Warnung vor Absatzschwund in China dämpft Freude über Nvidia-Boom
Nvidia verunsichert Investoren mit schiefen Tönen im KI-Börsenhit
Wachstum von Chipdesigner pulverisiert Markterwartungen – Warnung vor Absatzschwund in China treibt Anleger um
xaw New York
Sorgen vor einem schwächeren Wachstum in China dämpfen den Enthusiasmus der Wall Street für Nvidia. Der Halbleiterkonzern pulverisierte im dritten Geschäftsquartal zwar erneut die Markterwartungen und stellte einen optimistischen Ausblick. Doch schlichen sich schiefe Töne in den Gassenhauer vom Boom um künstliche Intelligenz (KI) ein, zu dem die Aktionäre des Chipdesigners im bisherigen Jahresverlauf das Tanzbein geschwungen haben.
Exportkontrollen ausgeweitet
Denn der Konzern, dessen Grafikprozessoren eine der wichtigsten Grundlagen für generative KI-Anwendungen bilden, hob die Effekte ausgeweiteter Beschränkungen der US-Regierung auf Auslieferungen nach China und in Länder wie Saudi-Arabien hervor. „Wir erwarten, dass unsere Verkäufe in diese Zielmärkte im vierten Quartal des Fiskaljahres 2024 signifikant zurückgehen werden“, räumte Nvidia-Finanzchefin Colette Kress ein. Der Absatz in den Regionen habe zuletzt beständig 20 bis 25% zu den Datencenter-Erlösen des Unternehmens beigetragen.

Investoren rieben sich in Reaktion auf die neuen Noten im bekannten KI-Börsenhit verwundert die Ohren. Die Aktie des Chipdesigners setzte im nachbörslichen New Yorker Handel am Dienstag leicht zurück, nach Eröffnung an der Wall Street am Mittwoch ging es zeitweise um fast 4% abwärts. Damit ergab sich ein scharfer Kontrast zur Kursreaktion auf vergangene Zahlenvorlagen. Analysten verwiesen auch auf eine wachsende Vorsicht nach der jüngsten Rally, die Nvidia zum Wochenstart auf ein Rekordhoch geführt hatte. Investoren wünschten sich jetzt stärkere Versicherungen darüber, dass es sich beim KI-Boom tatsächlich um einen mehrjährigen Wachstumstrend handle.
Daran nähren die Spannungen zwischen Washington und Peking nun Zweifel. Bereits 2022 hatten die USA umfangreiche Beschränkungen für den Export hochleistungsfähiger Halbleiter und zugehöriger Fertigungstechnik nach China erlassen. Im Oktober weitete Washington diese aus und schloss Schlupflöcher in bestehenden Regelungen. US-Handelsministerin Gina Raimondo betonte dabei erneut, dass High-End-Chips entscheidend für militärische Anwendungen sein könnten.
Lizenzen für Neuentwicklungen benötigt
Hochleistungsfähige KI-Halbleiter, wie sie von Nvidia und Konkurrentin Intel entwickelt werden, sind ohne gesonderte Lizenz vom Export nach China ausgeschlossen. Zudem müssen die Konzerne die US-Regierung bei Ausfuhren sogenannter Grauzonen-Chips, die knapp unterhalb der höchsten Performance-Schwelle liegen, benachrichtigen, worauf Washington ablehnende Bescheide stellen kann. Nvidia hatte zuvor spezielle, weniger leistungsfähige Chips für den chinesischen Markt fertigen lassen, benötigt nun de facto aber selbst für diese Lizenzen. Die Analysten von Insider Intelligence kritisierten, dass der Konzern mit der Entwicklung gesonderter Halbleiter für den Vertrieb in der Volksrepublik Kapazitäten binde, die andernorts benötigt würden.
Der Branchenverband Semiconductor Industry Association kritisierte die Neuregelungen scharf. „Übermäßig breit angelegte, einseitige Kontrollen drohen das US-Halbleitersystem zu beschädigen, ohne die nationale Sicherheit zu stärken“, heißt es in einer Mitteilung. Wenn der Kauf von US-Chips beschwerlicher werde, würden sich Kunden aus Übersee nach alternativen Quellen umsehen.
Kritik aus der Branche
Nvidia zeigt sich unterdessen zuversichtlich, Erlösrückgänge in China durch das Wachstum in anderen Regionen mehr als kompensieren zu können. Nachdem das Unternehmen den Umsatz im abgelaufenen Quartal auf 18,12 Mrd. Dollar steigerte und somit zum Vorjahr mehr als verdreifachte, stellt das Management für das aktuelle Jahresviertel rund 20 Mrd. Dollar in Aussicht. Von Factset befragte Analysten hatten im Konsens mit 2 Mrd. Dollar weniger gerechnet.

Optimismus für Margen
Der Nettogewinn sprang zwischen August und Oktober zum Vorjahr um über 1.200% auf 9,24 Mrd. Dollar. Auch die Prognose für die Profitabilität fiel positiver aus als erhofft. Nach dem US-Rechnungslegungsstandard GAAP erwartet der Konzern eine Bruttomarge von 74,5%, bereinigt um Aufwendungen für aktienbasierte Vergütungen gar 75,5%.
Der Hit vom KI-Boom hat Investoren auch in Bezug auf andere große Tech-Werte wie Microsoft oder Alphabet in Feierstimmung versetzt. Gemeinsam mit Nvidia sind diese Titel entscheidende Treiber für die US-Börsen insgesamt. Doch die Rally basiert laut den Analysten von Bloomberg Intelligence noch immer stark auf der Annahme, dass die Federal Reserve ihren Zinserhöhungszyklus abgeschlossen habe. Notenbankchef Jerome Powell ließ zuletzt allerdings durchblicken, dass es für Siegestänze im Kampf gegen die Inflation noch zu früh sei.