Siemens trotzt Zöllen mit starker Resilienz
Zölle mindern Gewinn von Siemens kaum
Konzern kann Einfluss durch weltweite Wertschöpfung und Preiserhöhungen abfedern – Die Jahresprognose bleibt gültig – Ziele im zweiten Quartal erreicht
Die US-Politik hat voraussichtlich nur begrenzte Auswirkungen auf das Siemens-Ergebnis 2024/2025. Der Konzern hält an seiner Jahresprognose fest. Im ersten Quartal übertraf er teils M&A-bedingt die Markterwartungen deutlich. Der Konzern beobachtet im April bei einigen Kunden eine erhöhte Vorsicht bei Bestellungen.
mic München
Siemens kann die Auswirkungen der weltweiten Zölle weitgehend abfedern. Der Konzern erwartet nach Umsetzung ausgleichender Maßnahmen eine „begrenzte Nettowirkung“ auf die Ergebnisse der drei Kernsparten Digital Industries, Smart Infrastructure und Mobility. Dies sagte Vorstandsvorsitzender Roland Busch anlässlich der Vorlage der Halbjahresergebnisse.
Die Größenordnung sei überschaubar und handhabbar, betonte auch Finanzvorstand Ralf Thomas. Es handle sich um einen hohen zweistelligen bis niedrigen dreistelligen Millionenbetrag, detaillierte er auf Nachfrage. Die Tochter Siemens Healthineers rechnet nach früheren Angaben mit 200 bis 300 Mill. Euro.

Thomas begründete die hohe Resilienz mit einer gut diversifizierten Wertschöpfungskette. Siemens habe weltweit 150 Fabriken, die im Konzept der Zwillingsfabriken teils die identischen Produkte produzieren könnten. In den USA erwirtschafte Siemens mit 48.000 Beschäftigten in 28 Fabriken ein Viertel des Konzernumsatzes. Das Beschaffungsvolumen vor Ort sei mit mehr als 20% des Konzernvolumens auf einem hohen Niveau. Hinsichtlich struktureller Maßnahmen werde man nicht überreagieren, so der Vorstand: „Solange so viel Dynamik in diesem Szenario ist, wäre es fahrlässig, in große Veränderungsprozesse einzusteigen.“
Aktienkurs gerät unter Druck
Zudem habe Siemens als Technologieführer in der Regel auch Preissetzungsmacht, sagte Thomas. Man strebe nicht an, inflationäre Tendenzen zu befeuern: „Aber wir sind in der Lage, auch an dieser Stelle die entsprechenden Hebel umzulegen.“ Seine Zusammenfassung mit Blick auf die Zölle: „Wir sind in einer Position, dass wir relativ gut im Vergleich zum Wettbewerb damit umgehen können.“
Busch betonte zugleich, es sei sehr schwer vorherzusagen, wie sich die Unsicherheiten auf die weltweite Nachfrage auswirkten. Im April habe man eine erhöhte Vorsicht bei den Bestellungen einiger Kunden beobachtet, sagte Thomas. Der Siemens-Aktienkurs geriet mit einem Abschlag von bis zu 4% unter Druck.
Personalabbau wird teurer
Der Stellenabbau, der über das noch vor einem guten halben Jahr geplante Maß hinausgeht, wird den Restrukturierungsaufwand in die Höhe treiben. Im März hatte der Konzern erklärt, es würden 6.050 Arbeitsplätze gestrichen. Thomas erwartet nun im Geschäftsjahr einen Aufwand von 500 bis 600 Mill. Euro, nachdem er im November noch mit 350 bis 450 Mill. Euro gerechnet hatte. „Der Großteil dieser Aufwendungen (wird) voraussichtlich im vierten Quartal anfallen“, sagte Thomas. Im ersten Halbjahr seien 173 Mill. Euro angesetzt worden.
Das zurückliegende zweite Quartal des Geschäftsjahres kennzeichnete das Vorstandsduo als „erfolgreich“. Umsatz und Auftragseingang seien robust, sagte Busch. Im kurzzyklischen Produktgeschäft von Digital Industries in China seien die hohen Lagerbestände wie erwartet weitgehend abgebaut. Das operative Ergebnis des industriellen Geschäfts sei hervorragend: „Trotz der erheblichen Unsicherheiten bestätigen wir unseren Konzernausblick für das Geschäftsjahr 2025.“

Siemens steigerte von Januar bis Ende März den Umsatz auf vergleichbarer Basis um 6% auf 19,8 Mrd. Euro. Das Ergebnis des industriellen Geschäfts sprang um 29% auf 3,2 Mrd. Euro, befeuert von einem Buchgewinn von 0,3 Mrd. Euro aus dem Verkauf des Wiring-Accessories-Geschäfts. Busch betonte, dass Siemens auch ohne diesen Gewinn die Markterwartungen übertroffen habe. Siemens landete bereinigt bei einer operativen Ergebnismarge von 15,3 (unbereinigt: 16,9)%, die Analysten hatten mit 14,7% gerechnet.
Das Verhältnis von Auftragseingang zu Umsatz lag mit 1,10 weiterhin hoch. Die Investitionsbereitschaft in Kernindustrien wie Automobil und Maschinenbau bleibe aber verhalten, sagte Busch.
Weitere Zukäufe geplant
Smart Infrastructure eilte auch im zweiten Quartal von Rekord zu Rekord. Die Kernsparte Digital Industries zeigte sich verhalten. Busch betonte zwar, das Automatisierungsgeschäft habe sich leicht besser als erwartet entwickelt. Der Umsatz sank im Vorjahresvergleich um 6% auf 2,9 Mrd. Euro, landete aber über dem Niveau der Talsohle im ersten Quartal.
Thomas strich heraus, dass Siemens weiterhin aus einer Position finanzieller Stärke heraus handle. Busch sagte, der Konzern wolle nach wie vor auch anorganisch wachsen. Der Fokus liege dabei auf Software, denn sie habe ein sehr hohes Wachstumsmomentum: „Es ist da auch mehr zu erwarten.“ Aber Siemens werde nicht in jedem Quartal 5 oder 10 Mrd. Euro ausgeben.