Arzneimittelindustrie

Pharma bewahrt sich hohe Innovations­kraft

Nicht nur Impfstoffhersteller, auch die Anbieter von Medikamenten sind im zweiten Coronajahr mit vielen neuen Therapien in den Markt gegangen. Wachstumszuversicht herrscht auch für 2022.

Pharma bewahrt sich hohe Innovations­kraft

swa Frankfurt – Im Jahr 2021 haben vor allem die Hersteller von Corona-Impfstoffen für Furore gesorgt, doch auch auf anderen Krankheitsgebieten und in der Therapie von Covid-19 konnte die Pharmaindustrie punkten. Der Verband forschender Arzneimittelhersteller (VFA) spricht hinsichtlich der Einführung neuer Arzneimittel in Deutschland von einem „außergewöhnlichen“ Jahr 2021. Nie zuvor sei es gelungen, dass ein therapeutisches Medikament in weniger als zwei Jahren entwickelt, erprobt, behördlich geprüft und nach Zulassung in die Versorgung gebracht wurde.

Gelungen ist das den Kooperationspartnern Roche und Regeneron mit dem antikörperbasierten Medikament Ronapreve gegen Covid-19. Zu verdanken ist das dem Pharmaverband zufolge „außerordentlichen Anstrengungen in den Firmen, den Studienkliniken und den mit Genehmigungen befassten Arzneimittelbehörden“. Das Mittel ist in der EU für die Behandlung von nichthospitalisierten Covid-19 Patienten sowie zur Prophylaxe der Krankheit zugelassen.

Als außergewöhnlich bezeichnet der VFA zudem die mit 46 in den Markt eingeführten Wirkstoffen hohe Zahl an Neuzulassungen in Deutschland. Das sei seit der Jahrtausendwende nur einmal überboten worden. Im Jahr 2014 waren hierzulande 49 Neueinführungen gelungen. Mittel gegen Covid-19 hatten 2021 höchste Priorität bei Unternehmen und Arzneimittelbehörden. So seien drei weitere Impfstoffe und ein neues Medikament in die Versorgung gekommen.

Zuversicht für 2022

Aber auch gegen andere Infektionskrankheiten hätten die Medikamentenhersteller 2021 wirksame Therapien gefunden. So führten sie für Patienten, die an Infektionen mit problematischen gramnegativen Bakterien leiden, zwei neue Reserve-Antibiotika ein. „Beide sind ein Beitrag gegen das wachsende Problem multiresistenter Erreger“, betont der Verband. Zudem kamen zwei neue HIV-Medikamente auf den Markt.

Die meisten Neueinführungen betreffen onkologische Medikamente. Insgesamt 14 Wirkstoffe können gegen unterschiedliche Krebsarten oder Krebsvorstufen eingesetzt werden. Neben häufigen Krebsarten wie dem Brustkrebs oder dem nichtkleinzelligen Lungenkarzinom werden auch seltene Krebsarten wie bestimmte Lymphome adressiert. Ein Teil der Krebsmittel zählt zur Kategorie der personalisierten Medizin. Dabei wird vor der Anwendung mit einem Gen- oder Gewebetest geprüft, ob die Krebszellen im vorliegenden Fall bestimmte Merkmale aufweisen, beispielsweise eine Mutation, gegen die das Mittel seine Wirkung ausrichtet.

Die Branche blickt auch mit Zuversicht ins laufende Jahr. Angetrieben von der starken Nachfrage nach Corona-Impfstoffen erwartet die deutsche Pharmaindustrie einen kräftigen Schub in ihrem Geschäft. Im neuen Jahr dürfte der Umsatz laut Prognose des Branchenverbands um 8 % und die Produktion um gut 3% zulegen. Damit dürfte auch die Beschäftigung bis Ende 2022 um 3% auf mehr als 122000 Menschen zulegen. „Die Pharmaindustrie in Deutschland zeigt sich in der Krise äußerst robust“, sagte VFA-Präsident Han Steutel der Deutschen Presse-Agentur. Sie sei damit ein maßgeblicher Faktor für das Wirtschaftswachstum.

Der Coup des Mainzer Biotech-Unternehmens Biontech, den weltweit ersten zugelassenen Corona-Impfstoff aus Deutschland auf den Markt zu bringen, habe direkt und indirekt positive Folgen für den hiesigen Pharmastandort, ergänzte Steutel im Gespräch mit der Nachrichtenagentur. „Es ist nicht nur die Produktion deutscher Unternehmen gestiegen, auch ausländische Konzerne wie AstraZeneca und Johnson & Johnson lassen verstärkt hier produzieren.“ Der Impfstofferfolg von Biontech sei eine riesige Chance. Schon 2021 habe die Pharmabranche eine hohe Dynamik gezeigt:  Der Umsatz dürfte nach Angaben des VFA um 13% und die Produktion um 5% gestiegen sein.

Zugpferd Biontech

Allein am Vakzin von Biontech und Pfizer hätten in Deutschland 13 Betriebe mitgewirkt. Vom Wachstum der deutschen Wirtschaft von 2,7%, das die „Wirtschaftsweisen“ für 2021 prognostizieren, dürften allein 0,5 Prozentpunkte auf Biontech entfallen, rechnet der Verband.

Damit der hiesige Pharmastandort wettbewerbsfähig bleibe, müsse Deutschland in Sachen Bürokratieabbau, Digitalisierung und klinische Forschung jedoch besser werden. Genehmigungen etwa dauerten zu lange, auch weil Datenschutz in Deutschland ein besonders sensibles Thema sei. „Bei Corona-Impfstoffen waren die Behörden schnell, das zeigt, dass es auch sonst zügiger gehen kann“, hofft Steutel.

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