So wenige Pleiten wie zuletzt 1993

Creditreform: Welle kommt 2021 - Corona-Maßnahmen verzerren wahres Bild

So wenige Pleiten wie zuletzt 1993

ab Köln – Trotz des massiven Konjunktureinbruchs im Gefolge der Coronakrise geht die Zahl der Firmenpleiten in diesem Jahr deutlich zurück. Die Wirtschaftsauskunftei Creditreform rechnet in diesem Jahr mit einem Rückgang um 13,4 % auf 16 300 Unternehmensinsolvenzen. Das wäre der niedrigste Stand seit 1993. Im Vergleich zu 2010, als die Realwirtschaft mit den Folgen der Finanzkrise kämpfte, hat sich die Zahl der Firmenpleiten halbiert (siehe Grafik).Grund für die rückläufigen Insolvenzzahlen sind die vielfältigen Hilfs- und Stützungsmaßnahmen, die die Bundesregierung seit Ausbruch der Pandemie auf den Weg gebracht hat. Allen voran die befristete Aussetzung der Insolvenzantragspflicht. “Im laufenden Jahr hat sich das Insolvenzgeschehen als Seismograf für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung vom wirklichen Zustand der deutschen Unternehmen entkoppelt”, konstatiert Patrik-Ludwig Hantzsch, Leiter der Wirtschaftsforschung von Creditreform. MitnahmeeffekteRichtig glücklich machen den Ökonomen die Zahlen jedoch nicht: “Die massiven staatlichen Corona-Finanzhilfen sorgen dafür, dass es große Mitnahmeeffekte bei echten Pleitekandidaten gibt, die ohne Corona-Subventionen nicht überlebt hätten.” Insolvenzen seien ein wichtiger Mechanismus zum Schutz der Volkswirtschaft. “Der Strukturwandel wird durch diese Maßnahmen teilweise verzögert”, warnt Hantzsch.Nachdem die Pflicht zum Insolvenzantrag bei Zahlungsunfähigkeit seit dem 1. Oktober wieder in Kraft ist, geht Creditreform davon aus, dass die Zahl der Firmenpleiten sukzessive steigen wird. Für 2021 werden 24 000 Unternehmensinsolvenzen vorhergesagt. Das wäre zwar ein bedeutender Zuwachs, die Zahl reicht aber nicht an die Insolvenzzahlen im Gefolge der Finanzkrise heran. Hantzsch geht davon aus, dass die Regierung im Jahr der Bundestagswahl alles daransetzen wird, um die Insolvenzzahlen einzudämmen.Während die Zahl der Firmenpleiten in diesem Jahr stark rückläufig ist, hat sich das Schadensvolumen spürbar erhöht. Die offenen Forderungen von insolventen Unternehmen dürften sich nach der Schätzung von Creditreform 2020 auf 34 Mrd. Euro summieren, nach 23,5 Mrd. Euro im Vorjahr. Grund dafür ist die gestiegene Zahl der Großinsolvenzen, die namhafte Firmen wie Galeria Karstadt Kaufhof, die Friseurkette Klier, aber auch die Bekleidungsketten Esprit, Bonita und Hallhuber betraf. Allein die Gläubiger von Wirecard meldeten Forderungen von mehr als 12 Mrd. Euro an. Pro Insolvenzfall muss nach den Angaben der Wirtschaftsauskunftei mit Forderungsverlusten von gut 2 Mill. Euro gerechnet werden – ein Rekordwert.Dass zunehmend Großunternehmen den Gang zum Amtsgericht antreten, spiegelt sich auch in den satten Steigerungen der Insolvenzverfahren nach Umsatzgrößenklassen. So kletterte die Zahl der Firmenpleiten von Unternehmen mit einem Jahresumsatz zwischen 5 Mill. und 25 Mill. Euro um über 26 %, bei Unternehmen mit einem Jahresumsatz zwischen 25 und 50 Mill. Euro fiel der Zuwachs mit über 36 % sogar noch größer aus. Die Zunahme der Großinsolvenzen spiegelt sich in den insolvenzbedingten Arbeitsplatzverlusten, die sich 2020 um mehr als 50 % auf 332 000 erhöhen dürften.Mit Blick auf die Wirtschaftszweige wurden in allen vier Bereichen weniger Insolvenzen gezählt. Die größten Rückgänge gab es im Bau (- 16,4 %) und im Handel (- 16,3 %). Während der Bau vergleichsweise ungeschoren durch die Coronakrise kommt, gehört der Handel zu den am stärksten betroffenen Branchen. Von daher ist der Rückgang vermutlich auf die Corona-Maßnahmen zurückzuführen. Im verarbeitenden Gewerbe ging die Zahl der Insolvenzen um 8,5 % zurück, bei den Dienstleistungen wurden 12,3 % weniger Insolvenzen gezählt. Dessen ungeachtet entfällt mehr als die Hälfte des Insolvenzgeschehens auf den Dienstleistungssektor, der für 58,1 % aller Firmenpleiten steht.