Lebensmittelriese lotet Verkauf von Vitaminmarken aus

Neuer Nestlé-CEO treibt Projekt mit erhofftem Milliardenerlös voran

Der neue CEO von Nestlé, Philipp Navratil, geht den Umbau des weltgrößten Lebensmittelkonzerns ohne Zögern an. Der Verkauf leistungsschwacher Marken könnte bis zu 4 Mrd. Euro einbringen.

Neuer Nestlé-CEO treibt Projekt mit erhofftem Milliardenerlös voran

Nestlé lotet Verkauf von Vitaminmarken aus

Neuer CEO treibt Projekte des gefeuerten Vorgängers voran – Milliardenerlös erwartet

md/Bloomberg Frankfurt

Der neue CEO von Nestlé, Philipp Navratil, verschwendet keine Zeit, um den Umbau des weltgrößten Lebensmittelkonzerns anzupacken. Anfang des Monats war der Manager, der zuvor die Kaffeekapselsparte „Nespresso“ der Schweizer Unternehmens geleitet hatte, nach dem Rauswurf von Laurent Freixe zum Konzernchef ernannt worden. Nun ist nach Informationen von Bloomberg Morgan Stanley mit der strategischen Überprüfung des Vitamingeschäfts beauftragt worden, wie den Angaben der Nachrichtenagentur zufolge mit der Angelegenheit vertraute Personen berichteten. Die Investmentbank soll Optionen für die Vitaminsparte prüfen, die zum Verkauf einiger Marken führen könnten. Diese Vermögenswerte könnten in einer Transaktion auf 3 Mrd. bis 4 Mrd. Euro geschätzt werden, sagte eine der Personen. Die Beratungen dauerten an, und Nestlé könnte sich noch entscheiden, die Marken zu behalten, so die Insider.

Zu viel für Randgeschäfte bezahlt

Im August vorigen Jahres war der damalige CEO Mark Schneider ersetzt worden, weil zum einen Nestlé in der jüngeren Vergangenheit kaum noch wuchs und der Entwicklung von Wettbewerbern hinterherhinkte. Zum anderen war Schneider vorgeworfen worden, für Akquisitionen – insbesondere im Bereich Health Science, zu der die Vitaminsparte zählt – zu viel bezahlt zu haben. Gegen Ende seiner Zeit bei Nestlé mussten Abschreibungen in Milliardenhöhe vorgenommen werden.

Schon sein Nachfolger Freixe wollte sich wieder auf das Kerngeschäft mit Lebensmitteln und Tierfutter konzentrieren. Im Juli hatte der Konzern mitgeteilt, dass die Zukunft einiger leistungsschwacher Marken im Vitamin-, Mineralstoff- und Nahrungsergänzungsmittelgeschäft geprüft werde, darunter Nature’s Bounty, Osteo Bi-Flex, Puritan’s Pride und US-Eigenmarken. Die betroffenen Marken erwirtschaften einen Jahresumsatz von insgesamt rund 1 Mrd. sfr (1,07 Mrd. Euro). Nestlé werde sich künftig auf seine Premiummarken wie Garden of Life, Solgar und Pure Encapsulations konzentrieren, hieß es jüngst in einer Telefonkonferenz.

„Die Marken der unteren Preisklasse befinden sich in einem wettbewerbsintensiven Segment mit wenigen Markteintrittsbarrieren und können daher zur Massenware werden, während Eigenmarken typischerweise geringe Margen erzielen und für Markenhersteller keine gute Position darstellen“, so Jon Cox, Analyst von Kepler Cheuvreux.

Neues Führungsduo

Bevor Freixe die Fokussierung umsetzen konnte, stolperte der Franzose über eine nicht offengelegte romantische Beziehung mit einer ihm direkt unterstellten Mitarbeiterin, was gegen den Nestlé-Verhaltenskodex sowie interne Richtlinien verstieß. Freixe wurde am 1. September gefeuert und Navratil zum Nachfolger ernannt. Dieser treibt nun einige Projekte seines Vorgängers voran; neben der Überprüfung der Vitaminsparte steht auch das Wassergeschäft auf dem Prüfstand.

In der Folge kündigte auch Verwaltungsratschef Paul Bulcke seinen vorzeitigen Rücktritt an, nachdem Investoren den Umgang mit der Causa Freixe scharf kritisiert hatten. Neuer Chairman wird am 1. Oktober Pablo Isla. Der Spanier war von 2005 bis 2022 CEO des Textilkonzerns Inditex (Zara).

45 Prozent Kursverlust seit Ende 2021

Die Aktionäre sind vor allem mit der Kursentwicklung von Nestlé unzufrieden. Seit dem Rekordhoch zum Jahreswechsel 2021/2022 bei 130 sfr ist die Notierung um etwa 45% auf zuletzt knapp 72 sfr gefallen. Die Marktkapitalisierung beträgt umgerechnet rund 195 Mrd. Euro. Zum Vergleich: Der schwerste Wert im Dax, SAP, bringt es auf 260 Mrd. Euro.