Telecom Italia gliedert das Festnetzgeschäft aus
Neustart für verkleinerte Telecom Italia
Konzern nun ohne Festnetzsparte – CEO hofft auf mehr Handlungsfreiheit
bl Mailand
Es ist ein Experiment mit unbekanntem Ausgang, das bei Telecom Italia (TIM) begonnen hat: Seit dem 1. Juli ist TIM der erste Ex-Monopolist in Europa, der ohne sein historisches Festnetzgeschäft am Markt agiert. Zumindest an der Börse ist der Start mit einem leichten Kursplus zufriedenstellend verlaufen.
Keine strategischen Gründe
Die Amputation des Festnetzgeschäfts erfolgte aus finanziellen Gründen, nicht aus strategischen. Mit der Abgabe der Netco wird TIM 20.000 der zuletzt fast 38.000 Mitarbeiter und 14 Mrd. Euro Schulden los. Damit sinkt der Schuldendienst. Aus dem Verkauf von Sparkle (Unterwasserkabel) hofft TIM etwa 800 Mill. Euro zu erlösen. Vermutlich wird Rom, zusammen mit der spanischen Asterion, die Tochter übernehmen. Verkauft werden soll auch die Restbeteiligung an Inwitt (Funkmasten etc.), die 300 Mill. Euro in die Kassen spülen könnte.
CEO Pietro Labriola hofft, ohne das Festnetz mehr Handlungsfreiheit zu haben. Aus der Abgabe der Netco für 18,8 bis 22 Mrd. Euro fließen TIM etwa 7 Mrd. Euro zu. Doch für die Miete des Netzes muss der Ex-Monopolist rund 2 Mrd. Euro pro Jahr an die Netco zahlen, die mehrheitlich von der US-Fondsgesellschaft KKR kontrolliert wird. Der italienische Staat hat 20% übernommen, der italienische Fonds F2i 10%.
Analysten äußern Zweifel an der Überlebensfähigkeit
Ob die Rechnung Labriolas aufgeht, ist mehr als unklar. Nachdem er im März einen neuen Strategieplan für TIM vorgestellt hatte, brach der Wert um etwa ein Viertel ein. Analysten zeigten sich enttäuscht über die Aussichten und die geplanten Dividenden und haben Zweifel an der Überlebensfähigkeit des Rumpfunternehmens. Außerdem verbrennt TIM auch in diesem Jahr Geld. Der Kurs hat sich seither nicht erholt. Die Wertevernichtung durch die vielen Streitigkeiten und Wechsel an der Unternehmensspitze ist gigantisch. An der Börse kommt das Unternehmen gerade noch auf eine Kapitalisierung von 3,5 Mrd. Euro.
Die ertragsstarke Netco kommt allein bei einem Umsatz von 4,2 Mrd. Euro auf ein Bruttobetriebsergebnis von 1,9 Mrd. Euro. Die Netzgesellschaft sollte nach den ursprünglichen Plänen mit der indirekt mehrheitlich staatlich kontrollierten Netzgesellschaft Open Fiber zusammengelegt werden. Doch da könnte es kartellrechtliche Probleme geben.
Die verbleibende TIM erlöst mit einer Verschuldung von 7,5 Mrd. Euro einen Umsatz von 14,5 Mrd. Euro und eine Betriebsmarge von 3,75 Mrd. Euro. Zwar hat der seit 2021 amtierende Labriola das Unternehmen seither stabilisiert und die Umsatz- und Ertragserosion gestoppt. Doch das Unternehmen schreibt noch immer tiefrote Zahlen.
Vor allem das Servicegeschäft für Privatkunden steht stark unter Druck. Der Konkurrenzkampf ist mörderisch. Die Margen sind sehr niedrig. Besser sieht es mit den Perspektiven der Business-Einheit Geschäftskunden aus. Doch auch da gibt es viele Fragezeichen. Die einzige verlässliche Ertragsquelle ist das Brasiliengeschäft, das etwa 40% zum Ebitda-Ergebnis beiträgt.
Ungemach von Vivendi
Ungemach droht TIM von Großaktionär Vivendi (23,9%). Die Franzosen, die bei ihrem Investment Milliarden verloren haben, halten den Verkaufspreis der Festnetzsparte für viel zu niedrig. Sie gehen gerichtlich gegen den Verkauf vor.