Salzgitter-Chef am Pranger
Salzgitter-Chef am Pranger
Großaktionär fordert Ablösung nach beendeten Übernahmegesprächen – Spartenverkauf?
Nach den im April beendeten Gesprächen der Salzgitter AG mit einem Bieterkonsortium sind sich die beiden Großaktionäre des zweitgrößten deutschen Stahlkonzerns nicht einig in ihrer Haltung gegenüber Vorstandschef Gunnar Groebler. Derweil tauchen Spekulationen über einen möglichen Spartenverkauf auf.
ste Hamburg
Vor rund sechs Wochen hat der Salzgitter-Vorstand Gespräche mit einem Bieterkonsortium um den größten Salzgitter-Aktionär Günter Papenburg über ein mögliches Übernahmeangebot abgebrochen. Dies schlägt weiterhin hohe Wellen. In der Hauptversammlung am Donnerstag forderte der mit 29% am Stahlkonzern beteiligte Hannoveraner Bauunternehmer Papenburg – vertreten durch den Chef der Otto M. Schröder Bank, Helmuth Spincke –, den Salzgitter-Vorstandsvorsitzenden abzulösen. Gunnar Groebler, dessen Vertrag der Aufsichtsrat Ende 2023 bis 2029 verlängert hatte, wurde bei der Präsenzveranstaltung in Wolfsburg mit einer Mehrheit von lediglich 55,58% der abgegebenen gültigen Stimmen entlastet.
Mangelnde Fokussierung
Papenburg, der im vorigen Herbst gemeinsam mit der nordrhein-westfälischen Recycling-Dynastie Rethmann Interesse signalisiert hatte, einschließlich der bereits von ihm gehaltenen Anteile mindestens 45% plus eine Aktie zu übernehmen, moniert mangelnde Fokussierung Groeblers auf die Aufgaben als Salzgitter-Chef. Groebler sei, so geben Versammlungsteilnehmer Spinckes Ausführungen wieder, derzeit in rund zehn Aufsichtsräten engagiert und Präsident der Wirtschaftsvereinigung Stahl. Die Zeit für die Wahrnehmung dieser Mandate fehle der Führung der Salzgitter AG. „Ein Vorstandsvorsitzender, der sich in dem schwierigen Marktumfeld verzettelt, sollte nicht an der Spitze des Unternehmens bleiben.“
Die Ergebnislage – 2024 verbuchte Salzgitter einen Verlust von 348 Mill. Euro – könne nicht optimistisch stimmen, so Papenburg-Vertreter Spincke, ein gut bestelltes Haus sehe anders aus. Eine im Branchenvergleich führende Wettbewerbsfähigkeit habe das Unternehmen eingebüßt, Personalkosten seien stetig gestiegen. Kritisiert wird auch, dass der Vorstand „ergebnisverfälschende Sonderfaktoren“ nicht ausreichend offenlege. Zu günstigen Anschaffungswerten habe Salzgitter Millionen von Emissionsrechten erworben, deren Verwertung erheblich zu den Jahresergebnissen beitrage.
Nachteil bei Fördermitteln
Mit Blick auf das bislang bis 2033 angelegte Milliardenprojekt zur Dekarbonisierung der Stahlproduktion wirft Papenburg dem Salzgitter-Vorstand Versäumnisse bei Fördermitteln vor. Die Fördersummen für energieintensive Unternehmen in der Stahlbranche zeigten eine deutliche Benachteiligung der Salzgitter AG. Der Großaktionär moniert weiter, der Konzern erwirtschafte unter den europäischen Stahlherstellern die geringste Rendite auf das eingesetzte Kapital, komme aber auf die höchste Nettoverschuldung im Verhältnis zum operativen Cashflow.
Papenburg, seit Jahrzehnten eng vernetzt mit der Politik in Niedersachsen, bedauert, der Vorstand habe die Möglichkeit verworfen, mit drei Ankeraktionären eine „wegweisende Absicherung“ zu erhalten. Niedersachsen sei ein stabiler Partner, könne aber strategische Veränderungen nur begrenzt mitfinanzieren und nutze derzeit den Einfluss auf wichtige Stahlabnehmer von Salzgitter nicht. Es sei Aufgabe eines verlässlichen Vorstands, Eitelkeiten dem Unternehmensinteresse unterzuordnen und das Konzept der „Circular Economy“ auch zu leben. „Das ist unserem Vorstandsvorsitzenden Groebler offensichtlich nicht gelungen.“
Verlässlicher Partner
Das Land Niedersachsen stellte sich indes hinter Groebler. Man habe „großes Vertrauen in die Arbeit des Vorstandes der Salzgitter AG und dessen Vorsitzenden“, sagte ein Sprecher des niedersächsischen Finanzministers und Salzgitter-Aufsichtsratsmitglieds Gerald Heere (Grüne) auf Anfrage. „Die Herausforderungen in der Stahlindustrie sind erheblich – umso wichtiger ist eine erfahrene und zukunftsgerichtete Führung, die den Transformationsprozess konsequent vorantreibt.“ Niedersachsen werde „ein verlässlicher Partner der Salzgitter AG“ bleiben und dazu beitragen, dass das Unternehmen langfristig erfolgreich bleibt.
Zu Spekulationen über einen möglichen Verkauf der Abfüll- und Verpackungsanlagensparte KHS durch Salzgitter sagte der Sprecher, solche Fragen würden intern in den zuständigen Gremien geführt. Die Nachrichtenagentur Bloomberg hatte am Tag der Hauptversammlung unter Berufung auf namentlich nicht genannte Personen berichtet, Salzgitter befinde sich in einem frühen Stadium der Überlegungen. Die Sparte könne bei einer Transaktion mit bis zu 1 Mrd. Euro bewertet werden und Private-Equity-Firmen interessieren. Der Erlös aus einem Verkauf könne zur Finanzierung einer Umstrukturierung des Stahlgeschäfts dienen.
Aktienkurs sinkt
Jefferies-Analysten, die bei einem Kursziel von 26 Euro aktuell zum Halten der Salzgitter-Aktie raten, erklärten, strategisch sei die Straffung und Vereinfachung des Geschäfts der Salzgitter AG mit ihren zahlreichen Beteiligungen zu unterstützen. „Wir glauben nicht, dass KHS die höhere Bewertung eines Verpackungsmaschinengeschäfts als kleiner Teil eines größeren Stahlgeschäfts mit niedrigerem Bewertungsniveau erhält.“ Es seien auch keine nennenswerten Synergien zwischen Stahl- und Verpackungsmaschinengeschäft zu erkennen. Bei einer richtigen Bewertung sei ein KHS-Verkauf zu befürworten. Die Salzgitter-Aktie, Mitte März noch bei über 28 Euro, gab am Freitag um bis zu 7,8% auf 21,18 Euro nach. Ein nicht-bindendes Übernahmeangebot des Bieterkonsortiums hatte einen Preis von 18,50 Euro je Aktie vorgesehen.