PERSONEN 2012

Wirtschaftliche Verwerfungen gehen nahezu spurlos an Topetagen vorbei

Wenige Querelen, reibungslose Wechsel - Stahlgewitter bei ThyssenKrupp - Weichenstellung in Aufsichtsräten

Wirtschaftliche Verwerfungen gehen nahezu spurlos an Topetagen vorbei

Von Walther Becker, FrankfurtUngewöhnlich wenig personelle Weichenstellungen für die Spitzen der kapitalmarktorientierten Unternehmen hat es im auslaufenden Jahr gegeben. Doch wurden einige zum Zeitpunkt der Designierung umstrittene Bestellungen umgesetzt: Jürgen Fitschen und Anshu Jain führen die Deutsche Bank, Peter Terium nun RWE und Stefan Heidenreich leitet Beiersdorf. Der am längsten amtierende Dax-Vorstandschef geht mit dem Jahr: Auf Ben Lipps, der 1999 mit 58 Jahren bei Fresenius Medical Care gestartet war, folgt Rice Powell, ebenfalls ein Amerikaner.Der Generationswechsel in Unternehmen kommt also voran, wie auch das ablaufende Jahr zeigt. Nach spektakulären Ränkespielen und Chaostagen zuvor – bei Deutscher Bank, Haniel und RWE – ist der abgelaufene Turnus ziemlich ruhig verlaufen. Nahezu geschmeidig wurden Spitzenpositionen neu besetzt.”Trotz rauem Makroklima bleibt es in den deutschen Topetagen ruhig und geordnet”, sagt Personalberater Andreas Halin. Die makroökonomischen Verwerfungen gingen fast spurlos an den deutschen Topetagen vorbei. Und das werde 2013 auch so sein. Das Stahlgewitter bei ThyssenKrupp im Dezember hat indessen gezeigt, dass es auch in den Führungsetagen nach wie vor krachen kann. Durchgesetzt hat sich trotz aller Kritik an seiner Aufsichtsratsführung bei Siemens und ThyssenKrupp erneut Gerhard Cromme. Gegangen wurden nach Pleiten, Pech und Skandalen gleich drei Vorstände.Wichtige Weichenstellungen stehen im neuen Jahr weniger in Vorständen als vielmehr in Aufsichtsräten an. Siemens macht den Auftakt: Dort stehen die Vertreter der Anteilseignerseite auf der Hauptversammlung am 23. Januar zur Neuwahl an. Bei gut einem Drittel der deutschen Blue Chips werden die Kontrolleure neu bestimmt, es geht um rund 80 Aufsichtsratssitze. Nur wenige Köpfe gerolltNatürlich sind die Wechsel an der Spitze nicht überall ohne Schleifspuren gelaufen. Da sind die versuchte Übernahme von Rhön-Klinikum durch Fresenius und die Akquisition von Deutschlands größtem Baukonzern Hochtief durch die spanische ACS. In beiden Fällen rollen Köpfe: Nachdem die Führungsriege in Essen schon zuvor fast vollständig ausgewechselt worden war, ersetzten die hochverschuldete Spanier im November Vorstandschef Frank Stieler durch Marcelino Fernández Verdes. Und Ex-Conti-Chef Manfred Wennemer, seit Mai 2011 Chefkontrolleur in Essen, ging gleich mit. Bei Rhön-Klinikum tritt Martin Siebert Anfang 2013 die Nachfolge von Wolfgang Pföhler an. Siebert gehört seit Oktober der Führungsriege an.Sportartikelhersteller Puma trennt sich schon wieder von Vorstandschef Franz Koch. Die PPR-Tochter hat noch nicht mal einen Nachfolger – den will sie bis “spätestens Frühjahr 2013” bestellen. Koch hatte die Führung erst im Juli 2011 von Jochen Zeitz übernommen.Bei der um ihre Existenz kämpfenden HSH Nordbank wurde Paul Lerbinger, der erst im März 2011 in Hamburg angetretene ehemalige Investmentbanker, Knall auf Fall durch den bisherigen Finanzchef Constantin von Oesterreich ersetzt. Als neuer CFO wurde Ex-BayernLB-Vorstand Stefan Ermisch angeheuert. Dieser war im Sommer auch als Kandidat für den Chefposten beim Sparkassen-Fondsdienstleister