Produktionseinbruch

In der Stahlindustrie liegen die Nerven blank

Die nächste Hiobsbotschaft aus der deutschen Industrie: Die Rohstahlproduktion ist im ersten Halbjahr um annähernd 12% eingebrochen. Die Wirtschaftsvereinigung Stahl ruft nach politischem Beistand. Handlungskonzepte früherer Spitzentreffen müssten endlich umgesetzt werden.

In der Stahlindustrie liegen die Nerven blank

In der Stahlindustrie liegen die Nerven blank

Produktion bricht auf Niveau von 2009 ein – DSW mit scharfer Kritik an Salzgitter

ab/ste Köln/Hamburg

Die Wirtschaftsvereinigung Stahl wartet mit alarmierenden Zahlen auf: Im ersten Halbjahr dieses Jahres ist die Rohstahlproduktion in Deutschland im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um beinahe 12% auf 17,1 Millionen Tonnen zurückgegangen. Dabei war 2024 bereits ein „überaus schwaches Jahr“, wie der Branchenverband herausstellt. Damit bewege sich die Rohstahlproduktion auf dem Niveau zu Zeiten der Finanzmarktkrise im Jahr 2009.

„Der Produktionseinbruch in unserer Branche zeigt, wie dramatisch es um den Industriestandort Deutschland steht“, sagt Kerstin Maria Rippel, Hauptgeschäftsführerin der Wirtschaftsvereinigung Stahl und ruft nach einem „Stahlgipfel als Spitzentreffen auf höchster politischer Ebene“. Die Branche brauche die zeitnahe und verlässliche Umsetzung der bekannten Maßnahmen. Bundeskanzler Friedrich Merz hatte im Bundestag angekündigt, einen Stahlgipfel „sehr wohlwollend prüfen“ zu wollen.

Forderungskatalog

Erst im vorigen Herbst hatte es in Duisburg einen Stahlgipfel mit dem damaligen Wirtschaftsminister Robert Habeck gegeben. Unter seinem Vorgänger Peter Altmeier wurde schon 2020 das „Handlungskonzept Stahl“ verfasst. „Alles, was zu tun ist, ist bekannt und aufgeschrieben“, sagt Rippel.

Konkret fordert die Stahlindustrie einen wirksamen Handels- und Carbon Leakage-Schutz in Europa, wettbewerbsfähige Strompreise und ein Vergaberecht, das auf emissionsarme, heimische Grundstoffe setzt. Nur damit habe „die für die Volkswirtschaft so wesentliche Stahlindustrie in Deutschland eine Zukunft“. Die Probleme der Stahlindustrie sind vielfältig: Angefangen bei der Nachfrageschwäche aus den wichtigsten Abnehmerindustrien Bau, Maschinenbau, Auto über die nicht wettbewerbsfähigen Energiekosten – allen voran die Stromkosten – bis hin zum wachsenden Importdruck.

Salzgitter verschickt Gewinnwarnung

Letzterer hat sich durch die Handelspolitik von Donald Trump verschärft. So erheben die USA seit Anfang Juni auf Stahlerzeugnisse zusätzliche Einfuhrzölle von 50%, ausgenommen ist Großbritannien. Kanada kündigte an, zum Schutz der heimischen Stahl- und Aluminiumindustrie neue Zölle einzuführen. Das führt zur Umlenkung von Handelsströmen, vorwiegend aus Asien nach Europa. Als größter Stahlstandort in Europa ist Deutschland besonders betroffen.

Dazu passend dampfte Salzgitter die Jahresprognose ein. Die Aktie schmierte um 22% ab. „Der jüngste Hype um die Panzerstahl-Zulassung war vollends überzogen“, kritisierte Marc Tüngler von der Anlegerschutzvereinigung DSW. Die Erlöse aus dem Rüstungsgeschäft machen derzeit weniger als 1% des Konzernumsatzes aus.

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