EU-Gerichtshof

Volkswagen droht Schlappe vor Gericht

Der Generalanwalt wertet die Thermofenster zur Regulierung des Schadstoffausstoßes von Autos des VW-Konzerns als nicht mit EU-Recht vereinbar. In Wolfsburg sieht man das anders.

Volkswagen droht Schlappe vor Gericht

scd/fed Frankfurt

Volkswagen muss sich darauf einstellen, vor dem höchsten europäischen Gericht eine Niederlage im Zusammenhang mit dem Dieselskandal zu kassieren. In einem Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof hat der Generalanwalt den Einbau einer Software, mit der die Höhe der Schadstoffemissionen eines Fahrzeugs abhängig von der Außentemperatur und der Höhenlage verändert wird, als unionsrechtswidrig – also als unvereinbar mit europäischem Recht – beurteilt. Ein Fahrzeug, das eine solche Software nutzt, steht insofern nicht in Einklang mit den einschlägigen EU-Vorgaben.

Die Schlussanträge des Generalanwalts binden zwar das Gericht nicht in seinem Urteil. In der weit überwiegenden Zahl der Fälle folgen jedoch die Luxemburger Richter, meist nach drei bis sechs Monaten, den Anträgen des Generalanwalts, der die Rolle des Fürsprechers des öffentlichen Interesses hat. Insofern ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass auch das Gericht generelle Vorbehalte gegen den Einbau von Thermofenster-Software erheben wird.

Seit Jahren gibt es einen Streit über diese und ähnliche Software. Kontrovers diskutiert wird dabei die Frage, ob es sich um eine Abschalteinrichtung im Sinne der EU-Verordnungen handelt und ob die Nutzung einer solchen Software zulässig ist, um den Motor zu schonen. Der Generalanwalt argumentiert im aktuellen Fall, dass eine solche Einrichtung „nicht mit dem Schutz des Motors vor Beschädigung oder Unfall und dem sicheren Betrieb des Fahrzeugs gerechtfertigt werden kann“, insofern sie vornehmlich der Schonung von Anbauteilen wie Ventilen, Kühler und Partikelfiltern diene.

Den Gerichtshof angerufen hatten drei österreichische Gerichte. In einer der Rechtssachen ging es um die Ausschaltung der Abgasreinigung von Fahrzeugen bei einer Außentemperatur unter 15 Grad Celsius (beziehungsweise über 33 Grad) sowie bei einer Höhe des Fahrbetriebs oberhalb 1000 Höhenmetern. Da diese Bedingungen in Österreich regelmäßig gegeben seien, verringere die Software daher „bei normalen Nutzungsbedingungen und normalem Fahrzeugbetrieb“ die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems und stelle eine „Abschalteinrichtung“ dar. Die in Fahrzeugen des VW-Konzerns verwendeten Thermofenster seien weiter zulässig, argumentierte hingegen VW. Zudem werde die Abgasrückführung bei modernen Dieselmotoren nur noch bei „absoluten Extremtemperaturen deutlich unterhalb von 15 Grad Celsius“ reduziert. In der Fahrpraxis komme das Thermofenster praktisch nicht mehr zum Einsatz. Klagen auf Schadenersatz hätten daher weiterhin keine Aussicht auf Erfolg.