Deka gehandelt worden. Doch den Zuschlag erhielt dort am Ende der langjährige Credit-Suisse-Banker Michael Rüdiger. Der will mit einem “Transformationsprogramm Wertpapierhaus” die DekaBank “in die nächste Evolutionsstufe” führen. Bei dem Assetmanager der Sparkassen hatte Franz Waas im April gehen müssen, nachdem ihm eine millionenschwere Boni-Nachforderung zum Verhängnis geworden war.Negative Schlagzeilen gab es für die Spitze von Morgan Stanley in Deutschland: Der im Zuge des umstrittenen Verkaufs eines Anteils am Energieversorger EnBW in die Schlagzeilen geratene Vorstandsvorsitzende Dirk Notheis nahm erst Ende Juni “eine Auszeit” und zog sich dann zurück. Die Aufgaben als Country Head für Deutschland und Österreich gingen an den Aufsichtsratsvorsitzenden Lutz Raettig. Die Aufgaben im Tagesgeschäft wurden im Vorstand verteilt.Nach sechs Monaten Warten trat Frank Mastiaux als neuer EnBW-Chef im Oktober sein Amt an. Er soll nicht nur ein Konzept zur Energiewende entwickeln, sondern auch den Konzern neu ausrichten. Sein Ex-Arbeitgeber Eon hatte nach der Bekanntgabe des Wechsels aus “Compliance- und Wettbewerbsgründen” auf sechs Monaten Karenzzeit bestanden. So musste Mastiaux tatenlos zusehen, wie sich sein Vorgänger Hans-Peter Villis mühte, die Folgen des Atomausstiegs abzumildern.Eine mehrfach auf die lange Bank geschobene Personalie wurde wie erwartet entschieden: Airbus-Chef Thomas Enders rückte nach Absprachen zwischen Paris und Berlin im Juli als Nachfolger von Louis Gallois an die Spitze der Mutter EADS. Was für ein Start! Enders scheiterte an Investoren und Politik mit seinem Plan einer Fusion mit BAE Systems. Zuletzt lief die Umstrukturierung im Aktionärskreis, verbunden mit höherem Streubesitz, weil Daimlers, das EADS-Engagement reduziert. Keine Zeit zu verlierenKeine Zeit verlieren darf Stephan Gemkow bei Haniel. Gerade vier Monate im Amt bei dem verschuldeten Konzern, setzte der Ex-Finanzchef der Lufthansa Duftmarken: In enger Abstimmung mit den Gesellschaftern kündigte er das Abschmelzen der beiden größten Beteiligungen – Metro und Celesio – an. Mit solchen Änderungen hatte sich sein Vorgänger Jürgen Kluge in der Familie nicht durchsetzen können.Früher als zunächst gedacht wird im Februar 2013 Tui-Chef Michael Frenzel das Reiseunternehmen verlassen. Ersetzen soll ihn der bisherige Vodafone-Deutschland-Chef Friedrich Joussen. Der muss sich nach dem Abgang eines der dienstältesten deutschen Manager vor allem auch bemühen, Ruhe an der Aktionärsfront zu bekommen.Strategisch auf Kurs bleiben dürfte Reinhard Ploss, der neue Chef von Infineon. Der Ingenieur ist seit fünf Jahren im Vorstand des Dax-Konzerns. Anfang Oktober folgte er auf Peter Bauer, der an Osteoporose leidet und deshalb abgetreten ist.Wohlgeordnet sind die Generationswechsel bei den Stiftungsunternehmen Bosch und ZF gelaufen: Die Bestellung von Volkmar Denner, dem Zukunftsdenker, als Nachfolger von Franz Fehrenbach an die Führungsspitze des weltführenden Autozulieferers Bosch ist ein starkes Signal nach innen und außen. In die Fußstapfen von Hans-Georg Härter bei ZF Friedrichshafen ist Stefan Sommer getreten, wie von langer Hand geplant.Nach dem gescheiterten Börsengang der Autozuliefertochter KSPG muss Armin Papperger, der selbst aus der Rüstungssparte kommt, Rheinmetall neu ausrichten. Er folgt mit dem Jahreswechsel auf Klaus Eberhardt, der die Gruppe seit 2000 führte.