Kapitalmarkt

Rente und Wachstumsfinanzierung sichern

Die Ampel-Koalition muss den Grundstein für ein leistungsfähiges Ökosystem Kapitalmarkt legen. Mehr Aktien in der Altersvorsorge und eine Reform des Aktienrechts sind notwendig.

Rente und Wachstumsfinanzierung sichern

Die neue Bundesregierung hat es in der Hand. Mehr Aktien in der Altersvorsorge können den Lebensstandard der Menschen im Alter sichern und gleichzeitig die Finanzierung von Wachstumsunternehmen verbessern. Darüber hinaus muss das Aktienrecht so ausgestaltet werden, dass Wachstumsunternehmen die notwendige Flexibilität für ihre Expansionsschritte bekommen. Jetzt heißt es, die Weichen richtig zu stellen.

Die USA haben vorgemacht, wie es geht. Bereits in den 1970er Jahren wurde dort in der Altersvorsorge ein Ansparverfahren mit Aktien eingeführt. Dieses hat wesentlich dazu beigetragen, dass die US-Amerikaner derzeit in puncto Netto-Geldvermögen mit durchschnittlich 219000 Euro pro Kopf weltweit Spitzenreiter sind. Die Deutschen liegen abgeschlagen bei 62000 Euro pro Einwohner.

US-Werte vorn

Im gleichen Zeitraum ist die Marktkapitalisierung der US-börsennotierten Unternehmen von 23% des Bruttoinlandsprodukts auf 184% gestiegen. Allein die Marktkapitalisierung der börsennotierten Tech-Unternehmen beträgt 61% der US-Wirtschaftsleistung. In Deutschland liegt dieser Wert bei gerade einmal 7%, bei der Marktkapitalisierung aller deutscher Unternehmen reden wir von 56%. Auch die Liste der weltweit größten Börsenunternehmen führen US-Konzerne wie Apple, Microsoft, Amazon und Alphabet an. Der größte deutsche Tech-Konzern SAP liegt derzeit auf Platz 72.

Auch beim Thema Wagniskapital sind die Amerikaner spitze, stellen die US-Investoren doch die Hälfte des weltweiten Wagniskapitals. In diesen Zahlen spiegelt sich klar die Stärke des US-amerikanischen Kapitalmarkts wider.

Das hat sich auch in Deutschland herumgesprochen. Impfstoffhersteller wie Biontech oder Curevac und zahlreiche weitere Unternehmen aus der Biotechnologie und anderen Zukunftstechnologien gingen und gehen deshalb in den USA an die Börse. Doch was genau sind die Gründe für diese Entscheidung?

Wichtigster Grund für das Listing in New York ist die Investorenlandschaft, wie wir in unserer Studie „Auslandslistings von Biontech, Curevac & Co.“ ermittelt haben. Pensionsfonds als finanzstarke Investoren legen das Geld aus der Altersvorsorge am US-Kapitalmarkt an. Aufgrund der großen Summen, die diversifiziert investiert werden müssen, haben US-Investoren fundiertes Know-how auf vielen Gebieten. So können Unternehmen und Investoren auf Augenhöhe über die Chancen und Risiken des Geschäftsmodells diskutieren. Neben der Expertise der Investoren gibt es qualifizierte Emissionsbanken, Analysten und andere Dienstleister, die alle zusammen ein leistungsfähiges Ökosystem Kapitalmarkt bilden.

In Deutschland fehlt es dagegen vor allem an ausreichenden Finanzierungsmitteln und die Investoren sind eher Generalisten. Viele Banken haben in den letzten Jahren ihr Emissionsgeschäft und Research verringert oder ganz eingestellt, weil es sich in Deutschland nicht rechnet. Das IPO-Geschäft made in Germany stockt – jedenfalls im Hinblick auf Wachstumsunternehmen aus kapitalintensiven Zukunftsbranchen. Was also tun?

