Mineralwasser-Skandal

Neue Vorwürfe gegen Nestlé Waters in Frankreich

Perrier und andere französische Mineralwasser-Marken Nestlés stehen im Mittelpunkt eines Skandals. Das Unternehmen und der französische Staat geraten durch einen Untersuchungsbericht unter Druck.

Neue Vorwürfe gegen Nestlé Waters in Frankreich

Sprudelnde Quelle für Unmut

Nestlés Wassersparte steht im Mittelpunkt eines Mineralwasser-Skandals in Frankreich

wü Paris
von Gesche Wüpper, Paris

Ein parlamentarischer Untersuchungsbericht wirft Nestlé Waters und dem französischen Staat Vertuschung vor. Der Schweizer Konzern hat unzulässige Methoden angewandt, um die Qualität seiner französischen Mineralwasser-Marken zu verbessern. Perrier könnte den lukrativen Zusatz „natürliches Mineralwasser“ verlieren.

Der Schweizer Lebensmittelriese Nestlé steht in Frankreich im Mittelpunkt eines Mineralwasser-Skandals um unzulässige Filtermethoden. Die Folgen davon bekommt vor allem die Premium-Marke Perrier zu spüren, deren Verkäufe in Supermärkten laut Medienberichten eingebrochen sind. Sie muss nun zudem darum bangen, dass die für sie genutzte Quelle im südfranzösischen Vergèze den gewinnträchtigen Zusatz „natürliches Mineralwasser“ verliert. Nestlé Waters könnte Perrier dann woanders abfüllen lassen, fürchten Gewerkschaftsvertreter.

Ein am Montag veröffentlichter parlamentarischer Untersuchungsbericht belastet die Wassersparte des Schweizer Konzerns und den französischen Staat mit weiteren Vorwürfen. Auf Bitten Nestlés hätten staatliche Behörden einen Bericht so abgeändert, dass im Wasser der Perrier-Quellen entdeckte Bakterien sowie Spuren von zum Teil seit Jahren verbotenen Pflanzengiften vertuscht worden seien, heißt es darin. Nicht nur Nestlé Waters habe es an Transparenz mangeln lassen, sondern auch der Staat gegenüber lokalen und europäischen Behörden sowie Franzosen. Diese Verschleierung entspreche einer bewussten Strategie.

Ultimatum für Perrier

Bekannt geworden war der Skandal Anfang letzten Jahres, als „Le Monde“ und „Radio France“ enthüllten, dass Nestlé Waters Mikrofilter, UV-Filter und Aktivkohlefilter in Vergèze und Quellen in den Vogesen eingesetzt hat, um die Qualität seiner Mineralwasser-Marken Perrier, Vittel, Hépar und Contrex zu verbessern. Dies ist jedoch nicht zulässig, wenn die entsprechend behandelten Produkte mit dem Zusatz „natürliches Mineralwasser“ verkauft werden sollen.

Der Untersuchungsbericht schätzt, dass dieser Betrug Nestlé Waters mindestens 595 Mill. Euro gebracht hat. Darin ist aber beispielsweise nicht das Perrier-Mineralwasser enthalten, das Nestlé Waters verkauft, seit die Behörden ein Ultimatum gesetzt haben, die umstrittenen Mikro-Filter in Vergèze zu entfernen. Es endet Anfang August.

Strafrechtliche Untersuchung

Die Wassersparte, die Nestlé Ende des Jahres abspalten könnte, hatte die Behörden selber im Sommer 2021 darüber informiert, die unzulässigen Methoden anzuwenden, nachdem ein Whistleblower entsprechende Praktiken bei seinem für Marken wie Cristaline und St-Yorre bekannten Wettbewerber Sources Alma angeprangert hatte. Nestlé Waters wurde jedoch erst sehr viel später gezwungen, die unzulässigen Methoden aufzugeben, so dass es seine Mineralwasser-Marken weiter mit dem lukrativen Zusatz „natürlich“ vermarkten konnte.

Um einem Prozess wegen den unerlaubten Methoden bei Hépar, Vittel und Contrex in den Vogesen zu entgehen hatte Nestlé Waters im September in einem Abkommen mit der Staatsanwaltschaft vereinbart, ein Bußgeld in Höhe von 2 Mill. Euro zu zahlen. Zu Beginn des Jahres hat ein Gericht in Paris dennoch eine strafrechtliche Untersuchung eingeleitet, nachdem die Verbraucherschutzorganisation Food Watch Klage wegen Betrug eingereicht hat.

Strukturschwache Regionen

Die französische Mineral- und Quellwasserbranche, die 11.000 Arbeitsplätze umfasst, kommt auf einen Umsatz von rund 3 Mrd. Euro Umsatz pro Jahr. Einige der 104 Produktionsstandorte befinden sich in strukturschwachen Regionen. So liegt Vergèze im Gard, einem der ärmsten Départements Frankreichs, in dem der rechtsextreme Rassemblement National bei den letzten Wahlen stark abgeschnitten hat. Laut einem Regierungsbericht von 2022 nutzen rund 30% der Mineralwasser-Marken unzulässige Methoden.

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