIM (Alternative Investment Market) wurden 16 Gesellschaften wegen Zahlungsunfähigkeit vom Kurszettel gestrichen. 2017 waren es lediglich neun.hip London – Im vergangenen Jahr wurden 16 Unternehmen wegen Zahlungsunfähigkeit vom Kurszettel des Londoner Wachstumssegments AIM (Alternative Investment Market) gestrichen. Wie die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft UHY Hacker Young ermittelte, waren es 2017 lediglich neun. Zu den bekannteren Firmen, die sich in die Insolvenz verabschiedeten, gehören der einstige Börsenliebling Conviviality, dem “Bargain Booze” und “Wine Rack” gehörten, und die Metzgereikette Crawshaw Group aus Yorkshire. Der Getränkehändler, der unter anderem die Pubkette JD Wetherspoon belieferte, litt nach einer Serie von Zukäufen, die rasantes Wachstum brachten, unter Katzenjammer. Crawshaw, der Discounter wie Aldi und Lidl zu schaffen machten, konnte die für eine Restrukturierung des Geschäfts erforderlichen Mittel nicht mehr einwerben. Investoren halten sich zurückIm Schlussquartal waren die Kurse am AIM um mehr als ein Fünftel eingebrochen. Firmen, die noch keine Gewinne schreiben, haben es dadurch schwerer, die von ihnen benötigten Gelder durch Kapitalmaßnahmen einzusammeln. “Investoren sind jetzt nervöser, wenn es darum geht, zusätzliche Mittel für einige der finanziell schwächeren AIM-Gesellschaften zur Verfügung zu stellen”, sagt Laurence Sacker, Managing Partner bei UHY Hacker Young. “Das ist eine unvermeidbare Konsequenz der Volatilität am Aktienmarkt.” Eine “gute” Firma könne sich auch in einem schwierigen Marktumfeld refinanzieren. Den schwächeren falle es schwer, neue Aktien auszugeben. “In einer insgesamt schwachen Wirtschaft überlegen sich auch Banken und andere Kreditgeber, ob sie schwachen Schuldnern erlauben wollen, weitere Tranchen von Darlehen in Anspruch zu nehmen.” Das trage zu den Schmerzen bei, die manche AIM-Gesellschaften empfänden. Zudem habe der erneute Rückgang des Ölpreises die Stimmung für Energie- und Rohstoffwerte eingetrübt.Wolf Minerals, eine australische Bergbaufirma, die in der Mine Drakelands (zuvor: Hemerdon) nahe Plymouth Wolfram und Zinn im Tagebau fördern wollte, wurde ebenso zahlungsunfähig wie der Energieversorger Flowgroup und das Internetunternehmen Mysquar aus Burma.Die Zahl der Delistings insgesamt nahm jedoch nicht dramatisch zu. Im vergangenen Jahr wurden 52 (i.V. 50) AIM-Gesellschaften vom Kurszettel gestrichen. Die Gründe dafür sind vielfältig: Wenn Firmen nicht übernommen wurden oder pleitegingen, kann etwa der Verlust des “Nominated Adviser” (Nomad) dafür sorgen. Ein Unternehmen, das an den Wachstumsmarkt möchte, muss zunächst einen von der Börse zugelassenen Nomad benennen, der einerseits den Antrag befürwortet und das Unternehmen andererseits dauerhaft bei der Einhaltung der fortlaufenden Verpflichtungen unterstützt. Bei 16 % der Delistings im vergangenen Jahr war der Verlust des Nomad ausschlaggebend. Bei lediglich 6 % wurden zu hohe Kosten für Compliance und die Aufrechterhaltung der Notierung als Grund angegeben. Ebenfalls 6 % stiegen an den Main Market der LSE auf.Das Londoner Wachstumssegment ist immer für Negativschlagzeilen gut gewesen. Aber anders als der Neue Markt der Deutschen Börse ist es 23 Jahre alt geworden und zeigt bislang keine Ermüdungserscheinungen. Seiner Funktion als Eigenkapitalquelle für Wachstumsunternehmen kommt es weiter nach. Vielen Anlegern dürfte Langbar International im Gedächtnis geblieben sein. Das 2003 an die Börse gebrachte Investmentvehikel brach zwei Jahre später zusammen, als sich herausstellte, dass es die vermeintlichen Assets gar nicht gab.Roel Campos, ein Kommissionsmitglied der US-Börsenaufsicht SEC, sorgte einst mit der Bemerkung für Aufruhr, dass es sich beim AIM um ein “Kasino” handele. 30 % der dort notierten Firmen gebe es nach einem Jahr nicht mehr. “Das fühlt sich für mich wie ein Kasino an, und ich glaube, dass Investoren es als solches behandeln werden”, sagte Campos damals. Eine Studie von Absolventen der Manchester Business School kam danach zu dem Ergebnis, dass sich die Überlebensquote der AIM-Firmen in den drei Jahren nach dem Börsengang nicht wesentlich von der nordamerikanischer Gesellschaften unterscheidet.