Corporate Governance

Tradition geht vor Erneuerung

Aufsichtsräte bewegen sich in der Besetzung des Gremiums nach wie vor in eingefahrenen Bahnen. Außergewöhnliche Profile sind nach Analyse der Kanzlei Freshfields im Dax noch nicht der Regelfall.

Tradition geht vor Erneuerung

swa Frankfurt

– Geopolitische Risiken, Digitalisierung, Biodiversität und ESG-Transformation sind die zentralen Herausforderungen für Unternehmen weltweit. Im Kompetenzprofil deutscher Aufsichtsräte spiegelt sich die Zeitenwende noch nicht wider, stellt die Kanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer in einer Studie fest. Die Analyse von Neubesetzungen in Dax und MDax in den Jahren 2021 und 2022 wurde federführend vom Anwalt und Rechtswissenschaftler Christoph Seibt erstellt.

Große Unternehmen vertrauen in der Besetzung ihrer Aufsichtsräte nach wie vor überwiegend auf bewährte Expertise. Nominiert und gewählt worden seien 2021 und 2022 hauptsächlich Persönlichkeiten mit Managementerfahrung und vertieften Kenntnissen vor allem in Finanzen, Controlling, Risikomanagement und Strategie, sagt Seibt.

Insgesamt sei das „Board Refreshment“ angesichts von Themen wie Pandemie oder geopolitische Krisenlage selbst bei Dax-Unternehmen überraschenderweise nur moderat ausgefallen. Nur vereinzelt seien Personen mit wissenschaftlichem oder sportlichem Hintergrund oder mit einem Fokus auf ESG oder Nachhaltigkeit in die Aufsichtsräte gekommen. In der laufenden Hauptversammlungssaison seien die Gremien verstärkt mit Frauen besetzt worden. Schwerpunkte der Mandatsträger blieben allerdings die klassischen Aufsichtsratskompetenzen.

Noch mehr Beharrungsvermögen zeigt sich im Kreis der MDax-Unternehmen – allerdings mit Signalen des Aufbruchs. So seien 2021 nur für knapp die Hälfte der gewählten Aufsichtsräte überhaupt neue Personen vorgeschlagen worden. Zumeist seien auch hier Kandidaten mit klassischen Lebensläufen zum Zug gekommen. Vereinzelt gebe es Ausnahmen, insbesondere mit Blick auf Kompetenzen in Digitalisierung. In der laufenden Saison habe sich der Frauenanteil erhöht, und erstmals kämen verstärkt ESG-Kompetenzen bei den Neugewählten zum Tragen.

In den Amtszeiten geben viele Unternehmen in Dax und MDax unterdessen dem Druck von Investoren nach und lassen nur noch für maximal vier Jahre wählen. Auch gestaffelte Amtszeiten sind im Trend, damit die Gremien nicht mehr auf einen Schlag komplett neu gewählt werden müssen. Da mit diesem Wandel häufiger Aufsichtsratswahlen anstehen, dürfte sich die Zusammensetzung der Gremien künftig in einem schnelleren Rhythmus ändern, erwartet Seibt. Das könnte die Veränderung der Kompetenzprofile beschleunigen.

Neue Gesichter

Mit Blick auf „ausgewählte Persönlichkeiten“, die 2022 in Dax-Aufsichtsräte gekommen sind, verweist Seibt auf Rashmy Chatterjee, die ins Kontrollgremium der Allianz bestellt wurde. Sie sei die erste Frau in der indischen Marine gewesen, habe später für IBM gearbeitet und sei aktuell CEO des Cybersecurity-Unternehmens Istari. Chatterjee hat in der Aufsichtsratswahl auf der Hauptversammlung auch die meisten Stimmen erhalten.

Ein außergewöhnliches Profil weise auch der neue Deutsche-Bank-Aufsichtsrat Yngve Slyngstad aus, ehemals Chef des norwegischen Staatsfonds, den Seibt als „Pionier nachhaltiger Investitionen mit einem Fokus auf aktuelle klima- und energiepolitische Themen“ würdigt.

Wertberichtigt Seite 6

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