RECHT UND KAPITALMARKT

Risiken in Iran-Engagements sind zu bewältigen

Über künftigen Geschäften hängt das Damoklesschwert des Snapback Mechanism im Joint Comprehensive Plan of Action

Risiken in Iran-Engagements sind zu bewältigen

Von Jochen Pörtge *)Am 14. Juli 2015 haben sich Iran und die E3/EU+3-Staaten (Großbritannien, Frankreich, Deutschland, Vereinigte Staaten, Russland und China) auf den Joint Comprehensive Plan of Action (JCPOA) geeinigt, der vorsieht, die Sanktionen gegen Iran schrittweise zu lockern. Mit dem Implementation Day am 16. Januar 2016 sind wesentliche Erleichterungen in Kraft getreten. Zahlreiche Unternehmen, insbesondere aus der Automobil-, der Energie- und der Maschinenbaubranche, planen, alte Geschäftsbeziehungen mit Iran wiederaufleben zu lassen und neue Geschäftsbeziehungen zu begründen. Hindernis fälltDie anfängliche Euphorie ist allerdings bereits der Ernüchterung gewichen. Insbesondere deutsche Großbanken halten sich vor dem Hintergrund immenser Strafzahlungen wegen Verstößen gegen US-Sanktionen weiterhin zurück. Ein weiteres großes Hindernis wird jedoch bald wegfallen: Wie Anfang Mai angekündigt wird Iran seine Altschulden von 500 Mill. Euro aus früheren Bürgschaften für deutsche Exportgeschäfte begleichen. Damit werden Exportkreditversicherungen möglich, und die Chance für deutsche Unternehmen steigt, für das Exportgeschäft eine finanzierende Bank zu finden. Jedenfalls einige kleinere und mittelgroße Banken sind bereit, in das Irangeschäft einzusteigen.Doch auch wenn die Finanzierung gesichert ist, müssen Unternehmen nicht nur im Blick behalten, dass auch nach dem Implementation Day der Wirtschaftsverkehr mit Iran Beschränkungen unterliegt und insbesondere waffenbezogene Sanktionen fortgelten. Über künftigen Geschäften mit Iran hängt zudem das Damoklesschwert des Snapback Mechanism: Falls festgestellt wird, dass Iran wesentliche Verpflichtungen aus dem JCPOA verletzt, können die Sanktionen wieder eingeführt werden. Unternehmen, die Geschäfte im Iran machen wollen, stellt sich deshalb die Frage, an welche Voraussetzungen ein Snapback geknüpft ist, welche Folgen er hat und wie mit diesem Risiko umgegangen werden kann.Der JCPOA enthält ein Streitbeilegungsverfahren, in dem darüber entschieden wird, ob eine der Vertragsparteien wesentliche Verpflichtungen aus dem JCPOA verletzt hat und ob die Sanktionserleichterungen fortgeführt werden sollen.Wenn einer der E3/EU+3-Staaten annimmt, dass Iran seinen Verpflichtungen aus dem JCPOA nicht nachkommt, kann der Vertragsstaat die Angelegenheit der Gemeinsamen Kommission zur Klärung vorlegen. Auch Iran hat diese Möglichkeit. Die Gemeinsame Kommission hat dann 15 Tage Zeit, die Angelegenheit zu klären. Ist die Frage danach nicht geklärt, haben die Außenminister weitere 15 Tage Zeit, um die Angelegenheit beizulegen. Parallel dazu – oder stattdessen – können der beschwerdeführende Vertragsstaat oder der Beschwerdegegner beantragen, dass sich ein Beirat mit der Frage befasst. Der Beirat soll binnen 15 Tagen eine nicht bindende Einschätzung der Angelegenheit abgeben. Verstreichen 30 Tage ohne Klärung, soll sich die Gemeinsame Kommission mit der Einschätzung des Beirats befassen und die Angelegenheit innerhalb von fünf Tagen klären.Ist der beschwerdeführende Vertragsstaat trotzdem der Auffassung, dass der andere Vertragsstaat seine Vertragspflichten wesentlich verletzt, kann er aufhören, seine Verpflichtungen nach dem JCPOA zu erfüllen und/oder den UN-Sicherheitsrat benachrichtigen. Dabei muss der Vertragsstaat die Versuche beschreiben, den Streitbeilegungsmechanismus auszuschöpfen.Wenn der UN-Sicherheitsrat informiert wird, stimmt er über eine Resolution ab, die Aufhebung der Sanktionen fortzuführen. Wird nicht innerhalb von 30 Tagen beschlossen, die Aufhebung der Sanktionen fortzuführen, werden die Bestimmungen der alten UN-Sicherheitsresolutionen wieder eingeführt. Allerdings kann der UN-Sicherheitsrat auch anders entscheiden.Eine Besonderheit