Der entscheidende Hebel um die Finanzierung von Wachstumsunternehmen in Deutschland voranzubringen ist das deutsche Rentensystem. Die Gelder aus der Altersvorsorge müssen viel stärker als bisher am Kapitalmarkt angelegt werden. Wie in den Vereinigten Staaten stünde dann auch mehr Geld zur Finanzierung von Wachstumsunternehmen zur Verfügung.

Aktienrecht fit machen

Der Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP weist in die richtige Richtung. Bereits im nächsten Jahr soll in der gesetzlichen Rente ein Kapitalstock von 10 Mrd. Euro errichtet werden. Auch sollen die Reserven des Umlageverfahrens stärker am Kapitalmarkt angelegt werden. Anlageprodukte in der privaten Altersvorsorge sollen eine höhere Rendite erwirtschaften. Wie weit sich ausreichend positive Effekte daraus ergeben, bleibt abzuwarten.

Neben genügend Kapital ist auch ein rechtlicher Rahmen entscheidend, der es innovativen Unternehmen erlaubt zu wachsen. Viele Wachstumsunternehmen gehen, wie unsere Studie gezeigt hat, als niederländische N.V. an die Börse. Der Grund dafür ist einfach: Das niederländische Aktienrecht bietet mit Blick auf Kapitalmaßnahmen mehr Flexibilität. Darauf sind kapital- und forschungsintensive Unternehmen wie aus der Biotechnologie angewiesen, wenn sie ihren nächsten Wachstumsschritt – beispielsweise eine klinische Studie – finanzieren wollen. Die Kapitalbeschaffung wie beim Börsengang ist für diese Unternehmen kein Einmalevent. Vielmehr folgen der Erstnotiz weitere Kapitalmaßnahmen. Bei diesen ist der Faktor Zeit oft entscheidend.

Deutlich flexibler wird in den Niederlanden das genehmigte Kapital gehandhabt, aufgrund dessen der Vorstand zur Aufnahme zusätzlicher Finanzierungsmittel ermächtigt ist. In den Niederlanden ist das Vier- bis Fünffache des Grundkapitals üblich, in Deutschland darf das genehmigte Kapital dagegen die Hälfte des Grundkapitals nicht überschreiten. Soll hierzulande kurzfristig ein größerer Kapitalbedarf gedeckt werden, ist die Einberufung einer (außerordentlichen) Hauptversammlung notwendig.

Langwieriger Prozess

Der Zustimmungsprozess dauert dann in der Regel rund drei Monate. Wird der Beschluss der Hauptversammlung angefochten, verzögert sich die Kapitalerhöhung mindestens um weitere drei Monate. Das ist viel zu lange für junge Unternehmen, die schnell Kapital aufnehmen wollen, um eine Wachstumsopportunität zu nutzen.

Auch mit Blick auf den Bezugsrechtsausschluss wäre mehr Flexibilität wünschenswert. Bei diesem wird auf die Gewährung des Bezugsrechts verzichtet, für dessen Ausübung andernfalls eine Frist von mindestens zwei Wochen zu gewähren wäre. Der Bezugsrechtsausschluss erleichtert „Overnight“-Kapitalerhöhungen.

Bei unseren niederländischen Nachbarn ist der Bezugsrechtsausschluss nahezu unbegrenzt erlaubt, wenn die Hauptversammlung vorher ihre Zustimmung gibt. Bei uns ist der Bezugsrechtsausschluss hingegen auf 10% des Grundkapitals be­schränkt. Das ist deutlich zu wenig.

Aufwertung für den Standort

Deutschland würde von mehr Wachstumsunternehmen profitieren, bei denen zukunftsfähige Arbeitsplätze entstehen. Ohne eine bessere Finanzierung wird das nicht gehen. Die Ampel-Koalition muss deshalb den Grundstein für ein leistungsfähiges Ökosystem Kapitalmarkt legen. Mehr Aktien in der Altersvorsorge, von denen Wachstumsunternehmen und Rentner profitieren, und eine Reform des Aktienrechts sind notwendig. Die neue Bundesregierung muss jetzt handeln!

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