des Snapback Mechanism ist, dass ein Veto die Wiedereinführung der Sanktionen nicht verhindern kann. Beschließt der UN-Sicherheitsrat nicht, die Aufhebung der Sanktionen fortzuführen, treten die Iran-Sanktionen automatisch wieder in Kraft.Soweit Verträge nach Maßgabe des JCPOA geschlossen wurden, während die Sanktionen außer Kraft gesetzt waren, und die Sanktionen wieder eingeführt werden, wären sie nicht rückwirkend auf diese Verträge anwendbar. So weit beurteilen die USA und die EU die Rechtslage für den Fall der Wiedereinführung von Sanktionen einheitlich.Nicht einheitlich beantwortet wird allerdings die Frage, ob Verträge aus der Zeit nach Lockerung und vor Wiedereinführung der Sanktionen Bestandsschutz (Grandfathering) genießen. Die USA schließen einen Bestandsschutz ausdrücklich aus. Betroffenen Unternehmen wird allerdings voraussichtlich eine Übergangszeit gewährt, damit sie ihre Aktivitäten in Iran einstellen können. Details offenHingegen sieht die EU vor, dass bei Wiedereinführung von EU-Sanktionen die Ausführung von Verträgen angemessen geschützt wird, die nach Maßgabe des JCPOA geschlossen wurden, während die Sanktionen außer Kraft gesetzt waren. Dies erfolge im Einklang mit früheren, zum Zeitpunkt der ursprünglichen Verhängung der Sanktionen geltenden Bestimmungen.Eine konkrete Ausgestaltung dieses Bestandsschutzes ist bisher allerdings nicht geregelt. Auch nach EU-Recht wird aber der Schutz zur Ausführung geschlossener Verträge zeitlich begrenzt sein. Einzelheiten werden die Rechtsakte enthalten, die die Sanktionen wieder einführen.Die Wahrscheinlichkeit, dass die Sanktionen gegen Iran wiedereingeführt werden, erscheint aus mehreren Gründen gering. Zum einen muss Iran Vertragspflichten wesentlich verletzen. Der Druck der iranischen Bevölkerung auf ihre Regierung ist groß, die Aufhebung der Sanktionen und damit das erwartete Wiederaufleben der Wirtschaft nicht zu gefährden. Zum anderen bietet der Streitbeilegungsmechanismus ausreichend Möglichkeiten, die Wiedereinführung der Sanktionen zu verhindern.Ein Indiz für den Willen Irans, die Verpflichtungen aus dem JCPOA zu erfüllen, ist, dass Iran alle Fragen der Internationalen Atomenergie-Organisation IAEO zu seinem Atomprogramm beantwortet hat und seinen weiteren für den Eintritt des Implementation Day notwendigen nuklearbezogenen Verpflichtungen (früher als erwartet) nachgekommen ist.Auch die E3/EU+3-Staaten haben ein großes Interesse daran, die Lockerung der Sanktionen fortzuführen. Eine Wiedereinführung der Sanktionen würde voraussichtlich zum Abbruch des Dialogs mit Iran führen und Iran die vermuteten Arbeiten an Nuklearwaffen wieder aufnehmen und intensivieren lassen. Iran wird nach Aufhebung der Sanktionen durch den Verkauf von Öl und Erdgas und durch die Freigabe von bislang eingefrorenen Geldern über erhebliche Finanzmittel verfügen. All dies dürfte es für die Vertragsparteien sehr unattraktiv machen, die Sanktionen wieder einzuführen. GestaltungsoptionenAuch wenn das Risiko einer Wiedereinführung von Sanktionen aus heutiger Sicht gering erscheint, müssen sich am Iran interessierte Unternehmen überlegen, wie sie mit dem Risiko eines Verlusts von Investitionen umgehen. Grundsätzlich können Risiken ausgeschlossen, akzeptiert, reduziert oder versichert werden. Eine Versicherung wird nicht möglich sein, und nur bei geringfügigen Investitionen wird ein Unternehmen einen Totalverlust akzeptieren können.Es bleiben damit häufig allein die Option, auf das Engagement komplett zu verzichten oder das Risiko so weit wie möglich zu reduzieren. Während angesichts der Haltung der USA für manche Unternehmen der Verzicht den sichersten Weg darstellt, können insbesondere Unternehmen, auf die im Falle eines Snapback allein EU-Sanktionen anwendbar wären, versuchen, das Risiko durch geeignete Vertragsgestaltung zu reduzieren.—-*) Dr. Jochen Pörtge ist Rechtsanwalt in der Praxisgruppe “White Collar, Regulatory & Compliance” bei Clifford Chance, Düsseldorf.